Veröffentlicht: 12.11.2023. Rubrik: Unsortiert
Das letzte Buch
Hallo liebe Leser und Leserinnen. Ich bin das Buch der Bücher. Ich will euch meine Geschichte erzählen. Das erste Buch der Welt war ich. Ein alter Mönch hat mich erschaffen. Ich wurde an einer adelige Familie verkauft. Johanna hieß meine Besitzerin. Sie freute sich riesig auf mich.Johanna war ein junges Mädchen. Sie klappte mich auf und begann sofort zu lesen. Sie fühlte sich wie versetzt in ein anderes Leben. Früher beinhaltete ich viele, wunderschöne Geschichten, die mich selbst verzauberten. Ich war glücklich. Als Johanna alle Geschichten in- und auswendig konnte, erzählte sie sie jedem den sie kannte. Die Bauers Leute kamen heran gestoben - darunter auch Erwachsene - und hörten schweigend zu, denn für sie war ein Buch zu teuer. Bald nahm Johanna ein neues Buch zur Hand und begann es zu lesen. Heimlich schaute ich ihr vom Bücherregal aus dabei zu. Johanna wurde älter und älter und ich auch. Die Zeit vergingen wie im Flug. An einem September morgen hörte ich Beerdigungsmusik erklingen. Ich fing an zu weinen. Zwei Geschichten verwischten und verschwanden. Sie war ein guter Mensch gewesen und eine treue Leserin. Nach einiger Zeit kamen viele Männer ins Zimmer. Sie nahmen Johannas Möbel auseinander und sperrten mich in einen dunklen Karton. Was passierte hier? Das war Johannas Zimmer. Ich versuchte mich zu wehren, doch ich war ein Buch.Vor lauter Anstrengung fiel ich erschöpft auf meinen braunen Lederrücken. Als ich erwachte stand ich mit vielen anderen Büchern in einem langen Regal. Ein Buch flüsterte mir zu: „ Falls du es noch nicht weißt: Das hier ist eine Bibliothek. Hier können alle Leute ein Buch holen und es wieder zurückbringen. Die Zeiten ändern sich." Das war schön, fand ich. Aber wie geht das? Es musste doch alles von Hand geschrieben werden. Das andere Buch schien meine Gedanken zu erraten: „ Du weißt echt gar nichts. Die Computer übernehmen das. Guck mal aus der Schaufensterscheibe. Du siehst nur noch Leute mit komischen Apparaten rumlaufen. Irgendwann werden uns diese Dinger verdrängen und die Menschen starren nur noch auf Bildschirme." Mich schauderten die Worte des Buches. Sehr viel Zeit verging und ich freundete mich mit allen Büchern an. Niemand kam mehr in die Bibliothek bald musste sie geschlossen werden. Alle Bücher wurden verschreddert. Da sagte einer der Menschen: „ Lasst uns doch ein Buch aufheben und es in einem Museum ausstellen. Dann können die Leute in der Zukunft darüber lachen, mit welchem Zeug wir uns abgegeben haben." Damit waren alle einverstanden. Und ratet mal welches Buch sie ausgesucht haben? Mich! Ich weinte und weinte um meine Freunde die mich verlassen hatten. Vier Geschichten verschwanden. Ich verbrachte also mein weiteres Leben unter Glas, in einer Vitrine. Da stand eines Mittags ein Mädchen von mir, das murmelte: „ Was kann da schon drin stehen, in so einem Buch?" Dann ging es weiter und verschwand. Ich weinte Trauertränen und ich weinte Hoffnungstränen. Die Trauertränen verwischten meine letzten Geschichten, aber die Hoffnungstränen brachten mich dazu diese zu schreiben. Ich bin das letzte Buch aber ich habe noch Hoffnung. Die Hoffnung, dass mich irgendwann wieder jemand liest.