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3xhab ich gern gelesen
geschrieben 2021 von Mike P. Muzak (Muzak).
Veröffentlicht: 27.10.2021. Rubrik: Satirisches


Die echt hochbegabte Tankstellenpraktikantin

Die echt hochbegabte Tankstellenpraktikantin
(Kurzgeschichte vom 27.10.21)

SatirepatzerSatirepatzer Also eine mathematische Hochbegabung mit Physik ist ja ganz schön, aber so für das »wirkliche Leben« eher hinderlich, meint meine Frau immer. Wissen Sie, mir gehört eine Tankstelle mit Waschstraße und meine Frau macht das Büro. Aber da wechseln wir immer zwischendurch.

Und stellen Sie sich vor, den Freitag vor drei Wochen ruft uns ein Mann an, ob seine gymnastische Tochter, also gymnasiastische, ihr Schulpraktikum von einer Woche bei uns machen kann. Wir haben nichts dagegen. Er ist Anes... irgendwas, ein Arzt ist das, meint meine Frau, der die Patienten bei den Operationen in Ohnmacht hält. Mit Gasen oder so.

Seine Frau hat sie uns heute morgen geliefert. Ein sehr nettes Mädel! Meine Frau hat sie gleich in unsere Arbeitskleidung gesteckt und ist mit ihr an die Kasse gegangen. Da hatten wir schon ganz andere hier, so bekloppte Damen! Meine Frau macht heute die Kasse und ich das Büro.

Ach so, ja. Und der Vater war sehr hoch begabt und deshalb seine Tochter auch echt. Mathe und Physik und andere Naturfächer wie Deutsch auch, hat er zu meiner Frau am Telefon gesagt. Sehr gut. Sie wird Maschinenbau studieren, daher die Arbeit bei uns. So zum Schnuppern! »Hier bei uns schnuppert´s ja immer ´mal auch ganz gut nach Benzin und Öl«, habe ich bei meiner Frau dazu gewitzelt.

Heute ist ja Freitag. Da wird es nachmittags immer voll. Auch viele Wohnmobile! Die Berufspendler tanken meist am späten Abend, aber da ist unsere Praktikantin eh schon wieder daheim. So und nun warten wir ´mal ab, was so passiert. Ich muss jetzt arbeiten. Bis später! -

Da bin ich wieder. 12 Uhr. Satte vier Stunden hat unsere Praktikantin brav gejobbt und nun ist Mittagspause mit mir. Meine Frau macht als ihre Pause im Büro weiter und Sandra übernimmt die Kasse mit Jens, der ist jetzt zwei Stunden für den Kaffee und die Brötchen zuständig. Danach seine restlichen Stunden wieder ab in die Waschstraße und den Service. Ja, bei uns gibt es den noch! Müssen wir haben. Unsere Tanke liegt leider nicht mehr verkehrszentral wie früher. Sie haben vor ein paar Jahren die Umgehungsstraße gebaut. Deshalb »umgehen« viele Autos auch uns. Nur in den Stoßzeiten...

Unsere Gymnastin erklärt mir, was sie an der Kasse so alles Lustige erlebt hat. Ich lache ´mal zwischendurch mit. Die meisten Kunden waren freundlich. Nur eine komische, alte Ziege, die hat genervt. Und noch so ein hübscher Typ, der hat sie angemacht. Das stört sie aber nicht. Das kennt sie.

Und dann erklärt sie mir, was besser wäre. Warum wir nicht die Waren, die am meisten gekauft werden, nicht teurer machen. Und das Seltenere einfach billiger. Das muss ich ausprobieren. Das rechnet sich schon in einer Woche. Sie will den Unterschied auf der Hand sehen. Ob wir das Projekt morgen starten. Auf einem Zettel hat sie das schon durchgerechnet, natürlich für einen Beispielmonat mit dreißig Tagen bei einer Sieben-Tage-Arbeitswoche und einer zehnstündigen Öffnungszeit. Da ist der Prozess des Verkaufserlöses oder so einfacher zu verstehen. Auch den Personaleinsatz kann ich so wesentlich verbessern. Die Rechnung ist doch echt klar, zeigt sie mir auf ihrem Papier. Also ich verstehe ihren Zahlenhaufen nicht und sage: »Sieht ja ganz gut aus! Brav, Mädel! Prima!« Was soll ich dazu auch sagen?! Ich will ihr ja nicht vor den Kopf stoßen. Sonst schimpft mich meine Frau.

Sie soll das später meiner Frau zeigen, am besten nach ihrem Feierabend, da hat sie dann auch kurz Zeit, sage ich ihr, damit ich von ihren Ideen mitgerissen wirke. Ich beschäftige mich jetzt mit so ´was nicht. Quatsch! Besser frage ich sie nach ihrer Schule und den Maschinenbau. Das Sandwich und der Kaffee schmecken mir heute ganz anders, irgendwie saftiger. Muss Sandra unbedingt noch fragen, was sie geändert hat. Ob es die besseren Tomaten sind. Oder sind das die von Jens? Ich grüble noch weiter und unsere Praktikantin erzählt gerade noch von ihrer Grundschule, glaube ich.

Ja, daran erinnere ich mich auch noch. Das waren Zeiten! Mein alter Herr wollte immer, dass ich auch Lkw-Fahrer werde. Er hat die Reisen genossen, von denen er uns Kindern immer erzählte, natürlich nicht von seinen Weibergeschichten. Die sind erst viel später bei der Scheidung auf den Tisch gekommen. Und dann sind wir umgezogen – nur mit meiner Mutter und ihren Eltern. Meine Schwester hat Opa nicht ertragen. Er war ja auch zu streng mit uns. Als ungerecht hat sie seine Strafen empfunden, schrie sie. Weiß ich noch genau.
Aber dafür war der Garten recht groß und verwildert. Auf einen Baum durften wir ein Holzhaus mit Dach bauen. Ein bisschen schief war es, aber es wackelte nicht und meine Schwester war wieder glücklich. So in der Natur, da blühte sie auf. Hatte das wie meine Frau. Wenn sie noch leben würde, sie würden sich bestens verstehen. Mit Sicherheit! Und was meint unsere Praktikantin im Augenblick so?

Die junge Mathelehrerin ist »echt kuhl«. Sie hat einen Test mit ihr gemacht, dabei war ihr räumliches Denken ganz besonders, hat diese Mathelehrerin anschließend bei der Besprechung in der Klasse behauptet. Und die kennt sie bereits über mehrere Klassen hinweg. Ihre Mutter meint das auch. Sehr besonders. Na gut! Da habe ich ja jetzt die passende Aufgabe für sie. Wir gehen beide nach draußen zu den Zapfsäulen.

Mein Problem ist Folgendes: In wenigen Stunden werden hier zu viele Autos gleichzeitig tanken wollen. Und wie viele Zapfstellen haben wir? - Genau! Acht sind das. Vier auf jeder Seite und eine zusätzliche für Diesel und noch eine Ladestation für E-Autos. Aber die haben dich jetzt nicht zu interessieren. Und was bedeutet das?

Sie weiß gerade nicht, worauf ich hinaus will. Also, weil ja die Automobile ihre Tankdeckel sowohl rechts als auch links haben, jedenfalls die meisten, fahren... Aber die meisten Autos haben doch nur einen Tankdeckel, meint sie zu mir. Ja, ihr Deutsch, da ist sie ja leider auch begabt, erinnere ich mich. Du hast ja recht. Ich meine doch »entweder rechts« und »oder links«. Sie nickt mir zu. Aber das ist ja noch nicht das Problem! Sondern weil alle Fahrer immer ungeduldig zu einer freien Zapfstelle fahren, stehen sie plötzlich auch auf ihrer linken Seite der Zapfsäule, obwohl der Schlauch ja um das halbe Auto herum reicht. Verstehst du? Sie schüttelt den Kopf.

Egal. Das erlebst es bald. Ein schönes Durcheinander ist das immer. Sie müssen dann rückwärts hinaus, weil vor ihnen zwei andere noch tanken, aber hinter ihnen warten schon drei andere Autos. Ein ewiger Affenzirkus! Also du machst ab jetzt den Service an den Tanksäulen. Scheiben schnell putzen, Wasser nachfüllen, beim Tanken helfen und die Mülleimer zwischendurch leeren! Was man eben so tun muss. Dein Trinkgeld darfst du behalten. Hoffentlich bekommst du auch `was!

Und wenn du später im Verkehrswirrwarr arbeiten musst, dann überlege dir ruhig, wie ich das verbessern soll. Ab die Post und ich verschwinde ins Büro! Später werde ich ´mal nach ihr sehen. Sie ist ja höher begabt als wir. Das muss sie dann doch schaffen. Oder?

Im Büro stehen unsere Monitore für die Kameraüberwachung für unser ganzes Gelände. Natürlich wird es Tag und Nacht beobachtet. Die erste Zeit mache ich noch Buchhaltung, muss ja getan werden, hilft nichts, bis es draußen richtig losgeht. Heute tatsächlich schon früher. Unsere Praktikantin ist eigentlich schon zu Hause, aber ihr Vater hat gewollt, dass sie ruhig bis 17 Uhr weiterarbeiten soll, wenn ich sie dafür bezahlen will – als zusätzliches Taschengeld, hat er mir fast befohlen.

Sie rennt eh flink wie der Wiesel um die Zapfsäulen, aber soeben geschieht es das erste Mal heute. Auf beiden Seiten stehen sich mindestens drei Fahrzeuge gegenüber und auch noch schön schräg, dass keiner rückwärts hinauskommen kann.
`Mal sehen, wie das weitergeht. Der Kaffee schmeckt heute auffällig gut. Komisch!

Ich gehe mit der Tasse zu meiner Frau hinüber und frage sie: »Sag´ ´mal, warum schmeckt der Kaffee denn heute so gut?« Sie möchte meinen probieren. Und ich frage: »Wieso? Trinkst du nicht auch den aus dem Automaten, sondern einen anderen? - »Nein und Ja! Heute trinke ich Zitronentee von zu Hause. Ich hoffe, dass ich mich gestern nicht erkältet habe!« Stimmt, das duftet aus ihrer Tasse auf dem Tresen. Halt, rufe ich, du bist erkältet und trinkst dann aus meiner Tasse!? - Sie meint, sie sollte doch probieren oder nicht!? Und mein Kaffee schmeckt ihr tatsächlich heute viel besser als sonst. Viel feiner ist er und duftet auch besser. Ich soll morgen ´mal Jens danach fragen, er war ja heute für den Kaffeeautomaten zuständig. Und so verziehe ich mich wieder ins Büro. Lästige Sache, aber da steckt unser Geld drin!

Nein, nicht erst morgen, ich rufe ihn am besten gleich an: Hallo Jens, gut, dass du dran bist: Warum schmeckt mein Kaffee seit heute Mittag besser als sonst? - Ooch, da ist nichts passiert! Der alte Kaffee ist nur ausgegangen. Ich habe nichts im Lager gefunden, da sollte ich die Kartons nehmen, die noch in Ihrem Auto lagen, sagte ihre Frau und gab mir den Schlüssel. - Was? Spinnt ihr beide? Das war der sauteure für die Geburtstagsfeier meiner Frau mit ihrem Haufen Freundinnen übermorgen zu Hause bei uns. Doch nicht für die Kunden! Also das muss ich noch... Ich glaube, ich drehe durch! Keine Zeit mehr, Jens! Die Praktikantin im Schirm! Bis morgen! Da reden wir noch drüber!

Und was macht sie da draußen?! Sie regelt den Verkehr, wobei ständig zwei Zapfsäulen auf der linken Seite leerstehen, weil da weniger Autos herfahren, und die Warteschlange rechts immer länger wird. Ich gehe hinaus und hole sie zu mir ins Büro.

Was machst du da vorn? Gerade weil du die Autos regelst, darf doch keine Zapfsäule leerstehen. Die Kunden müssen sofort an die neu benutzbare Zapfsäule gewunken werden. Leerstehende Zapfsäulen und zugleich eine Warteschlange bringen doch keine Kohle, sondern enttäuschte Kunden, Mädchen! -

Aber ich denke, wenn alle ankommenden Autos auf ihrer Seite tanken, egal, auf welcher Seite sie den Tankdeckel haben, dann entsteht kein Chaos mehr durch das Rückwärtsfahren der vollgetankten Autos. Die Autos bleiben ganz einfach auf ihrer Seite wie auf der Straße beim Kommen und Gehen! Oder?

Ja, aber auf diese Weise klappt das doch nur, wenn auf beiden Seiten mindestens ein Auto auf einen Platz warten muss. Sonst gibt es leere Zapfsäulen! Wozu denn das bitte? Und was machst du noch hier? - Jens steht plötzlich in der Tür! - Ich denke, du bist längst zu Hause, wo du hingehörst!

Nein, ich sollte ihr noch zwei Schilder basteln. Habe ich jetzt endlich sauber fertig. Der Text war schwierig: »Bitte rechts tanken!« oder nur ein Pfeil mit »rechts« und ein Pfeil mit »links«. Waren auch nur zwei Überstunden!

Wieso »Überstunden«!? Wer schafft hier eigentlich an? Doch immer noch ich! Oder wer? Das heißt, auch meine Frau! Oder meistens meine Frau! Ich ja weniger! Ist das klar!?

Sie sagte mir, ich soll schnellstens zwei Schilder bauen, also für den Verkehr an den Zapfsäulen! Keine Ahnung! Wegen der beiden Spuren hinein oder so. Das sollen wir ausprobieren, hätten Sie uns gesagt.

Ach, herrje! Und warum hast du da zwei unterschiedliche Schilder mit »links« und »rechts« in den Händen? Die Autos fahren doch nur immer rechts in ihre eigene Spur, Jens!

Wirklich? Das hat sie mir nicht gesagt. Keine Ahnung! Na ja, sie ist ja noch Praktikantin! Da musste ich auch verdammt viel lernen. Darf ich jetzt in den Feierabend gehen?

Ja, gut. Geh´ bitte heim und lass die beiden Schilder hier im Büro. Bis morgen! - Jens verabschiedet sich von uns.

Und nun habe ich zwei unbrauchbare Schilder und die sinnlosen Überstunden eines Angestellten bei leeren Zapfsäulen zu bezahlen und eine Warteschlange aus verärgerten Kunden oder wie, mein Fräulein! -

Jetzt weint unsere Praktikantin, weil ich vielleicht laut geschimpft habe. Und meine Frau kommt mit ihrem Vater zur Tür herein. Ausgerechnet jetzt! Unsere Praktikantin läuft nach draußen zum Auto das Vaters und ihr Vater fragt mich, was denn passiert ist, weil er mich schreien gehört hat. So geht das ja nicht, sagt er.

Also Ihre Tochter hatte nur einen zu langen Arbeitstag. Sie sollte in der Stoßzeit den Verkehr an den Zapfsäulen regeln, das hat sie überfordert. Mehr war nicht!

Den Verkehr an der Säulen regeln, lacht er. Was für ein Schwachsinn ist das denn!?, meint er zu uns. Damit ist das Praktikum beendet und er wird eine andere Tankstelle für seine hochbegabte Tochter finden, also mit »geeignetem Führungspersonal«.

Und in dem Augenblick, als er hinausgeht, sagt meine Frau noch zu ihm, dass eben meistens die so genannten Hochbegabten für die Arbeit mit Menschen untauglich sind und deswegen ist er selbst ja auch nur Anestässist im Krankenhaus geworden. Und ich sage darauf nur noch »Wie?«, doch ohne von irgendjemandem eine Antwort hören zu wollen.

Außerdem läuft es draußen an den Zapfsäulen endlich wieder optimalst, weil das übliche Chaos mit dem Hin- und Her- und Rückwärtsfahren wieder herrscht. An unserer Kasse bei meiner Frau ist eine Warteschlange, auch weil die Leute alles Mögliche zusätzlich einkaufen, dort wo die eben hingehört. Ich schließe die Bürotür wieder hinter mir und trinke heute noch eine Tasse von dem feinen Kaffee. Jetzt absichtlich gerne!

ENDE

counter3xhab ich gern gelesen

Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Muzak am 01.11.2021:

Vielen Dank für eure Bewertung "gern gelesen". Und ich hatte vor Lachen Schwierigkeiten die Kurzgeschichte zu schreiben, weil ich eine Tankstelle an der deutsch-österreichischen Grenze auf österreichischer Seite gut kenne, wo dieses Chaos jedes schönes Wochenende stattfindet, weil dort wohl niemals jemand ordnend einschreiten soll oder will...

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