Veröffentlicht: 18.04.2025. Rubrik: Menschliches
Eine Stadt legt sich schlafen
Touristenschlangen drängeln sich durch viel zu enge Gassen und kämpfen sich durch die Hitze des Tages, nur um ein Foto zu schießen, das geschätzt 1000-mal am Tag geschossen und sich nie wieder angeschaut wird. Die Welt wird digitalisiert und die Kunst am Foto inflationiert. Klick und weg.
Das Kopfsteinpflaster trotzt dem Treiben Tag ein Tag aus und auch die Eisflecken und Kaugummiflatschen können ihm nichts anhaben. Kinder weinen, Männer leiden und das Herz von Frauen schlägt höher, wenn sie gehetzt durch die kleinen Boutiquen eilen, um zu überhöhten Preisen Chinaware zu erstehen, auf das ein Kind in einer Fabrik im fernen Osten „Made in Italy“ stempelte.
Die Geschäftsleute stehen lächelnd im Türrahmen und rauchen ihre letzte Zigarette, bevor sie Kasse machen und das Rollgitter geräuschvoll zuziehen, um für heute abzusperren. Der Klang von Reisigbesen erobert den frühen Abend und alte Männer mit krummen Rücken und schlechten Zähnen arbeiten sich in einem jahrzehntelang trainierten Rhythmus durch die Gassen, um den Unrat der Touristen zu beseitigen, die in dem Glauben nach Hause fahren, sie würden bereits Land und Leute kennen, nur weil sie für wenige Tage die Grenze überschritten haben.
Der Rhythmus der Besen verändert sich bestenfalls, wenn eine neue Zigarette in den Mund gesteckt wird oder man sich an einer Kreuzung zu einem kurzen Schwatz trifft. An den kleinen Bars hoffen die Männer auf einen kühlen Schluck Wein, der gerne gereicht wird, wenn die Geschäfte der Barbesitzer gut liefen.
Wir sitzen aneinander gelehnt, uns bei den Händen haltend auf der alten Bank am Hafen, beobachten das Treiben und ein melancholisches Lächeln legt sich auf unsere Lippen, wie es das immer tut, wenn wir im Sommer für ein paar Monate hierhinfahren, um Land und Leute kennenzulernen und kein schnelles Foto für seine Instagram Seite zu schießen, nur als Beweis, dass man hier war.

