Veröffentlicht: 14.04.2025. Rubrik: Menschliches
Das neue Notebook
Zu meinem Geburtstag möchte ich mich selbst beschenken. Sie denken wahrscheinlich an eine Handtasche, Schmuck, oder Besuch in einer Wellness- Lounge. Ganz kalt. Ich sag`s Ihnen. Meine Wahl fällt auf ein 970 Gramm leichtes Notebook, mit Windows 11 und unzähligen Programmen, bei denen ich zwar nicht weiß, für was sie gut sind – aber egal. Sie sind schließlich im Preis inbegriffen und bestimmt auch für mich nützlich.
Ein überaus geduldiger Verkäufer bei „Pluto“ demonstriert, wie spielerisch sich das Objekt der Begierde installieren und bedienen lässt. „Wenn Sie noch Fragen haben, dann kommen Sie vorbei. Wir helfen Ihnen gerne weiter.“
Mit den Worten: „Das krieg ich schon hin“, nehme ich den Karton, mit dem Format einer Pralinenschachtel entgegen und mache mich zu Hause gleich an die Arbeit.
Das leise Summen meines Geburtstaggeschenks klingt wie ein höhnisches Lachen, das mich zu verspotten scheint. „Du bist zu alt. Du kapierst das nie.“ Der Bildschirm strahlt hell, fast zu hell. Dafür macht sich ein düsteres Schwarz in meinem Kopf breit und nimmt den Platz der schillernden Farben ein, mit denen mir das Gerät empfohlen wurde. Ich fühle mich, von einer Sekunde zur nächsten, wie ein Notebook mit leerem Akku. So hatte ich mir das nicht vorgestellt und mir wird schnell klar, dass ich diese neue Wundermaschine niemals so liebgewinnen werde, wie mein altes, schwerfälliges Notebook.
Ich schaue aus dem Fenster und was ich sehe, erscheint mir plötzlich fremd. Ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen – zurück zu alten Routinen, zu Sicherheit und Einfachheit. Aber das Leben geht weiter, und das neue Notebook ist der Beweis dafür. Meine Gedanken und Ängste begleiten mich auch in meinen Träumen.
Im Schlaf sehe ich mich als tapfere Ritterin, die gegen alle Softwareprobleme dieser Welt ankämpft. Es scheint wie verhext. Für jede Lösung gibt es 2 neue Herausforderungen. Mit einem lauten Stöhnen stütze ich meinen Kopf mit den Händen ab und raufe mir die Haare. Irritiert blicke ich auf den Bildschirm, der zu flackern beginnt und sich mit einer persönlichen Nachricht an mich wendet: „Hallo, ich bin dein Notebook und ich habe dir etwas zu sagen. Ich weiß, dass ich dir Frustration bereitet habe, aber ich wollte dich testen. Du hast mehr Geduld und Wissen in dir, als du dir vorstellen kannst. Ich bin nicht nur ein Gerät – ich bin hier, um dir zu zeigen, was du alles erreichen kannst. Nur Mut.“
Erschrocken wache ich auf und schalte das neue Notebook im Wohnzimmer ein. Angstfrei, aber vorsichtig berühre ich die Tasten. „Nur Mut“, glaube ich wieder aus dem Rauschen des Geräts zu hören. Und siehe da, es funktioniert. Ohne Fehlermeldungen öffne und schließe ich ein Programm nach dem anderen. Überprüfe die Ablage und stelle begeistert fest: alles da. Ich schicke mir selbst ein Mail – auch das funktioniert.
Erleichtert lehne ich mich zurück, das neue Notebook vor mir, und blicke durch eines der vielen „Fenster“, die es mir geöffnet hat. Die Unsicherheiten von gestern weichen einer leisen Zuversicht. „Nur Mut,“ höre ich mich selbst sagen, diesmal lauter, klarer. Und das höhnische Lachen? Es ist nun ein stilles Lächeln – meines.“

