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6xhab ich gern gelesen
geschrieben von rubber sole.
Veröffentlicht: 14.02.2025. Rubrik: Unsortiert


Aktionstage

Meine Frau und ich leben in einer überwiegend harmonischen Beziehung, die Macken des Partners sind bekannt, damit können wir beide normalerweise gut umgehen. Nur eines stört mich seit einiger Zeit. Meine Gattin hat neuerdings die Gewohnheit, besondere Aktionstage im Kalender nicht nur explizit zu erwähnen, dabei manche sogar zu zelebrieren, sondern diese auch noch kalendarisch zu verwalten und voller Vorfreude gezielt darauf hinzuarbeiten, so wie es mit Geburtstagen u. ä. geschieht. Ich kann es nicht mehr ertragen, diesen Unfug, wie 'Ändere-Dein-Passwort-Tag', 'Tag der offenen Töpferei' und viele andere mehr. Selbst meine ultimative Abwehrwaffe dagegen, beißende Ironie, ist inzwischen stumpf geworden; meine Frau fühlt sich dann – zu Recht – verarscht, mir tut sie dann irgendwann leid, oder es führt zum Streit.

Ihr Gegenargument, bei mir gäbe es andauernd ritualisierte Tage, verstehe ich zunächst nicht, dann aber wird mir klar: Sie meint die fast täglich von mir geschauten Fußballübertragungen auf diversen TV-Kanälen. Treffer! Um aus dieser Nummer herauszukommen, gestehe ich ihr zu, an je einem Aktionstag im Monat mitzufeiern, 'Welt-Kroketten-Tag' oder 'Tag des Fischbrötchens' wären mir recht; im Gegenzug dann ein gemeinsamer Fußballabend im Fernsehen als Ausgleich. Sie nennt dies zunächst Strafverschärfung, stimmt aber zu, falls es beim Fußball etwas Sinnvolles zu feiern gäbe, wie es in ihrem Feiertag-Kosmos der Fall ist; sie sucht eben stets etwas Tieferes auch in banalen Dingen. So. Spontan fällt mir nichts Passendes ein, und um die Chance auf ein versöhnliches Miteinander nicht ungenutzt zu lassen, denke ich mir etwas aus: 'Welttag des Fallrückziehers', - damit gebe ich dem Ganzen eine besondere Note, meinte ich. Als Zugabe liefere ich die umfassende theoretische Grundlage für diese spezielle Schusstechnik, und blicke in ihr entsetztes Gesicht; meine Frau hält mich für verrückt. Spätestens jetzt glaubt sie definitiv zu wissen, warum Fußball in ihren Augen etwas komplett Sinnfreies ist. Ihre Frage, Warum tun die sowas? - sie meint den von mir gerade vorher euphorisch beschriebenen Fallrückzieher, kann ich nicht sofort schlüssig beantworten.

Zum besseren Verständnis müsste ein praktisches Anschauungsbeispiel her, wobei ich mir nicht mehr zutraue, allein aus rein körperliche-ästhetischen Gründen, einen Fallrückzieher persönlich vorzuführen. Also verabreden wir das gemeinsame Erlebnis einer Fußballübertragung im Fernsehen, zu der ich das Spiel zweier Mannschaften auswähle, die für ihre schusstechnisch versierten Sturmreihen bekannt sind – leider kommt es während der gesamten Spielzeit, plus Nachspielzeit von sieben Minuten, zu keinem einzigen Fallrückzieher. An ihre Zusage, dem Spiel friedlich beizuwohnen, fühlt sie sich nicht mehr gebunden: Von wegen, ein Spiel dauert neunzig Minuten, und außerdem, den versprochenen Fallrückrückzieher gab es auch nicht zu sehen – die Stimmung droht zu kippen.

Ich muss einsehen, im Puzzle unseres gemeinsamen Alltags fehlen einige Teile, ein gemeinsamer Feiertag alleine würde die Lücke nicht füllen können. Ich will diese belastende Thematik nun vom Tisch haben und entschließe mich, im Sinne eines versöhnlichen Miteinanders, ihr zum Geburtstag ein attraktives Geschenk zu machen: eine Reise nach Rio de Janeiro. Passenderweise fällt ihr Geburtstag auf den Jahrestag, an dem der brasilianische Fußballer, Leonidas da Silva, der vermutliche Erfinder des Fallrückziehers, am 24. April 1932 das erste bekannte Tor per Fallrückzieher erzielte.

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Jens Richter am 14.02.2025:
Kommentar gern gelesen.
Hallo rubber sole, auf was für verrückte Dinge die Menschen doch im Alter kommen.
So witzig Deine Geschichte auch ist, ich sollte es tunlichst vermeiden, dass meine Frau sie liest.
Sehr gern gelesen...
Viele Grüße von Jens





geschrieben von rubber sole am 14.02.2025:

Danke, Jens, schön, dass dir meine Geschichte gefällt. Falls bei euch eine ähnliche Problematik entstehen sollte, Ablenkung hilft meistens, einfach eine Reise schenken – es muss ja nicht gleich nach Rio gehen.

lgrs




geschrieben von Kargut am 14.02.2025:
Kommentar gern gelesen.
Für jemanden, der Rituale jeder Art vermeidet, klingt das fürchterlich.

Liebe Grüße
Kargut




geschrieben von rubber sole am 14.02.2025:

... kann man so sehen, Kargut, falls es sich um übertriebene Symbolik handeln sollte. Ansonsten halte ich es für (fast) unmöglich alle Rituale jeglicher Art zu vermeiden. Im Zusammenspiel von Einzelpersonen einer Gemeinschaft können Rituale hilfreich sein, die Kommunikation fördern und die Orientierung vereinfachen. Gleichwohl, das Gegenteil davon, Anarchie, hat gewisse Reize...

lgrs







geschrieben von Ernst Paul am 14.02.2025:
Kommentar gern gelesen.
Hallo rubber sole,
mittlerweile gibt es für jeden Tag im Jahr, ein oder auch mehrere Bezeichnungen, die Anlass geben sollen, bestimmte Aktionen zu starten oder einfach nur zu feiern. Ich habe mich für den „Welttag des Schneemanns“ entschieden. Er ist mir es wert, ihn zu feiern und in völliger Harmonie zu begehen. Gut, in diesem Jahr lag in unseren Breiten kein Schnee, trotzdem erhielt ich Blumen und habe meine Familie zum Essen eingeladen. An diesem Tag habe ich, welch Zufall auch, Geburtstag.
Wie immer eine schöne Geschichte von Dir. Sehr gern gelesen.
Liebe Grüße Ernst Paul





geschrieben von rubber sole am 14.02.2025:

Schönes Bild, Ernst: Eine Geburtstagsfeier unter dem Patronat eines Schneemanns - wäre fast etwas für eine Geschichte. Herzlichen Dank für die Wertschätzung.

lgrs




geschrieben von lüdel am 14.02.2025:
Kommentar gern gelesen.
rubbler sole: Bei uns gibs die Kaffee und Kuchen tage.
Schade das ich euch dazu nicht Einladen kann, aber ich schicke euch den Duft Auktionsfrei rüber. lüdel🧚‍♂️




geschrieben von rubber sole am 15.02.2025:

Danke lüdel. Kuchen kommt bei mir seltener vor - der Duft von Kaffee umgibt mich täglich.

lgrs

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