Veröffentlicht: 02.02.2025. Rubrik: Aktionen
Karneval ick komme
Irgendwann 1993 fahre ich am Wochenende mit meinem Onkel zur Probe seiner Karnevalsband in der ich nebenbei als Roadie tätig bin. Mein Onkel spielt schon, seit ich denken kann, nebenbei im Karneval, aber das mit der Band ist neu. Im Karneval kann man in kurzer Zeit viel Geld verdienen, wenn man die richtigen Kontakte hat. Nach 20 Jahren aktivem Karneval, in denen er auch schon in Fernsehveranstaltungen gespielt hat, kennt er Hinz und Kunz der Karnevalsszene
.
Als Berufsmusiker verfügt er über ein großes Netzwerk, das es ihm erlaubt, in kürzester Zeit Bands zusammenzustellen, wenn Bedarf ist. In 6 Monaten wurde ein Programm erarbeitet, eine CD aufgenommen und sämtliche Karnevalsvereine abgeklappert, um auf deren Veranstaltungen spielen zu können. Die CD kommt gut an bei den Veranstaltern und auch wenn die Konkurrenz riesig ist, kann mein Onkel jede Menge Jobs an Land ziehen. So ist das halt im Karnevalsklüngel, wenn du die richtigen Leute lang genug kennst, lässt dich niemand Verhungern. Das Schwierige ist in der Szene, überhaupt erst einmal den Fuß in die Tür zu bekommen.
Meines Onkels Band besteht aus 4 Mann, wie nicht anders zu erwarten alles Profis. 2 Akustik Gitarren, 1 Bass Gitarre und Minischlagzeug. Alle 4 Mitglieder können professionell Singen und so ist ihr Gesang auch mehrstimmig aufgebaut. Die Lieder sind flott und haben lustige Texte, wie sie im Karneval gut ankommen. 2 der Jungs haben früher in einer Hardrockband gespielt, die nicht unbekannt war und dort auch richtig Geld verdient, das man aber, ganz Rockstar like, schnell in einem sehr intensiven Lebensstil mit Sex Drugs and Rock’n Roll durchgebracht hat und dementsprechend finanziell nur noch auf ziemlich schmaler Spur läuft.
Das dritte Bandmitglied hat ein eigenes Unternehmen für Merchandising und verkauft auf Lizenz die Ware von großen internationalen Künstlern, wenn sie auf Deutschlandtournee sind. Der vierte ist halt mein Onkel, der mit dem Bundeswehrorchester schon auf der halben Welt spielte und auch der ein oder andere Zapfenstreich mit den Bundespräsidenten und Kanzlern der Nation stehen auf seiner meterlangen Vita. Außer mir gibt es noch einen zweiten Roadie, der nur zum Tragen gebraucht wird.
Roadie einer Karnevalsband zu sein ist ein ganz anderer Job als von einer Rock oder Metalband, da spielst du nicht nur einen Auftritt am Abend, sondern eventuell 3 bis 5 Kurzauftritte. Planung ist dabei alles und in der Saison fahren in den Karnevalshochburgen unzählige Künstler von Auftritt zu Auftritt und geben sich die Klinke in die Hand. Mein Onkel kennt das aus dem Effeff und kann uns dementsprechend genau vermitteln, wie das abläuft.
Bevor die Hauptsaison beginnt, wird aber erst einmal die Vorsaison bespielt, da spielt man oft nur 1- bis 2-mal am Tag. Das wichtigste Equipment ist ein großes Auto mit großen Türen, in das die Band samt Roadies und Instrumente reinpassen und das in Minuten aus und eingeladen werden kann. Das muss man üben, sonst wird das nix in der Hauptsaison, denn oberstes Gesetz ist, zu spät kommen geht nicht! In den Veranstaltungen ist jeder Auftritt bis auf die Minute durchgetaktet.
Der erste Job, wo ich als Roadie bei der Karnevalsband tätig bin, ist easy doing. Es wird auf einer Nachmittagsveranstaltung gespielt, auf der 3 Lieder zum Besten gegeben werden sollen. Dafür lohnt sich der Aufwand eigentlich nicht, aber man braucht diese Jobs, um bekannter zu werden und auch den Ablauf zu üben, damit alles in der Hauptsaison sitzt.
Mein Onkel ist der Fahrer, das macht auch Sinn, denn nach 20 Jahren Karneval kennt er jeden Spielort, jede Anfahrt, jeden Haupt, Seiten und Rückeingang und die Parksituation, die genau geregelt ist, damit sich die an und abfahrenden Künstler nicht gegenseitig behindern und wertvolle Minuten flöten gehen.
Wenn das Auto steht, reiße ich die Schiebetür auf, flitze zur Heckklappe und lade das Rack aus, indem sich ein Powermixer und 2 Boxen befinden. Das Rack steht auf großen Gummirollen, damit es sich auch problemlos über Unebenheiten und Kopfsteinpflaster rollen lässt. Dann greift sich mein Onkel, dass Minischlagzeug, das sich auch rollen lässt. Der Basser schnappt sich den Bass. Der erste Gitarrist, seine Gitarre und der zweite Gitarrist ebenfalls und die große Kabeltrommel. Roadie 2 nimmt die Boxenstative.
Dann Rennen wir im Gänsemarsch meinem Onkel hinterher zum Hallenchef. Dort melden wir uns an und wir bekommen die Information, wann wir genau dran sind und wo sich der Bühnenaufgang befindet. Der Hallenchef schickt uns dann zum Bühnenchef, dem wir die Anzahl der benötigten Mikros angeben und der uns zeigt, wo der Stromanschluss ist.
Dann heißt es warten, bis man dran ist. Eine Band kam oft nach einem Büttenredner und nach der Band wieder ein Büttenredner. Während der Büttenredner die Bühne gefeiert verlässt, schiebe ich bereits das Rack in die Bühnenmitte und habe die Kabeltrommel in der anderen Hand. In der Zeit, in der die Band angesagt wird, kommen die Mikros auf die Bühne und Roadie 2 baut die Boxenstative auf.
Dann werden die Boxen auf die Stative gesteckt und mit Kabeln verbunden. Ich schalte die Anlage scharf, während Roadie 2 vor die Bühne rennt. Die Band kommt auf die Bühne und verneigt sich artig und Gitarrist 1 begrüßt das Publikum und erzählt einen Witz, den ich dazu nutze, die Instrumente mit den Kabeln zu verbinden und mich dann hinter das Rack zu knien.
In der Zeit, in der das Publikum ausgiebig über den Witz lacht, testen die Musiker, ob ein Signal an ihren Instrumenten anliegt. Dann kommt der schwierigste Moment, ich drehe die Anlage ungefähr auf Spiellautstärke und die Band fängt an zu spielen. Bricht aber nach wenigen Takten ab und der Gitarrist schiebt noch einen Witz nach, indem die Band involviert ist.
Vom Roadie 2 bekomme ich ein Zeichen, ob die Anlage zu laut oder zu leise war. Ich Regel die Lautstärke nach und in dem Moment, wo das Publikum wieder lacht, verlasse ich die Bühne und warte an der Seite, bis der Auftritt vorbei ist. Wenn die Band die Bühne verlässt, flitzen Roadie 2 und ich auf die Bühne zum Abbauen und 1 Minute später ist der Spuk vorbei und wir sind bereits auf dem Weg zum Auto.

