Veröffentlicht: 11.12.2024. Rubrik: Unsortiert
in die tiefe schauen
In die tiefe schauen…
Man soll immer ehrlich sein, besonders sich selbst gegenüber. Das versucht Amanda immer wieder und gewinnt auch ein wenig Ruhe damit. Aber kann das auch ins Gegenteil umschlagen?
Amanda fühlt sich in den letzten Tagen immer bedrückter – der Winterblues natürlich, aber nur der? Sie beginnt sich unwohl zu fühlen mit den Gedanken an frühere Verhaltensweisen. Sie leidet darunter, so hilflos und angewiesen gewesen zu sein, sich so sehr unterzuordnen.
Ihr erster Freund, ihr erster Kuss – sie hing so an diesem Jungen. Sie hat sich 2 Stunden auf dem Platz aufgehalten, an dem sie verabredet waren und er nicht gekommen war. Würde sie das heute noch machen? Sicher nicht. Aber damals. Sie hatte also so wenig Selbstverständnis von sich selbst, war so bedürftig nach der (nachträglich gesehen!) nur hingeworfenen Zärtlichkeit eines Menschen.
Und das ist im Prinzip lange Zeit gleichgeblieben. Bestimmt haben die anderen, sie konnte nichts fordern, konnte allerhöchstens nein sagen. Bedürftig zu sein in jeder Hinsicht – wie schrecklich ist ihr das heute – und wie schrecklich muß sich das auch damals angefühlt haben.
Amanda schämt sich dafür. Warum eigentlich? Sie konnte wohl gar nicht anders. Mit dem fraulichen Erwachen bekam das Bedürfnis nach Zuwendung eben einen klar definierbaren Punkt.
Bis dahin war ja der unerreichbare „metallene Soldat auf dem hohen Sockel“ Symbol für den liebenden, geliebten Menschen, dem vermißten Vater.
Mit den Freundinnen – hatte sie denn eigentlich welche? - konnte sie derartiges nicht besprechen.
Die hatten ganz andereDinge im Kopf und schienen ihr ja auch viel besser versorgt im heimischen Bereich.
Gleichzeitig dieser schamhafen Erinnerung befällt Amanda aber immer öfter und immer deutlicher und immer schmerzhafter eine Sentimentalität, eine Nostalgie, eine Verklärung der Kinder- und Jugendzeit, eine Sehnsucht dorthin zurück.Vermutlich ist das eine normale Alterserscheinung, weil ja im Alter jedwede Aktivität verringert, jede Veränderung fast unmöglich wird.