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2xhab ich gern gelesen
geschrieben 2024 von Kargut (Kargut).
Veröffentlicht: 13.10.2024. Rubrik: Persönliches


Du kummst da net rein ( oder der Exot )

Martina war schon immer aufgeschlossen für Neues. Warum also nicht einmal eine amerikanische Disko besuchen. Bessere Musik, günstigere Preise und neue Gesichter waren überzeugende Argumente für einen „ Daumen hoch“. Also, auf nach Gießen, wo einst mehr Amerikaner als Deutsche lebten und ihre komplette Infrastruktur etabliert hatten.
Die Proportionen des Türstehers hätten für 2 gereicht. 6,5 Füße hoch, schwarz wie die Nacht und breiter als der Türrahmen. Seine strahlend weißen Zähne hätte in jede Zahnpastawerbung gepasst und die tiefe Stimme zu jedem Klischee für Männern seines Formats. Er drückte Martina einen Stempel auf ihr Handgelenk und wünschte freundlich: „have fun“. Aufgeregt bedankte sie sich und betrat den Tanzschuppen. Was ihre Ohren vernahmen, war schon mal nicht schlecht. Nur ihre Augen brauchten noch eine Weile, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen und einen Eindruck an ihren Kopf zu vermitteln. Euphorisch blieb sie neben der Trennwand zu einer Sitzgruppe stehen.
Ein schrilles – oder besser gesagt dreckiges – Lachen, ließ Martina zusammenzucken. Sie drehte sich zu der Gruppe um, die direkt hinter ihr saß und konnte ihren Blick nicht mehr abwenden. Die Quelle des Lachens war männlich, mit gebräunter Haut, asiatischen Augen, groß und muskulös, genau wie der Rest der Gruppe an diesem Tisch, die schnell merkten, dass sie von einer blonden Frau beobachtet wurden. „Come, have a seat“, riefen sie Martina zu. Das lies sie sich nicht zweimal sagen und hinterfragte als Erstes, woher sie kommen. „Samoa“, antwortete der, mit der dreckigen Lache. „O.k.“ erwiderte Martina, hatte aber keinen blassen Schimmer, wo oder was Samoa ist.
Der Abend verging und nachdem die Sympathie auf Gegenseitigkeit beruhte, fragte die Gruppe, ob man sich am kommenden Samstag wieder treffen könnte, was Martina – schweren Herzens – verneinen musste. „Ich arbeite nächsten Samstag in der Disko „Monkeys“ in Solms, bis um 24.00h“, erklärte sie in Englisch und verabschiedete sich.
Wieder zu Hause, wälzte sie sofort den Atlas. Samoa – Seite 48 D8, da sollte, laut Index, Samoa zu finden sein. Martina schlug die Seite auf und überprüfte nochmals die Seitenzahl – 48, stimmt. Aber hier gibt es nur Blau, nur Wasser und ein paar winzige Flecken. Sie schaute genauer hin und entdeckte dann, neben mehreren Flecken, das gesuchte Wort Samoa – exakt am anderen Ende der Welt. Hoch interessant, dachte Martina. Nicht nur von den Männern, nein, auch von deren Heimat wollte sie unbedingt mehr erfahren.
Eine Woche später trat Martina ihren Dienst in der Disko „Monkeys“ an. Eigentlich ein Abend, wie jeder andere, aber plötzlich hörte sie einen lautstarken Tumult an der Eingangstür. Mehr oder weniger beiläufig wollte sie vorbeigehen, um zu sehen, was der Grund der hitzigen Diskussion war und erblickte die Gruppe Samoaner, denen der Türsteher den Einlass verweigerte. Sie ging zu ihm und sagte beschwichtigend: „ Die wollen zu mir. Du kannst sie ruhig reinlassen“. „DIE wollen wir hier drin aber nicht haben“, lautete die mürrische Antwort. „Wenn DIE hier nicht reinkommen, dann geh ich“, sagte Martina mit zitternder Stimme. Sie war aufgebracht und überzeugt, dass man an einem Samstagabend schlecht auf eine Bedienung verzichten würde. „Das musst Du wissen“, lautete die überraschende Antwort des Türstehers. Sie schmiss ihren Geldbeutel, mit den bisherigen Einnahmen, vor seine Füße, holte ihre persönlichen Sachen und ging.
Im Laufe der Zeit intensivierte sich die Beziehung zu einem der jungen Männer, was auch in dem kleinen Wohnort von Martina nicht verborgen blieb. Skandal, ein anständiges Mädchen vom Land mit so einem. „Hat Deine Tochter das nötig“, fragte man mit empörtem Unterton Martinas Mutter, die die Gegenfrage stellte, wie gut man denn den jungen Mann kenne, um sich eine Meinung zu bilden. Natürlich kannten sie ihn nicht, er hatte nur äußere Merkmale, an denen man erkennen konnte, dass er nicht aus der Gegend stammt. Aber war das Grund genug, um einen Menschen abzulehnen ?
Denn, um seine Hautfarbe zu bekommen, setzten sie sich in den Sommermonaten vielen Stunden, ungesunder Sonnenbäder aus. Daran konnte es also,rein theoretisch,nicht liegen – oder etwa doch ?
Martina hatte den Rückhalt ihrer Familie und war selbstbewusst genug um 2 ½ Jahre lang eine glückliche Beziehung mit einem Mann, vom anderen Ende der Welt zu führen. Demonstrativ ging sie mit ihm durch das Dorf spazieren und beobachtete, wie sich die Gardinen an den Fenstern bewegten und Frauen die Köpfe zusammensteckten. Frei nach dem Motto:“ Lächle mit Deinen Feinden, nichts ärgert sie mehr“, grüßten beide höflich und enttäuschten jeden, der mit irgend einem Skandal rechnete. Aber – es war eine Beziehung auf Zeit, denn nach 3 Jahren endet der Wehrdienst von Amerikanischen Soldaten in Deutschland und es heißt Abschied nehmen. Kanona musste zurück in seine Heimat und Martina zog in eine Stadt. Zu tief waren die Wunden, die man ihr in ihrem Heimatort zugefügt hatte.

Weder Martina, noch die Dorfbewohner haben diese Beziehung vergessen. Noch 40 später erzählt man sich, dass Martina einst mit einem „Schwarzen“ zusammen war.

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Bad Letters am 14.10.2024:
Kommentar gern gelesen.
Das kollektive Gedächtnis auf dem Lande ist oft tief konservativ geprägt Kargut, da werden so exotische Beziehungen lange abgespeichert. So glücklich kann die Beziehung der Protagonisten ja nicht gewesen sein, sonst hätte man sich wegen dem Ende der Dienstzeit sicher nicht getrennt.

MfG
Bad Letters





geschrieben von Kargut am 14.10.2024:

Lieber Bad, die beiden stammen aus 2 Welten und keiner will auf seine verzichten, speziell bei der geographischen Entfernung.
Liebe Grüße
Kargut

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