Veröffentlicht: 25.03.2019. Rubrik: Nachdenkliches
Ein Gespräch im Park
A.: Ich finde es immer faszinierend, hier im Park die Vögel zu beobachten, wie sie Futter für ihre Jungen suchen. Guck mal, die Amsel da hat mindestens drei Würmer im Schnabel. Jetzt fliegt sie zu ihrem Nest.
B.: Toll, wie Tiere dank ihrer Instinkte immer alles richtig machen. Vögel brauchen für die Paarung keine Aufklärung, für das Nest keine Bauanleitung, für die Brutpflege keinen Erziehungsratgeber und für den Flug in den Süden kein Navi. Warum ist das bei uns Menschen nicht so? Warum müssen wir alles erst lernen?
A.: Ich glaube, das ist der Preis, den wir für unseren freien Willen zahlen müssen.
B.: Wie meinst du das?
A.: Denk zum Beispiel mal an eine Schwalbe. Die baut ein kunstvolles Nest, aber nur, weil sie darauf programmiert ist und gar nicht anders kann. Wir dagegen können uns aussuchen, wie wir wohnen möchten.
B.: Naja, aussuchen… Ich hätte gern einen Bungalow am Meer, aber wohnen tue ich in einer Mietwohnung in der Innenstadt.
A.: Sicher, auch der Mensch hat Begrenzungen: finanzielle, gesundheitliche und so weiter. Aber zumindest kann er sich wünschen, es wäre anders. Und selbst deine Wohnung kannst du bis zu einem gewissen Grad individuell gestalten. Das kann ein Vogel beim Nestbau nicht.
B.: Ich glaube, ich verstehe, was du sagen willst. Weil Tiere für ihr Verhalten keine Alternative haben, können sie sich von ihren Instinkten leiten lassen.
A.: Richtig. Wir dagegen haben – zumindest theoretisch – eine Unmenge Wahlmöglichkeiten. Da es nicht für jede Wahlmöglichkeit einen eigenen Instinkt geben kann, müssen wir halt ohne auskommen.
B.: Moment mal. Haben wir keine Instinkte, weil wir Wahlmöglichkeiten haben? Oder haben wir Wahlmöglichkeiten, weil wir keine Instinkte haben?
A.: Jetzt wird’s mir zu philosophisch. Ich gehe nach Hause.
B.: Zu Fuß? Nimm doch lieber den Bus! Mein Instinkt sagt mir, dass es bald regnet!