Veröffentlicht: 05.05.2024. Rubrik: Total Verrücktes
Frühlingsmüde
Die Leser sind Frühlingsmüde, sie schlafen in ihren Gärten oder zupfen an irgendeinem armen Unkraut. In wahrscheinlich sterilen und vollkommen überzüchteten Beeten lassen sie sich die Sonne aufs Gemüt scheinen. Dabei sind Leser doch Leser und keine Gärtner! Was soll ein Schreiber denn nur tun, wenn die Leser einfach stiften gehen, sobald nur ein Strahl Sonne den Boden trifft?
Muss er für die Zeit, wo der Leser zum Gärtner mutiert, etwa zum Jobcenter rennen, um sich umschulen zu lassen? Vielleicht zum Bleistiftmacher oder Tintenpatronen Nachfüller? Jedes Jahr dasselbe! Da schreibt man sich als Schreiber die Finger wund, damit der Leser im Winter nicht vor Langeweile umkommt und im Frühling wird er zum Dank dann eiskalt abserviert. Eiskalt!
Wie eine heiße Kartoffel fallengelassen, obwohl die leckere Erdknolle im Frühling noch gar nicht erntereif ist. Kein Tschüss, keine Entschuldigung, kein Dankeschön, für die Arbeit die man sich, als Schreiber, gemacht hat. Weg ist der Leser und wurd nicht mehr gesehen. Aber wehe, es ist kein neuer Text da, wenn der Regenschirm mal längere Zeit aufgespannt werden muss! Dann zieht der Leser direkt ein Gesicht, als wenn es in die eigene Bude reinregnen würde.
Eine ziemlich einseitige Beziehung, wo der Schreiber immer nur den Kürzeren zieht. Warum tut er sich das nur an? Ist etwa sein übersteigertes Mitteilungsbedürfnis dafür verantwortlich? Glaubt er als Schreiber tatsächlich, er würde noch etwas zu Papier bringen, was nicht schon in tausendfacher Blaupause vorliegt? Immerhin wird seit ca. 5000 Jahren geschrieben und inzwischen in jedem Jahr über 1.7 Millionen neue Bücher veröffentlicht.
Vielleicht sollte der Schreiber lieber zum Gärtner umschulen! Denn eines scheint sicher, diese Welt braucht alles, aber keine neuen Ressourcen vernichtenden Kopien einer Kopie mehr. Die dann ausgelesen in einem Regal verstauben, anstatt im Wald für frische Luft zu sorgen, die wir wirklich dringender benötigen. Bei meinen Textwerken kann man allerdings gern eine Ausnahme machen, denn ich tauge zu allem, aber sicher nicht zum Gärtner.