Veröffentlicht: 04.05.2024. Rubrik: Total Verrücktes
Mein Weg zur ernsthaften Prosa
Ich war gezwungen, viel und lange auszuprobieren, aber irgendwann konnte ich meinen Weg finden und habe mich der wirklich ernsthaften Prosa verschrieben. Auf diesem Weg musste ich einiges erdulden! Nicht wenige der Bücher, die ich während meines Studiums der Literatur gelesen habe, waren kaum zu ertragen. Unter Dutzenden schrieb ich am Ende der letzten Seite die Frage: „Warum wurde dieses Buch nur geschrieben?“
Die Häufigkeit, mit der ich diese Frage wiederholte, ließ in mir die Erkenntnis reifen, anstatt zu kritisieren, sollte ich doch erst einmal probieren, es besser zu machen! Ich beschloss also, zu recherchieren, was man alles braucht, um ein gutes Buch zu schreiben. Ich war einigermaßen überrascht, wie lange die Liste wurde. Es fing schon mit meinem Namen an. Als zukünftiger Bestsellerautor kann man nicht Knut Knüttelkopp heißen! Da wird man bestimmt von jedem dritten Leser in die Klamauk-Ecke gestellt, bevor er überhaupt nur einen einzigen Satz gelesen hat, und ich hatte mich ja der wirklich ernsthaften Prosa verschrieben.
Ich brauchte also zuerst einen zünftigen Namen, der einem zukünftigen Bestsellerautor würdig war. Bad Letters kam mir spontan in den Sinn. Ein starker Name! So männlich und geheimnisvoll zugleich, da wird sicher jede zweite Leserin schmachtend in Ohnmacht fallen, wenn sie das Buch nur in den Händen hält und ihr ungesättigtes Verlangen in den Lenden spürt. Der erste Punkt meiner To-Do Liste war also abgehakt! Jetzt stand der Karriere nichts mehr im Wege. Okay, ich musste noch das Buch schreiben und später bräuchte ich bestimmt noch einen größeren Briefkasten für die Fanpost.
Der zweite Punkt betraf mein Äußeres, ein Bad Letters, kann sich nicht einfach seine fünf verbliebenen und fettigen Haarsträhnen über die Glatze kämmen. Da braucht es schon etwas mehr Style. Ich bestellte mir im Internet eine Irokesenperücke in blutrot und dazu noch ein paar martialische Abziehtattoos. Ich habe schon oft bemerkt, dass sich das größte Muttersöhnchen nur tätowieren lassen muss, und schon wird er zum Gangleader. Ich bin ganz begeistert von meinen Ideen, bis mir auffällt, dass eine vier Zentimeter dicke Hornbrille, sicher nicht zu dem angestrebten Look passt. Ich brauche also Ersatz!
Ich erinnere mich an einen alten Horror-Film. Der Hauptdarsteller hatte grüne Schlangenaugen, das sah total cool aus und eines Bad Letters würdig. Wenn schon, denn schon, dachte ich und bestellte zu den Kontaktlinsen noch Schaumstoff Muskelpads, damit ich nicht mehr ausschaue, als wenn ich unter der Dusche von Strahl zu Strahl springen könnte. Zu den Augen würde gut ein fescher Anzug passen, wie er von Jim Carrey in „Die Maske“ getragen wurde. Inklusive gelbem Hut. Ein Klick und schon bestellt. Ich war in Hochstimmung, auch wenn ich noch kein Buch hatte, aber der Name und Look waren einfach perfekt. Jetzt brauchte ich mir nur noch ein paar Wintersocken in den Hosenstall zu schieben und schon beult sie sich aus, dass selbst ein reinrassiger andalusischer Hengst vor Neid erblasst.
Ich könnte also mit dem Schreiben loslegen, aber vorher muss ich noch kurz außer Haus, um mir Papier, Bleistift, Radierer, Anspitzer und fünf Stangen Gauloises Zigaretten zu besorgen. Natürlich ohne Filter, es muss ja schließlich knallen! Ein Starautor ist bestenfalls Kettenraucher, das ist man seinem perfekten Image einfach schuldig. Mist, jetzt hätte ich fast den Whiskey vergessen. Ohne einen guten Schluck scheint man nichts Anständiges auf Papier zu bekommen. Whiskey hatte ich schon einmal getrunken, aber vor meiner ersten Zigarette besaß ich schon ein wenig Bammel. Die ersten Züge sollen ja eklig sein, sagt man. Aber wat mut dat mut!
Sechs Stunden später hänge ich über der Kloschüssel und verfluche Bad Letters. Der Papierkorb ist voll, der Whiskey leer und die Stange Zigaretten fast aufgeraucht. Dazu bahnt sich noch Montezumas Rache an, die schneller kommt, als ich es auf die Kloschüssel schaffe. Ich hätte nie geahnt, wie schwierig es ist, während des Rauchens und Trinkens etwas Vernünftiges aufs Blatt zu bekommen, besonders wenn man dieses vor lauter Qualm kaum noch sieht. Mir ist hundeelend und ich muss mein Unterfangen erst einmal ins nächste Leben verschieben, aber immerhin habe ich es ernsthaft probiert!
PS:
Meine Frau hält mich in dem Look übrigens für einen heruntergekommenen Wrestling-Star, wenn sie das mit der Socke optisch auch ganz ansprechend findet!