Veröffentlicht: 24.04.2024. Rubrik: Fantastisches
Der Zukunftsgourmet
Gespannt machte er sich auf den Weg, das neue Restaurant zu besuchen, von dem er bereits so viel gehört hatte und er wochenlang warten musste, um einen der begehrten Tische zu ergattern. Angeblich soll dort sogar Bio auf den Teller kommen. Unglaublich! War Bio doch inzwischen mehr ein verheißungsvolles Märchen als gelebte Realität. Wo sollte es noch möglich sein, Biowaren zu erschwinglichen Preisen zu bekommen, die sich auch der Normalsterbliche leisten konnte?
Gern las er in Büchern, von vor der Epoche der Industrialisierung der Landwirtschaft, wo Bio noch das normalste von der Welt war. Wer kam damals nur auf die Idee die Landwirtschaft derart zu pervertieren, dass man für das natürlichste von der Welt mehr zahlen musste als für Gen, Chemikalien oder Pestizid verseuchte Nahrung?
Die rasant wachsende Weltbevölkerung nach dem zweiten Weltkrieg, war wohl mit ein Auslöser für diese Entwicklung, die auch nur allzu gern, von ihren Profiteuren vorgeschoben wurde. Hinzu gesellten sich die altbekannten der Menschheit. Ihre unersättliche Gier und der abstruse Gedanke, es besser als die Natur zu können. Der heilige Grahl der Wissenschaft, der Gedeih und Verderben gleichzeitig in sich trug.
Wo stand die Menschheit heute? Ihre Population wuchs immer noch schneller als Pandemien und kriegerische Konflikte sie dezimieren konnten. Wie die Ratten vermehrten sie sich und der Zwang sie zu ernähren. Ein Teufelskreislauf, der irgendwann zu einem Kollaps führen würde.
Die Speisekarte las sich verlockend, auch wenn sich das Gerücht von Bio schnell als Mär erwies. Wie sollte es auch anders sein! Nicht selten streuten die Restaurants selbst dieses Gerücht, um mehr Kunden zu locken. Schließlich gehörte es zum guten Ton, den Verbraucher, wo es nur ging, an der Nase herumzuführen, um den eigenen Profit zu maximieren.
Er wählte als ersten Gang den verstrahlten Salat mit einem Dressing aus Palmöl, das mit einem Hauch von Olivenöl und Pommesfett verfeinert wurde. Delikat! Eine Hummerkrabbensuppe folgte, die ein leichtes Shell-Aroma aufwies. Das Tier wurde in einer Zucht nahe einer Ölplattform gezüchtet. Schwer zu bekommen und sündhaft teuer.
Als Hauptgang gab es das Schweinehuhn. In der Retorte gekreuzt und mit dem Einsatz unzähliger Medikamente hochgepäppelt. Ein unvergleichlicher Geschmack und sein verzehr, ersparte die nächste Coronaimpfung und das garantiert. Das Dessert ein absolutes highlight. Ein Sorbet, das aus einem Wasser gezaubert wurde, das man kurz hinter einer Kläranlage entnahm. Der leicht bräunliche Ton erinnerte an Cola.
Die gelösten Kunststoffpartikel gaben dem Sorbet einen unvergleichlichen Schmelz und der geschmackliche Abgang wurde von unzähligen Nuancen begleitet. Am liebsten würde er darin baden, aber wer konnte sich noch baden leisten? Er würde das Restaurant empfehlen, soviel war sicher! Der Chemiker an der Retorte, ein Magier seines Faches und das Kribbeln auf der nun leuchtenden Zunge, würde ihn sicher noch Tage begleiten.