Veröffentlicht: 17.04.2024. Rubrik: Persönliches
Spaziergang im Regen
Endlich! Endlich öffnet der Himmel seine Schleusen und nicht nur für einen Augenblick, sondern es regnet. Kein leichtes Nieseln, kein heftiges, aber nur kurzes prasseln, sondern gleichmäßiger Regen. Eine Wohltat für alle Sinne! Ich öffne die Tür zur Terrasse und lasse mich von dem gleichmäßigen Klang seines Plätscherns umgeben.
Ich liebe diese Tonstruktur, die einerseits aus vielen gleichmäßigen melodischen Intervallen besteht, aber immer wieder von leichten Fehlnoten durchbrochen wird, die wie seichte Paukenschläge mein Gehör erreichen. Endlos laufen die Noten an meiner Seele herab, wie die Matrix auf dem Computerbildschirm.
Auf der Couch liegend und den dampfenden Kaffee fest von beiden Händen umschlossen, lausche ich, und sperre alle visuellen Ablenkungen aus. Mit jeder Sekunde falle ich tiefer in diese musikalische Struktur und als das Kaffeearoma und der Duft des Regens sich vermischen, breitet sich in mir eine unwirkliche Leichtigkeit aus.
Tiefer und tiefer falle ich und dieses Fallen gebiert eine Lust, die ich schon ewig nicht mehr verspürte. Ich verweile noch länger so, bis die Lust die Oberhand gewinnt und mich in die Senkrechte hebt. Ich denke nicht, sondern lasse mich von diesem Trieb leiten. Greife mir den Haustürschlüssel und ziehe mir die Schuhe an.
Bereits nur wenige Momente später schlendere ich durch das himmlische Nass, lasse mich umspülen und genieße jeden einzelnen Tropfen, der mich erreicht. Frühlingskühle liegt noch im Inneren der leichten Brise und das ich nur ein T-Shirt trage, mag die falsche Wahl sein, dafür ist es umso intensiver.
Erste Spritzer benetzen meine Brillengläser und klares und verschwommenes vermischen sich zu einem surrealen Gemälde. Trotz immer schlechter werdender Sicht habe ich mein Ziel fest im Blick. Erste Rinnsale laufen an einzelnen meiner Haarsträhnen entlang. Sie haben keine Chance den Boden zu erreichen, werden sie doch von meinen Haaren aufgesogen, wie das nach Wasser lechzende Grün am Boden den Regen.
Ein Frösteln begleitet mich schnell, dass meine Lust durch den Regen zu spazieren etwas dämpft, aber zu meinem Glück sind es insgesamt nur hundert Meter, um die entleerten Mülltonnen zu holen.