Veröffentlicht: 12.04.2024. Rubrik: Menschliches
Hallo Du!
Ja, Du, genau dich Leser meine ich! Dessen Iris gerade meine Worte fixieren und darauf hoffen, auch etwas Erbauliches vorzufinden. Ich freue mich sehr, dich heute einmal persönlich begrüßen zu dürfen, oft fehlt mir ja leider die Zeit dafür, deshalb nehme ich die Gelegenheit wahr, mich für diesen Umstand ganz herzlich bei Dir zu entschuldigen.
Ich weiß, es gehört sich eigentlich nicht, dich so allein mit meinem Text zu lassen! Vielleicht hast Du ja Fragen die zu erörtern wären oder Du brauchst einfach mal eine seelische Stütze oder Schulter, an die Du dich anlehnen kannst. Aber heute bin ich ja für dich da, versprochen!
Die Beziehung Leser-Autor ist keine einfache und zudem eine sehr unfaire. Zu oft lässt der Autor den Leser allein und es scheint so, entschuldigt bitte meine Ausdrucksweise, dass es ihm scheißegal ist, was der Leser gerade durchmacht, wenn er den Text des Autors liest. Das ist zutiefst verantwortungslos!
Gut, wenn der Autor dem Leser einen stillen Orgasmus beschert, wird er sich wohl kaum beklagen, vielleicht liest er es sogar noch 3-4-mal hintereinander, um es richtig auskosten zu können, bis die Libido dann irgendwann die weiße Fahne schwenkt oder alles wundgescheuert ist.
Beim Humor wird es dann aber schnell kritisch, schließlich gibt es nachweisbare Fälle, in denen Leser sich totgelacht haben. Nicht bei mir, da bin ich mir sicher! Ich glaube, bei Stephen King ist das mal vorgekommen, oder war es doch Sigmund Freud? Na ja, egal, aber schon kritisch! Für den Leser natürlich, nicht für den Autoren! Dem Autor ist es meist ziemlich egal, wenn der Leser tot umfällt, Hauptsache er hat vorher bezahlt! Aber mir nicht! Ich bin heute verantwortungsvoll, sonst wäre ich ja schließlich jetzt nicht für dich hier!
Richtig schwierig für einen Leser wird es zumeist bei Themen eines Autors, die den Leser seelisch schwer belasten können. Wenn es um erlebte Vergewaltigungen geht, um angekündigte Suizide oder schwerste körperliche und seelische Gewalt, die real erlebt und auch zu Papier gebracht wurden. Da können bei empfindsamen Lesern kurzzeitig Traumata entstehen.
Oft ist es so, dass der Autor mit diesen Themen versucht, seine eigenen Traumata zu bekämpfen, vergisst dann aber durch den eigenen Leidensdruck, dass er andere Menschen damit über Gebühr belastet. Von daher rate ich den verehrten Autoren stets: „Bitte denkt darüber nach, was, und vor allem, wie ihr euer geschriebenes in die Welt entlasst und welche Folgen das für den Leser haben kann.“, denn nur zu selten ist den Autoren in ihrer Mitteilungs und Veröffentlichungsgeilheit auch bewusst, dass Kinder oft ungehindert und ungeschützt mitlesen können!
Das ist wohl der Zeitpunkt, wo ich mir kräftig an die eigene Nase fassen, sie vielleicht sogar abreißen müsste! Aber heute nicht, denn heute bin ich ja für dich da! Aber ab morgen bin ich wieder weg und lasse dich ganz allein mit meinen Worten und deinen Empfindungen. Ich weiß, das ist verantwortungslos, aber so bin ich als Mensch nun mal auf die Welt gekommen!
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