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4xhab ich gern gelesen
geschrieben von rubber sole.
Veröffentlicht: 06.02.2024. Rubrik: Satirisches


Ghostwriter

Obwohl ich viele Jahre ausschließlich im Hintergrund gearbeitet habe, wurde meine berufliche Tätigkeit landesweit öffentlich bekannt, und zwar auf eine Weise, die mich mich schwer traf.

SatirepatzerSatirepatzerEs begann damit, dass ich als loyaler Mitarbeiter der kommunalen Verwaltung, Registrator im Stadtarchiv, dem Wunsch unseres damaligen Bürgermeisters nachkam, im Verein für Denkmalpflege ehrenamtlich als Schriftführer mitzuarbeiten. In unserer kommunalen Verwaltung war ich als zuverlässiger Beamter bekannt, ich folgte meinem Chef in den Verein. Protokollieren und Schreiben, das beherrschte ich gut und war darüber hinaus für eine lebendige Ausdrucksweise bekannt, ebenso wie für selbstständiges Arbeiten.

Die von mir verfassten Protokolle und andere Ausarbeitungen fanden von Anbeginn an volle Zustimmung bei den Mitgliedern des Vereinsvorstands, allesamt angesehene Persönlichkeiten unserer Stadt, wie Apotheker, Schuldirektor, Museumsleiter, Stadtpfarrer, um nur die wichtigsten zu nennen. Diese Honorationen, manche von ihnen zusätzlich als Mitglieder weiterer Vereine, Parteien oder Verbände tätig, hatten sich schnell an die hohe Qualität meiner Schriftsätze gewöhnt. Sie forderten meine Dienste immer häufiger an, sodass ich für meine ursprüngliche Tätigkeit in der Registratur nur noch wenig Zeit fand. Der Bürgermeister war stolz auf mich. Er stellte mich frei und schuf eine neue Planstelle, eigens für mich. So wurde ich der wohl erste und einzige beamtete Ghostwriter in einer deutschen Kommune.

Und in dieser Position konnte ich meine Kreativität ausleben, indem ich Niederschriften mit meist trockenen Inhalten lebendig gestaltete. Große Begeisterung bei allen Beteiligten. Was niemand wusste, ich hatte jahrelang versucht, meinen Traum zu verwirklichen, ein Leben als Schriftsteller zu führen. Daraus wurde nichts. Sämtliche meiner Manuskripte für Romane, oder Drehbücher für Serienkrimis, wurden von Verlagen und Fernsehredaktionen abgelehnt. Was blieb, war das meiner Meinung nach zu Unrecht verkannte Talent eines unentdeckten Schreibgenies. Für Sitzungsprotokolle, amtliche Mitteilungen, und irgendwann immer häufiger auch für Predigten unseres Stadtpfarrers, langte diese Begabung allemal.

So wurde ich zum Schriftsteller der anderen Art. Ich verfasste bald auch Schriftsätze fürs Stadtparlament, für die darin vertretenen politischen Parteien, Verbände, sowie für diverse gemeinnützige Einrichtungen. Und meinen Formulierungskünsten, gepaart mit der Fähigkeit, Interpretationen subtil in Texten unterzubringen, war es geschuldet, dass unsere Gemeinde zur Vorzeigekommune gekürt wurde. Sie wurde von der Landesregierung zur Musterstadt erklärt, denn alle 'ihre' Beschlüsse, die sie in die Tat umsetzte, trugen im Verborgenen meine wohlwollende Handschrift. Alle folgten der Macht der geschriebenen Worte, alles klang plausibel, gut durchdacht und machbar. Auf diese unterschwellige Art manipulierte ich unser Kommunalwesen - nicht in unlauterer Absicht; es entsprang alles der Denkweise eines gesunden Menschenverstands, was nun in der Kommunalpolitik zum politischen Standard wurde.

Dann die Katastrophe. Von unserem Pfarrer eingeleitet. Dieser hielt seine Predigten irgendwann nur noch nach meinen Vorlagen; seine körperliche Präsenz mit seiner dröhnenden Kirchenrhetorik machten aus jeder Vorlage ein Erlebnis. Leider befand sich der gute Mann zu diesem Zeitpunkt bereits in einem prädementen Zustand und brachte Sachverhalte manchmal durcheinander. So verwendete er mitunter Entwürfe bereits gehaltener Predigten erneut. Dies sorgte zunächst für Heiterkeit in der Gemeinde. Als er dann in meiner Abwesenheit einen Redeentwurf für einen Stadtverordneten der Partei Die Linke aus einem für ihn nicht vorgesehen Ordner fischte, um diesen in eine Predigt zu verwandeln, klang das zwar 'originell', aber für ihn war damit Schluss mit Predigen. Die Kirchenoberen schritten ein. Der Hintergrund musste geklärt werden, alle Details sollten auf den Tisch; keine Verschleierungen, so tönten die hohen Herren des Bistums. Ausgerechnet. Auf diese Art wurde ich durch den engagierten Einsatz der Kirche enttarnt. Alle meine Schriftstücke wurden von Sprachwissenschaftlern genaustens untersucht. Eindeutig, die reinste Manipulation, die da ans Tageslicht kam. Allerdings ohne Schaden für das städtische Gemeinwohl, eher das Gegenteil davon. Gleichwohl, ich wurde in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Eine bekannte Boulevardzeitung titelte anschließend: 'Schildbürgerstreich 2.0 – Moderner Eulenspiegel am Werk'.

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Jens Richter am 06.02.2024:
Kommentar gern gelesen.
Hallo rubber sole,
Deinen Text habe ich sehr gern gelesen.
Irgendwann vermasselt immer einer das, was Du Dir mühevoll aufgebaut hast.
Ich würde gern Deine Arbeiten lesen, wenn Du sie als PDF-Dateien abgespeichert hast...
Viele Grüße, Jens




geschrieben von Stephan Heider am 06.02.2024:
Kommentar gern gelesen.
Hallo rubber sole
Auch mich haben deine literarischen Qualitäten in dieser schönen Story sofort in ihren Bann gezogen 😉.
Die reinste Lesefreude!
LG Stephan




geschrieben von rubber sole am 06.02.2024:

>Jens Richter:
Danke für deinen wertschätzenden Kommentar, Jens. Freut mich, dass dich diese 'Schelmen-Geschichte' anspricht. PDF-Konvertierung folgt.
l.g.r.s.




geschrieben von rubber sole am 06.02.2024:

>Stephan Heider:
Liest sich gut, dein Kommentar, Stephan - danke dafür. Zur reinen Lesefreude: Mission accomplished!
l.g.r.s.




geschrieben von Ernst Paul am 07.02.2024:
Kommentar gern gelesen.
Ich schließe mich gern den Einschätzungen von Jens und Stephan an. Auch mir gefällt dein Schreibstil sehr gut. Mit dieser Geschichte beweist du, dass du zu Recht verbeamtet wurdest. L G EP 😊




geschrieben von rubber sole am 07.02.2024:

>Ernst Paul:
Danke für deinen Kommentar, Ernst, habe ich sehr gerne gelesen; deine Einschätzung gefällt mir.
l.g.r.s.

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