Gelächter

Nach der Scheidung leben sie getrennt. Fast zwanzig Jahre lang schon. Geografisch weit auseinander. Ohne jeglichen Kontakt. Man weiß nichts mehr von einander. So gewollt. Von beiden. Sie sind inzwischen erneut geschieden. Alle beide. Leben alleine.

Dann ein Aufeinandertreffen. Zufällig. Nicht vorhersehbar. Anfänglich unerkannt. Sie beide sind Komparsen. Für einen Spielfilm. Von einer Agentur bundesweit gecastet. Drehort Hamburg. Szene in einem Hafenrestaurant. Sie spielen ein Paar. Während des Essens. Im hinteren Bereich des Lokals. Eine Rolle ohne Sprechanteil. Spannung am Set. Dann: Kamera ab. Alle Akteure hochkonzentriert. Jetzt erkennen sich die beiden wieder. Ungläubiges Staunen. Sein Verhalten bei Tisch erzeugt Erinnerungen. Unverwechselbare Gestik. Auch die Mimik wie früher. Belustigte Blicke werden getauscht. Stumm. Ein Gespräch ist nicht möglich. Sie haben keine Rolle mit Text. Der Dreh ist in Gange. Alles verläuft nach Plan. Dann ein Prusten aus der Ecke. Von diesem Paar. Können nicht mehr an sich halten. Lachen lauthals los. Angespanntes Schweigen im Saal. Peinlichkeit kommt auf. Dann vereinzeltes Kichern. Anfänglich verhalten. Kurz darauf lachen alle am Set. Ungehemmt. Neue Erfahrung in komischer Situation. Gab's so noch nie. Und absolut spontan. Mit ansteckendem Lachen. In ungewöhnlicher Tonart. Von Komparsen ausgehend. Im Hintergrund der Szenerie. Der Regisseur rastet aus. Bricht den Dreh ab. Lautstark. Das Paar wird des Sets verwiesen. Sie schleichen zum Ausgang. Verlassen den Drehort. Aus dem Lachen wird ein Glucksen. Immer wieder. Auch dieses will nicht enden. Bis weit vor die Tür.

Monate später der fertige Film. Die Szene wurde nicht herausgeschnitten. Wurde ins Drehbuch eingearbeitet. Umgeschrieben. Zu einer Situation in lachender Gesellschaft. Der Ton-Ingenieur hatte das Lachen gespeichert. Wird als Tonkonserve später gerne verwendet. Einzigartig in dieser Form. In dieser Zusammensetzung. Ausgehend von einem Paar. Komparsen am Rande. Normalerweise unwichtig. Nur Staffage. Ohne Text. Hier aber mit ungeheurer Komik. Findet der Regisseur später auch.

Diese Tonkonserve wird später wegen der speziellen Tonalität in ungezählten Filmen als Geräuschkulisse verwendet, ist in vielen Szenen, die in Sälen, Restaurants oder auf Partys spielen, im Hintergrund zu hören. Das geschiedene Paar sah sich nach dem abgebrochenen Drehtag nie wieder. Sie gingen erheitert ihrer Wege.

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