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geschrieben von Heinz Werner.
Veröffentlicht: 06.02.2024. Rubrik: Unsortiert


Ein neues Morgen

Ein neues Morgen?

In einem südafrikanischen Song heißt es „There is a new tomorrow“. Sicher, aber wie wird es aussehen? Wie wird dieses neue Morgen unser Leben verändern und bestimmen? Werden wir es erleben, wollen wir es erleben? Reichen unsere bekannten und ererbten oder antrainierten kognitiven Fähigkeiten aus, diese neue Welt zu meistern und uns in ihr zurechtzufinden? Werden Roboter unseren Tagesablauf bestimmen, müssen wir uns daran gewöhnen, von ihnen versorgt zu werden. Wird On-line bestelltes Essen von solchen hoch-intelligenten Maschinen ins Haus gebracht werden? Wie wird das ablaufen, müssen wir Trinkgeld geben, wie uns bedanken? Werden uns Roboter im Alter pflegen, uns baden oder den Hintern säubern? Ein Gedanke, der für mache vielleicht weniger sockierend ist, als sich vorzustellen, diese Tätigkeiten von Fremden ausführen zu lassen. Können wir noch Bücher oder Zeitungen wie gewohnt lesen, verstehen wir Bibliotheken nicht nur als ein Platz für Bücher, sondern besoners auch als Institution, um dem menschlichen Geist einen Ort zu geben?

Werden wir noch spektakuläre Sonnenuntergänge über dem Meer oder in den Bergen in Frieden und zufrieden beobachten können, entspannte Spaziergänge morgens an einem Strand oder in grüner, friedvolle Landschaft unternehmen? Wird der Klimawandel uns diesen Luxus noch gestatten? Sehr zweifelhaft, denn nach seriösen Voraussagen wird der Meeresspiegel 2050 um ca. einen halben Meter gestiegen sein, 55% der globalen Bevölkerung sind dann über 20 Tage pro Jahr tödlicher Hitze – angeblich jenseits der Schwelle menschlicher Überlebensfähigkeit - ausgesetzt. (1) Wie sieht es mit der Artenvielfalt aus, wie viele der uns bekannten Tiere und Pflanzen können sich anpassen und überleben?
Kann die Mikroelektronik, die künftig von überall aus steuerbar ist und alltägliche Aufgaben übernimmt, uns helfen?
Wie werden sich menschliche Beziehungen entwickeln, wie können wir ehrliche Kontake, wie Freundschaften aufrechterhalten? Wird die totale Technisierung den Zugang zu Mitmenschen, zu Fremden fördern oder behindern? Kann es sein, dass wir uns künftig im Sozialen nur mehr an der Oberfläche bewegen oder wird gerade das neue Morgen den Wunsch nach Tiefe, nach menschlicher Wärme und vor allem nach Zuneigung verstärken?
Brüche und Veränderungen des neuen Morgens sind noch gar nicht abzusehen. Begriffe werden neu definiert oder verlieren ihre Bedeutung. „Alter, weisser Mann“ ist plötzlich negativ besetzt, ja ein Schimpfwort. Etablierte Wahrheiten gelten nicht mehr.
Bestehende Berufsbilder werden hinfällig, neue Qualifikationen und Kompetenzen sind erforderlich. Veränderungen betreffen nicht nur unser Arbeitsleben, sondern auch sehr stark den privaten Bereich. Es bedarf neuer Geschäftsmodelle, Social Skills werden nötiger als bisher, die Kommunikation wird sich maßgebend ändern und sowohl den Arbeitsbereich, als auch unser Freizeitverhalten betreffen. Im Unternehmensbereich muss mit zunehmenden Cyberangriffen gerechnet werden, im zwischenmenschlichen Zusammenleben droht Vereinsamung.

Wir werden einen Wertewandel erleben und uns einer Welt der nahezu grenzenlosen Optionen nähern. Traditionelle Lebensmodelle werden an ihre Grenzen stoßen und neue Wohn- und Bauformen entstehen. Die möglichen technischen (digitalen) Optionen – verbunden mit medizinischem Fortschritt – sollten uns mehr Lebenszeit und grössere Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen. Damit ist jedoch auch zwingend mehr und umfassendere Eigenverantwortung gefragt!
Sind wir bereit, uns auf dieses Neue einzulassen, sind wir flexibel und innovationsfähig genug, um die großen Herausforderungen anzunehmen und zu meistern?

Das neue Morgen wird jedoch sehr stark davon geprägt werden, wie wir die Integration von Millionen Flüchtlingen bewältigen. Wird das friedlich geschehen oder zu sozialen Spannungen führen, da viele der Migranten zwar sehr gerne Deutschland als Zielland wählen, im Herzen aber ihren Herkunftsländern anhängen und deren Werte und Traditionen folgen. Wo wird in Konfliktsituationen die tatsächliche Loyalität liegen? Für welche Führer und für welches Gesellschaftssystem werden sie sich entscheiden? Ich habe starke Zweifel, ob dies unsere westlich, freiheitlich, christlich geprägte Gesellschaft sein wird. Begehen wir wieder alte Fehler, sind wir wieder zu naiv, bestehen wir zu wenig auf Achtung und Respektierung unserer Rechtsordnung und unserer Lebensweise. Müssen wir uns anpassen, oder sollte es nicht andersherum sein?

Ganz düster muss uns das neue Morgen erscheinen, wenn wir an die vielen derzeitigen furchtbaren Krisen, Kriege und das bestehende Chaos weltweit denken. Niemand kann wissen, ob und wie schnell aus den kriegerischen Konflikten nicht doch ein großer Flächenbrand wird, ob Despoten und machtbesessene Diktatoren diesen wunderbaren Planeten nicht ins Aus bomben werden, lange vor seinem natürlichen Ende. Ob wir wollen oder nicht, unser Morgen wird maßgebend von den augenblicklichen Kriegen und Auseinandersetzungen geprägt werden. Werden wir noch so leben können wie bisher? Wird es unsere liberale Gesellschaftsordnung, wird der Westen wie wir ihn kennen, im neuen Morgen überleben?

Nicht optimistischer stimmen uns die Gedanken, wenn wir daran denken, wer dieses neue Morgen bestimmen wird. Welche Eigeninteresse verfolgen die Personen hinter den Algorithmen, was sind ihre wahren Motive und Absichten – abgesehen von wohlmeinenden und menschenfreundlichen Phrasen, die sie dauernd von sich geben? „Die Wahrheit wird gelebt und nicht doziert“ (Heinrich Heine). Ist es lebenswert, uns von solchen Figuren fremd bestimmen und manipuliern zu lassen? Ich möchte nicht, dass mein Denken und Fühlen – sehr subtil und unbemerkt – ja, mein ganzes Leben von Mächten gelenkt wird, die ich nicht kenne und denen ich nicht über den Weg traue. Gefahren für das neue Morgen aus dieser Richtung sind noch erschreckender und negativ nachhaltiger, als wir uns vorstellen oder vermuten können.

Hält das neue Morgen auch Positives für uns bereit? Ja, natürlich. Zum Beispiel in der Medizin. Es wird möglich sein, Krankheiten, die bisher unheilbar waren, in ihrem Verlauf zu hemmen oder gar zu heilen Lt. Ugur Sahin (2) erscheint es möglich, ab 2026 sehr wirksame Krebsmedikamente verfügbar zu haben. Das neue Morgen bietet ungeahnte Möglichkeiten der Weiterbildung und Information. Wenn wir wollen, können wir uns in Sekundenschnelle Fakten und Details aus allen Wissensgebieten besorgen. Wir müssen aber aufpassen, nicht in der Flut angebotener Informationen zu ertrinken. Das, was Wissenschaftler als „choice overload“ (Übermaß an Wahlmöglichkeiten) bezeichnen, stellt eine reale Gefahr dar. Schließlich gibt es fast ebenso viele Fake News, Halbwahrheiten oder gezielte Falschmeldungen, die wir erkennen und richtig einordnen müssen. Nutzen wir die angebotenen Möglichkeiten richtig, können wir daraus einen Zugewinn an Freizeit, an Lebensqulität, an individuellem Gestaltungsspielraum schaffen. Vielleicht trägt das neue Morgen auch dazu bei, persönliche Beziehungen wieder mehr zu schätzen und die Wärme und Hinwendung in zwischenmenschlichen Beziehungen zu stärken.
Es gibt mehr als genug Gründe, die Zukunft zu fürchten – wir müssen dies aber nicht!

(1) www.dw.com- utopia.de/klimawandel-pro (Tim Lenton University of Exeter)
(2) Ugur Sahin, CEO Biontech

Heinz Werner, Febr. 2024
Copyright – Urheberrecht = Heinz Werner

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