Kurzgeschichten-Stories
Autor
Schreib, wie du willst!
Startseite - Registrieren - Login - Kontakt - Impressum
Menu anzeigenMenu anzeigen
4xhab ich gern gelesen
geschrieben von Sabine Frey (Sabine Frey).
Veröffentlicht: 03.12.2023. Rubrik: Nachdenkliches


Das Weihnachts- Würfelspiel

Das Weihnachts- Würfelspiel

Einladend und festlich haben die Schmids ihren Haus- Eingang dekoriert. An der Eingangstür hängt ein Kranz aus Tannzweigen, Misteln und Stechpalme und an den Ästen der winterharten Sträucher tanzen selbstgebastelte Engelchen, kleine Niklaus- Mützchen und andere glitzernde Sachen leise hin und her.
Wenn sich die Tür öffnet, kannst du im Wohnzimmer einen grossen Weihnachtsbaum erkennen, geschmückt mit vielen farbigen Kugeln, Lametta, Engelshaar und mit Kerzen, welche bloss darauf warten, mit ihrem Schein den Raum zu erfüllen, doch noch ist es zu früh dazu. Um die Zeit bis zu Heiligabend etwas kurzweiliger zu gestalten, haben sich Vater Max und Mutter Lena etwas ganz Besonderes ausgedacht: Auf dem Esstisch liegen ein hölzerner Würfel und ein Blatt Papier bereit. Sechs Symbole, davor jeweils eine Zahl, wurden untereinander fein säuberlich auf diesen weissen Bogen Papier gekritzelt.
So steht vor dem Schlittschuh die Zahl eins, zur Schere, welche für einen Bastelnachmittag steht, gesellt sich die Zahl Zwei und die Tannenbäumchen teilen sich eine Linie mit der Zahl Drei. Hinter den Zahlen Vier, Fünf und Sechs befinden sich ein Buch, Skier und ein Iglu.
Vater Max reicht jetzt seinem kleinen Sohn Sebastian den Würfel, mit dem Hinweis, diesen in seinen Händen kräftig zu schütteln und danach zu würfeln. Schon wirbelt der hölzerne Kubus durch die Luft, dreht sich auf dem Tisch noch zwei, drei Mal im Kreis, bevor er dann zum Stillstand kommt. «Eine Drei!» ruft Sebastian erfreut! «Es geht ab in den Wald», meint Vater Max. «Los, ziehen wir uns warm an!»
Es dauert auch gar nicht lange und schon stapfen die Drei durch den tief verschneiten Wald. Vater Max zieht einen Holzschlitten hinter sich her, weiss er doch, wie anstrengend eine Schneewanderung für kurze Beine wie die von Sebastian sein kann. Die Schneekristalle funkeln und glitzern im Sonnenlicht. Da und dort erkennen sie Spuren von Tieren und wer hätte das gedacht: Weiter vorne, geschützt vom Dickicht, steht ganz scheu ein Reh! Mutter Lena flüstert ihrem Sohn zu, er möge ganz leise sein. Eine ganze Weile können sie den ängstlichen Waldbewohner beobachten, doch nun macht sich das Reh, wohl aufgeschreckt durch ein Geräusch, plötzlich aus dem Staub.
Die Drei laufen weiter, doch es dauert nicht lange, bleiben sie erneut stehen, denn jetzt meinen sie, ein leises, schmerzerfülltes Stöhnen zu vernehmen. Auch ein «Sapperlott und zugenäht» hallt durch den Wald. Schmids folgen den Geräuschen und diese führen sie zu einer Futterkrippe. Ein alter Mann sitzt auf dem schneebedeckten Waldboden. Sein Gesicht lässt erahnen, dass er Schmerzen verspürt und mit seinen Händen umklammert er den rechten Fuss. Er erzählt den Besuchern, dass er beim Befüllen der Futterkrippe ausgerutscht sei und Mutter Lena kniet sich zu ihm und schaut sich die schmerzende Stelle an. «Gebrochen ist zum Glück nichts; doch es wird eine Verstauchung des Knöchels sein», meint sie. Lena und Max schauen sich an und ohne sich zu beraten sind sie sich einig: «Dieses Weihnachtsfest feiern wir zu viert!»
Lena, Max und Sebastian, helfen Johann, so heisst der Verunfallte, auf ihren Schlitten, denn dieser hat nichts gegen diese Idee einzuwenden, lebt er doch seit vielen, vielen Jahren allein und abgeschieden in einer Hütte, nahe am Wald.
Daheim angekommen, kümmert sich Lena sofort um den verletzten Fuss. Eingerieben mit einer wohltuenden Salbe und mit einer elastischen Binde gut gestützt, fühlt sich Johanns Fuss gleich viel besser an.
Jetzt wird’s feierlich, denn Vater Max zündet von oben nach unten die Baum- Kerzen an und deren Schein verwandeln das Wohnzimmer nun in ein Lichtermeer. Schön verpackte Geschenke werden untereinander verteilt und da und dort entdeckst du eine Träne in den Augenwinkeln des Beschenkten; eine Träne tiefer Dankbarkeit. Und was ist mit Johann? Auch für ihn gibt’s ein Geschenk! Mutter Lena und Vater Max wechseln nämlich verschwörerische Blicke und Lena schleicht sich nun für ein paar Minuten aus dem Wohnzimmer. Mit einem Geschenk in den Händen kommt sie nun zurück. Mit den Worten: «Fröhliche Weihnachten, Johann!» überreicht sie ihm das Geschenk. Du kannst es dir ja denken, wie sehr sich Johann darüber freut und erst recht, als er das Geschenk öffnet und einen selbstgestrickten Pullover in seinen Händen hält. Vater Max setzt sich nun mit seiner Gitarre in den Lehnstuhl und gemeinsam singen sie das älteste Weihnachtslied der Welt.
Gut, dass Mutter Lena für das Weihnachtsessen schon viel vorbereitet hat. So müssen sie und Max auch gar nicht lange in der Küche stehen. Bald schon liegt ein feiner Duft von Braten, Rotkraut und Spätzle in der Luft. Mutter Lena bittet zu Tisch und gemeinsam geniessen die Schmids, zusammen mit Johann, das feine Festessen.
Danach wird der Tisch abgeräumt. Und was liegt noch vom Nachmittag auf dem Tisch? Der Würfel, genau! Johann nimmt ihn in seine rechte Hand und würfelt. Gespannt schaut Sebastian zu, wie nun der Würfel über den Tisch kullert und dann genau vor seiner Nase liegen bleibt. «Eine vier!» ruft Sebastian aufgeregt! «Das bedeutet Märchenstunde!» «Ich kenne viele Geschichten», meint Johann. «Soll ich euch eine erzählen?» «Ja gerne», ertönt es wie im Chor und so setzen sie sich alle gemütlich aufs Sofa und Johann beginnt zu erzählen:
«Es war einmal ein junger Geschäftsmann. Dieser schwamm im Geld, weil er gerne seine Ellenbogen benutzte und weil er sich niemals darüber Gedanken machte, wie sich seine Angestellten fühlen mussten, wenn diese zwölf Stunden am Tag für ihn schufteten. Auch kümmerte es ihn nicht, mir nichts, dir nichts einen Familienvater zu entlassen, wenn denn eine jüngere Arbeitskraft vor der Türe stand. Von Jahr zu Jahr wurde der junge Geschäftsmann reicher und reicher. Doch gleichzeitig fühlte er sich immer leerer und einsamer. Unser junger Geschäftsmann wusste nicht, woran das liegen könnte, und so dachte er, dass er mit noch viel mehr Geld sein Problem lösen und wieder glücklich werden könnte. Fortan verhielt er sich seinen Angestellten gegenüber noch gemeiner und tatsächlich konnte er noch mehr Geld scheffeln. War er nun glücklicher? Keineswegs! Niemand mochte ihn. Keiner wollte sich mit ihm abgeben. Der Alkohol wurde mit der Zeit sein bester Freund und so war der Niedergang seines Geschäfts vorprogrammiert und es kam, wie es kommen musste: Unser Geschäftsmann verlor sein gesamtes Vermögen. Und nicht nur das: Er fühlte sich mutterseelenallein auf dieser Welt! Alle Menschen wichen ihm aus. Tagelang. Monatelang. Jahrelang. Natürlich hatte er sich dies selbst eingebrockt, schaffte er es doch in all den Jahren kein einziges Mal, ein nettes Wort über seine Lippen zu bringen. So lebte er über Jahrzehnte abseits des Dorfes und nur die Tiere des Waldes zählte er zu seinen Freunden.
Johann stockt mit seiner Geschichte. Er muss sich eine Träne abwischen. Lena und Max wissen schon längst, dass es sich bei diesem Geschäftsmann um Johann selbst handelt und auch Sebastian scheint es zu spüren, darum legt er seinen Arm um Johann und meint: «Nun hast du neue Freunde gefunden!»

counter4xhab ich gern gelesen

Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

Einen Kommentar schreiben

geschrieben von Ernst Paul am 04.12.2023:

Eine schöne Weihnachtsgeschichte. Gern gelesen.




geschrieben von Jens Richter am 16.12.2023:

Hallo Sabine,
Deine Weihnachtsgeschichte passt gut zur Dezemberaktion.
Sie ist schön geschrieben und ich habe sie gern gelesen.
Viele Grüße, Jens

Weitere Kurzgeschichten:

Winterferienlager ( Dezemberaktion)
Der Anfang
Die zwei Leben meiner Großmutter