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geschrieben 2023 von Ernst Paul.
Veröffentlicht: 03.12.2023. Rubrik: Aktionen


Winterferienlager ( Dezemberaktion)

In Johanngeorgenstadt im Erzgebirge unterhielt das damalige Stahl- und Walzwerk Riesa Ferieneinrichtungen für Kinder. In den Sommer- und in den Winterferien durften dort Kinder im Ferienlager erholsame Tage bei Sport und Spiel verbringen.

1966 fuhr ich erstmals im Winter in dieses Kinderferienlager. Erfahrungen, wie die Tage in einem solchen Lager ablaufen, sammelte ich in den Sommerlagern davor. Damals war ich 13 Jahre alt und gehörte schon zu den älteren Teilnehmern.

Mich auf Skiern sicher fortbewegen, habe ich in meiner Heimat gelernt. Meine Heimatgegend ist überwiegend flach. Kleine Anhöhen bezeichnen wir schon als Berge. Sie genügen aber, um zu lernen, sicher auf Skiern zu fahren. Als Kind war ich im Winter, wenn Schnee lag, fast täglich auf Skiern unterwegs. Selbst den Schulweg legte ich manchmal auf Skiern zurück. Und unsere Anhöhen waren für mich kein Problem.

In Johanngeorgenstadt gibt es einen Idiotenhügel, an dem Flachländler das Skifahren lernen können. Wir Kinder aus dem Ferienlager durften diese Möglichkeit fast täglich nutzen. Neben Langlauf übten wir auch Abfahrtslauf und Slalom. Aus Schnee bauten wir uns eine kleine Schanze, über die wir hopsten.

Nicht alle Kinder waren bereit, sich auf Skiern fortzubewegen. Sie nahmen sich dann einen Schlitten und rodelten. Für mich war die Abfahrt am Idiotenhügel kein Problem. Auch die Tore im Slalom waren kein wirkliches Hindernis. Das machte Eindruck auf die Mädchen, die uns oft von ihren Schlitten aus zusahen. Ein Mädchen nahm ich besonders wahr. Ihre Blicke spürte ich, wenn ich den Idiotenhügel hinab fuhr. Auch beim Slalomfahren und beim Springen über den Schneehügel spürte ich ihre Blicke. Ein gewisses Kribbeln in meinem Bauch spürte ich, doch war ich zu schüchtern, sie anzusprechen. Auch sie hielt sich zurück und warf mir nur scheue Blicke zu.

Am vorletzten Tag unseres Aufenthaltes fanden Wettkämpfe im Skilauf statt: Langlauf, Abfahrtslauf und Slalom standen auf dem Programm. Ich nahm natürlich an allen drei Disziplinen teil und kämpfte um den Sieg. Im Abfahrtslauf gelang es mir, den zweiten Platz zu erreichen. Ich erhielt eine Silbermedaille und eine große Urkunde. Stolz stand ich auf dem Siegerpodest und winkte den anderen zu. Auch dem Mädchen, deren Blicke ich immer wahrnahm. Sie kam zu mir und gratulierte. Sie sagte, ich sollte nicht traurig sein. Auch ein zweiter Platz ist ein Erfolg. Und eine Silbermedaille sieht doch auch sehr schön aus.

Den letzten Tag ließ ich meine Skier in der Unterkunft und rodelte mit Sonja, so hieß das Mädchen, am Idiotenhügel. Den ganzen Nachmittag verbrachten wir zusammen und hatten unseren Spaß. Am Abend dann mussten wir dann unsere Sachen packen, weil wir am nächsten Tag nach Hause fuhren.

Nach der Ankunft in Riesa verabschiedeten wir uns von unseren Betreuern und begaben uns in die Obhut unserer Eltern. Meine Mutter wartete schon. Auch die Mutter von Sonja. Schnell kam noch Sonja zu mir und fragte, ob wir uns nicht schreiben könnten.
„Ja“, antwortete ich hastig, „sehr gern“.
Sie gab mir einen Zettel, auf dem sie ihre Adresse notiert hatte. Ich stammelte, dass ich jetzt keinen Zettel für meine Adresse habe.
„Schreib mir deine Adresse in deinem ersten Brief“, sagte sie. Dann rannte sie zu ihrer Mutter. Ich steckte den Zettel in meine Gesäßtasche und verschloss diese. Die Adresse sollte nicht verloren gehen. Ich ging zu meiner Mutter und wir fuhren nach Hause.

Zu Hause platzierte ich meine Silbermedaille über meinem Bett. Ich war stolz; stolz auf meine erste Medaille, und stolz darauf, eine Freundin zu haben, die mich liebt.
Am nächsten Tag nahm ich Papier und Füllfederhalter und begann einen Brief an Sonja zu schreiben. Es fiel mir schwer, die richtigen Worte zu finden. Auch mit der Schönschrift klappte es nicht so richtig. Als ich mit meinem Ergebnis zufrieden war, suchte ich die Hose. Doch sie war nicht im Schrank. Mutter hatte sie gewaschen und zum Trocknen aufgehängt. In der Gesäßtasche war nur noch ein Knäuel Papier mit ausgelaufener Tinte. Ich ging zurück in das Kinderzimmer und weinte.

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Babuschka am 03.12.2023:
Kommentar gern gelesen.
Schade, sehr schade, dass diese erste, aufkeimende Liebe keine Chance hatte.
- Sehr gern gelesen. LG Babuschka




geschrieben von Weißehex am 04.12.2023:
Kommentar gern gelesen.
Hallo Ernst Paul

was für ein trauriger Schluss für die hübsche Geschichte! Schön erzählt!

LG Weißehex




geschrieben von Sabine Frey am 04.12.2023:
Kommentar gern gelesen.
Oh wie traurig ist das denn! Sehr flüssig geschrieben!




geschrieben von Jens Richter am 04.12.2023:
Kommentar gern gelesen.
Hallo Ernst Paul,
eine sehr schöne Geschichte, die ich sehr gern gelesen hatte.
In dem Alter hatte ich ähnliche Liebeleien in den Ferienlagern vom VEB Minol.
Aber im Gegensatz zu Dir, der einen weiteren Schritt wagen wollte, hatte ich immer Schiss, die Mädels im Anluss auch zu besuchen, obwohl ich die Adressen hatte.
Viele Grüße, Jens




geschrieben von Ernst Paul am 05.12.2023:

@ an alle
Vielen Dank für Eure netten Kommentare. Ich bin mir sicher, die schönsten Geschichten schreibt das Leben.
Liebe Grüße an alle.





geschrieben von Marlies am 05.12.2023:
Kommentar gern gelesen.

Hundertprozentig wird Sonja dich auch bis heute nicht vergessen haben. Das ist doch vielleicht ein kleiner Trost




geschrieben von Ernst Paul am 06.12.2023:

Hallo Marlies,
Sonja und ich haben uns seitdem nicht mehr gesehen. Sehr schade. Ich hoffe, sie liest diese kleine Geschichte und meldet sich. Zurzeit liegt Schnee, da könnten wir ja wieder gemeinsam rodeln.




geschrieben von Gari Helwer am 19.12.2023:
Kommentar gern gelesen.
Au weih, wie traurig das ist... Bestimmt hat Sonja auf einen Brief gewartet! Das Mütter aber auch immer so reinlich sein müssen! LG

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