Veröffentlicht: 24.11.2023. Rubrik: Satirisches
Die Weihnachtsgeschichte der Grünen
Eine Satire
In Gründorf, einem kleinen Ort in der Grünen Heide, lebten Annalena und Robert. Sie hatten sich hier ein Büro eingerichtet und arbeiteten gemeinsam an der Erschaffung einer grünen Welt. Mit Hochdruck und Vehemenz versuchten sie ihre Ideale umzusetzen. Ihr Credo lautete: „Wenn der Teufel etwas will, scheut er das Weihwasser nicht.“ Und so baten sie auch Gott um Unterstützung. Ihre täglichen Gebete wurden recht bald erhört.
Eines Tages erschien der Erzengel Gabriel in ihrem Büro. Er sagte, dass Gott ihrer Arbeit großen Respekt zolle und sie darin unterstützen werde. Dazu muss aber ein neuer Erlöser, ein grüner Erlöser, gezeugt werden. Annalena sei von Gott als Gebärende auserkoren, und er, der Erzengel Gabriel, als der Zeugende.
Robert, der gern diesem Zeugungsakt beiwohnen wollte, wurde von Annalena des Büros verwiesen. Etwas vergrämt verließ er den Raum, stellte sich vor die Tür und lauschte.
Gabriel und Annalena kamen sich sehr schnell nah. Sie hatten ihre Freude und kamen rasch in Ekstase. Das Gestöhne wurde immer lauter, bis ein lauter Schrei, den Annalena voller Inbrunst ausstieß, alles übertönte und Robert zusammenzucken ließ.
Das war also der Erlöser, sinnierte Robert, quasi der Urschrei.
Er wartete, bis es ruhig im Büro wurde, dann öffnete er vorsichtig die Tür. Der Erzengel hatte das Büro schon verlassen; Annalena strich das Kostüm glatt und machte ihre Haare zurecht. Sie wirkte tiefenentspannt. Befriedigt schaute sie zu Robert.
„Nun, wie war es?“, fragte Robert.
„Es war himmlisch“, antwortete Annalena, noch halb im Taumel.
„Wir könnten den Erlöser Emanuel taufen“, sagte Robert. „Emanuel heißt ‚Gott mit uns‘“.
„Das kommt nicht infrage“, entgegnete Annalena sehr gefasst.
„Diesen Namen trägt schon der kurze Franzose. Er hält sich für Gott. Ich werde Gottes Sohn auf den Namen Ricard taufen. Ricard steht für reich, hart, stark und mächtig. Das sind unsere Werte, Robert. Und unser Erlöser wird in der Hauptstadt geboren werden. Wir werden uns in Berlin eine Wohnung suchen“.
Als Annalena und Robert in Berlin ankamen, war die Stadt überfüllt. Berlin führte eine Volkszählung durch. Alle Bürger mussten sich neu in das Melderegister eintragen lassen. Doch die Schlangen an den Meldestellen waren endlos. Annalena reihte sich eine dieser Schlangen ein. Sie gab Robert die Anweisung, eine Wohnung zu suchen. Ohne Wohnung erhielten sie kein Bleiberecht. Robert machte sich auf den Weg und suchte bis zur Erschöpfung. Schließlich fand er einen fahruntüchtigen Zirkuswagen auf einem entlegenen Parkplatz. Dieser Wagen diente einst einem Zirkus zum Transport ihrer Esel und war mit einer Krippe ausgestattet. Prima, sagte sich Robert, jetzt haben wir eine Bleibe und auch ein Bettchen für unseren Erlöser. Schnell eilte er zu Annalena, die noch immer in einer Reihe stand und übergab ihr die Adresse. Sie wurden in das Melderegister eingetragen und konnten sich nun in Ruhe auf die Geburt des Erlösers vorbereiten.
Am 24. Dezember gebar Annalena das Kind Gottes. Robert, der ihr bei der Geburt behilflich war, erschrak.
„Der ist ja gar nicht vollständig“, rief er erschrocken, „der hat ja gar keinen Piephahn“.
Annalena, leicht geschockt, antwortete aber gefasst: „Das liegt nicht an mir. Das ist von Gott so gewollt“. Mit fester Stimme fuhr sie fort:
„Gott möchte, dass im Himmelsreich Parität herrscht. Deshalb wird es neben dem Erlöser, Herrn Jesus, von jetzt ab eine Erlöserin geben. Diese Erlöserin ist unsere Neugeborene. Wir werden sie auf den Namen Ricarda taufen.“
„Robert“, so sprach Annalena weiter, „Du musst jetzt alle Menschen informieren, dass sie eine Erlöserin bekommen werden. Sie sollen zur Taufparty am Drei Königstag kommen und mit uns feiern.“
Robert gehorchte, nahm sein Smartphone, setzte sich auf die Stufen des Zirkuswagens und begann über WhatsApp und Instagram diese frohe Botschaft zu verbreiten.
In einem Randbezirk von Berlin hatte der Zirkus seine Zelte aufgeschlagen. Die Mitarbeitenden waren überrascht, als sie erfuhren, dass in ihrem ausrangierten Zirkuswagen die Erlöserin das Licht der Welt erblickt hatte. Die Tierpfleger, Artisten und Clowns packten Geschenke ein. Dazu Girlanden, Luftschlangen, Luftballons und Konfetti. Bevor sie sich auf den Weg machten, übten die Artisten und Clowns nochmals ihre Auftritte, um sie sicher auf dem Parkplatz vorführen zu können.
Den Heiligen Drei Königen aus den Parteienländern, Olaf, Christian und Friedrich, erreichte diese Botschaft während ihrer wöchentlichen Tagung. Angetan über diese Einladung, drehten sie sich einen Joint, rauchten und philosophierten über die Zukunft. Gutgelaunt verpackten sie Geschenke für die Erlöserin, legten ihre Parteiprogramme dazu und machten sich auf den Weg zur Taufparty.
Auch Kronprinz Markus wurde diese frohe Botschaft zuteil. Er trank seine Maß Bier auf ex. Dann versuchte er den ausrangierten Zirkuswagen auf dem Navy zu orten. Der Versuch jedoch schlug fehl. „Scheiß Technik“, fluchte er, „ich fahre einfach los und frage mich durch“. Er packte ein paar Schweinshaxen und einen Kasten Bier in den Kofferraum. Dann machte er sich auf den Weg nach Berlin.
Am Drei Königstag strömten die Menschen zu Hauf auf den Parkplatz. Neben den vielen Bürgern aus der Stadt waren auch zahlreiche Fans von
Union und Hertha erschienen. Sie hatten genügend Böller und Raketen für ein großes Feuerwerk im Gepäck.
Die drei Könige gesellten sich zu Annalena und Robert. Auch Kronprinz Markus hatte sich hierher gefunden und stellte sich zu ihnen. Sie begrüßten die Menschen ganz herzlich. Die Fußballfans zündeten ihre Böller und Raketen und veranstalteten ein großes Feuerwerk. Luftballons stiegen in den Himmel, Papierschlangen wurden geworfen und Konfetti gestreut. Die Artisten und Clowns begeisterten mit ihren Darbietungen.
Annalena trug die kleine Ricarda im Arm und zeigte sie den Menschen.
„Hier ist eure Erlöserin“, sagte sie stolz, „eine grüne Erlöserin“.
Danach bat Robert Kronprinz Markus die Taufe von Ricarda vorzunehmen.
Markus trat zu Ricarda und sagte feierlich: „Liebe Tochter Gottes. Ich taufe dich auf den Namen Ricarda. Ich segne dich im Namen aller Menschen. Du sollst unsere Erlöserin sein. Du sollst ein Segen für die Menschheit werden“.
Während er sprach, schwenkte er das Weihrauchschiffchen und besprühte Ricarda mit Weihwasser.
Das gefiel der kleinen Ricarda. Sie lächelte süß. Dann begann sie tief die Weihrauchluft einzuatmen. Sie pumpte sich auf wie ein Maikäfer, wedelte mit den Ärmchen, erhob sich in die Luft und entschwand in den Himmel. Markus, leicht irritiert, sah ihr nach, nahm einen kräftigen Schluck Weihwasser, zog die Augenbrauen hoch und rülpste.
„Ach, leck mich“, grummelte er: „Erst schauen wir mal, dann sehen wir schon“.
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