Veröffentlicht: 24.08.2023. Rubrik: Nachdenkliches
Schlage nie nach Schneckenaugen
Einen stillen Moment mit Worten füllen zu müssen, weil er unangenehm leer erscheint, ist geradezu zwanghaft.
Den Blick des anderen zu halten, obwohl er nicht kommentiert wird, erscheint uns schwer erträglich.
Der Mensch hat es verlernt sich anzusehen und zu schweigen.
Auge in Auge zu verharren ist entlarvend, so glauben wir.
Das Auge, Tor zur Seele, ist magisch. In den meisten Kulturen sagt es mehr als der Mund. Es spricht immer wahr. Deshalb lassen wir uns oft nicht gern hineinsehen.
Der Mund plappert, grinst, lamentiert, prustet, spuckt, verzieht sich. Das Auge verzieht sich nicht.
Und es sagt mehr als jeder Mund, wenn man nur hinein schaut.
Härte, Güte, Freude, Mitleid. Während der Mund noch lügt, spricht das Auge schon längst die Wahrheit. Ist es gerötet oder gekniffen, erzählt es von Schmerz. Ist es strahlend und klar, handelt die Geschichte von Freude.
Blickt es fort, vertraut es dir nicht oder will dich belügen.
Den Blick eines Anderen in unsere Augen zuzulassen fällt so schwer, weil sich hinter unserem Augenpaar im Gesicht noch die tausende Schneckenaugen auf der Haut unserer Seele verstecken, die wie Ähren im Wind nach Gefühlen tasten. Recken sich nach Zuneigung und verstecken sich vor Schlägen.
Und sie fürchten, verletzt zu werden.