Veröffentlicht: 08.06.2023. Rubrik: Unsortiert
Moment für die Ewigkeit
Das Wasser des warmen Sommerschauers, zusammengesammelt im Blätterdach des kleinen Wäldchens, fiel in dicken Tropfen auf die beiden herab. Der Wald roch nach feuchtem jungen Moos und gewaschener Luft. Sie duftete nach Kind auf dem Weg zur Frau. Frisch und zart. Es klatschte nass auf ihre Köpfe und Schultern, das weiße Sommerkleid saugte sich an die Schlüsselbeine des Mädchens und ließ ihre weiche Haut durchscheinen. Sie fuhr sich mit den Fingern durchs dunkle Haar, das sich an ihre Schläfen schmiegte und über ihre Ohren hinweg zu einem nassen Strang im Nacken wurde. Dann blieb sie stehen und drehte sich zu ihm. Niemals danach würde er noch ein weiteres Mal in seinem Leben in so tiefe Augen schauen. Die klare Bläue seines Blickes fiel so tief in ihre warme Bräune, dass er niemals wieder herausfinden würde.
Auf dem ganzen Waldweg waren sie körperlich nur durch ihre verkreuzten kleinen Finger verbunden, die sich wie zwei Kettenglieder untrennbar festhielten. Sie liefen nebeneinander her und plauderten über Musik und ihre Clique. Nun aber schwieg sie und schaute ihn an.
Wie Magnete zog es ihre Lippen aneinander, weich und warm. Stießen sich kurz zurück, um leidenschaftlicher zurück zueinander zu finden. Mit der Spitze ihrer Zunge an seiner schickte das Mädchen die explodierenden Neurotransmitter auf eine wunderschöne Reise. Sie waren vierzehn und dachten an nichts mehr, keine einzige Sorge. Es gab für ein paar Sekunden nur noch ihre gemeinsame Ewigkeit.
Obwohl sie sich in einigen Wochen aus den Augen verlieren, werden sie sich die kleine intensive Erinnerung an ihr gegenseitiges Geschenk für immer teilen. Es niemanden mehr erzählen und ab und zu gerne daran zurück denken. Vielleicht sogar manchmal gleichzeitig.