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4xhab ich gern gelesen
geschrieben von Federteufel.
Veröffentlicht: 28.11.2022. Rubrik: Unsortiert


Eine Steinigung

Schon seit über einer Stunde harrte die Menschenmenge in der brütenden Nachmittagshitze aus. Alle blickten gespannt auf einen völlig kahlen Hügel in etwa dreihundert Meter Entfernung, hinter dem bald die Sonne untergehen würde.
Über dieser kargen Bodenerhebung wurde jetzt eine Staubfahne sichtbar. Kurz darauf erschien ein Eselskarren, geführt von einem Mann mit einem mächtigen Turban. Auf dem Karren stand, in einen schwarzen Hijab gehüllt, eine Gestalt, aufrecht, ja fast starr, nur durch die Stöße des Karrens bewegt. Hinter dem Gefährt schritten zwei bis an die Zähne bewaffnete Kämpfer.
Eine Bewegung ging durch die Menge. Die Bewacher ließen zur Warnung die Verschlüsse ihrer Maschinenpistolen knacken.
Jetzt hielt der Karren. Der Wagenführer sprang auf, band die Frau los und stellten sie zwischen die beiden Kämpfer auf den Boden. Langsam bewegte sich die Gruppe auf die Mitte des Platzes zu. Die Frau strauchelte jeden Augenblick, stieß gegen Steine, stolperte, drohte zu stürzen und musste wieder aufgerichtet werden. Schließlich erreichte sie den Pfahl, sie wurde dort angebunden, offensichtlich, weil sie selbst nicht mehr stehen konnte.
Nun traten vier schwarz gekleidete Männr näher an den Pfahl heran. Die Strahlen der sinkenden Sonne modellierten ihre bärtigen Köpfe mit aller Schärfe. Einer von ihnen, ein graubärtiger Hüne, betete vor, und die anderen drei antworteten mit althergebrachten heiligen Formeln. Nach geraumer Zeit trat der Hühne vor und hielt eine Ansprache.
„Hier steht Taifan, die jüngste Schwester unseres tapferen Kämpfers Gilgit“, rief er mit weit hallender Stimme. „Die Untersuchungen haben ergeben, dass sie sich eines schweren Verbrechen schuldig gemacht hat. Wir haben, wie es das Gesetz des islamischen Gottesstaates verlangt, drei Zeugen befragt, die für sie, und weitere drei, die gegen sie aussagen konnten. Es hat Allah gefallen, dass die Aussagen der Belastungszeugen schwerer wiegen als die der Fürsprecher. Also ist sie schuldig! Sie hat die Reinheit der Umma befleckt, indem sie ihren Körper einem Christen verkaufte!“ Er räusperte sich und spuckte vor Taifan aus. „Diese Frau gehört zu den Tighuti!“ schrie er mit sich überschlagener Stimme, „zu den Verworfenen, zu denen, die des Teufels sind! Diese Frau ist die leibhaftige Beschimpfung aller Menschen, die an Allah glauben!“
Der Graubärtige blickte einen nach dem anderen seiner Genossen an. „Also, worauf plädiert ihr?“ rief er, „welche Strafe schlagt ihr vor? Abdullah?“
„Tod durch Steinigung!“
„Hussein?“
„Tod durch Steinigung!“
„Muhammed?“
„Tod durch Steinigung!“
Der Hüne drehte sich zu den Sitzbänken um. „Und ihr, Männer von Aun!“, rief er auffordernd, „welch Strafe haltet ihr für angemessen?“
Ein Murren ging durch die Reihen, aber es kam keine Antwort.
„Wie? Ihr schweigt?“, schrie der Wortführer außer sich vor Wut, „ihr Feiglinge weigert euch zu antworten? Dann hört jetzt meine Antwort!“ Er gab den Bewachern ein Zeichen, worauf diese das Feuer auf einige Steinquadern in der Nähe eröffneten. Steinsplitter spritzen auf und in die verschüchterte Menge hinein. Frauenstimmen kreischten, hier und da wurden zaghafte Proteste tieferer Stimmen laut.
„Also, Männer von Aun!“ rief der Wortführer erneut, „welche Strafe hat die Hure von Ghazani verdient?“
Immer noch schwiegen die Männer von Aun.
Die Kämpfer feuerten in den Mittelgang hinein. Es war abzusehen, dass die nächste Salve mitten in die Menge hineingehen würde.
„Tod durch Steinigung!“, ertönte es an verschieden Stellen mit zaghaft unsicherer Männerstimme.
Der Große nickte zufrieden. Er drehte sich wieder zu seinen Kumpanen um. „Ihr habt es gehört! Die Männer von Aun haben entschieden. Damit ist die Fatwa rechtskräftig! Tod durch Steinigung! Ich übergebe die Verbrecherin der Strafe Allahs!“
Die beiden Krieger banden Taifan von dem Pfahl ab, versenkten sie bis zum Hals in eine Grube und füllten die Grube mit Sand auf. Jetzt war nur noch Taifans verhüllter Kopf zu sehen.
Der Hüne beugte sich zu dem Kopf nieder und fragte: „Nun, Taifan, bist du mit dem Urteil zufrieden?“
Offensichtlich hatte Taifan die Frage nicht verstanden, denn die erwartete Antwort blieb aus. Der Graubärtige ergriff einen der bereitliegenden Steine und hob ihn hoch.
Ein Stöhnen ging durch die Reihen der Frauen. Die meisten der Zusammengetriebenen blickten entsetzt vor sich auf den Boden; man hatte sie gezwungen, anwesend zu sein, man konnte sie aber nicht zwingen, sich diesem grauenhaften Anblick, der jetzt drohte, auszusetzen.
Taifan hatte die Prozedur bisher ohne einen Laut abzugeben oder den Kopf zu bewegen über sich ergehen lassen. Als der Wortführer den Stein jetzt weiter hob, um ihn auf ihr Haupt niedersausen zu lassen, rief sie mit aller Kraft, die ihr noch möglich war: „John Muller, ich liebe dich!“

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von anschi am 29.11.2022:

Hm, lieber Federteufel - die Nummer mit den Steinigungen "untreuer" Frauen in Indien, Persien, Afghanistan und diversen anderen Ländern! Seit ungefähr dreißig Jahren sind diese Verbrechen gegen die Menschlichkeit Thema nicht nur der weltweiten, um Auflagen bemühten Journaille, sondern gern auch Gegenstand bei Hobbyschriftstellern, die mit reißerischer Betroffenheitslyrik Punkte machen möchten. Natürlich soll und muss man, wo es nur irgend geht, für die persönliche Freiheit und die Unverletzlichkeit nicht nur der Frauen, sondern aller Menschen dieser Welt einstehen. Aber mit grausigen G'schichterln über Grausiges kommt man - hier bei uns - bestimmt nicht in den Literaturhimmel, sondern bleibt auf dem Niveau derer, die bei krassen Unfällen die Rettungsdienste behindern, weil sie mit ihrem Handy filmen müssen, um sich später wichtig damit machen zu können. Natürlich ist das Schicksal zu Tode gesteinigter Frauen ein bedauernswert schreckliches, die reine "Sachdarstellung" aber keinesfalls ein per se literarisches. Vor allem aber ist es keine Gelegenheit, gegen "den Islam" zu hetzen. Gesteinigt wurde - folgt man der Bibel - auch in jüdischen und Christlichen Gemeinden. Das abartige Treiben der Taliban, der iranischen "Sittenpolizei" oder immer noch im Mittelalter lebender Dorfgemeinschaften mit dem Koran zu rechtfertigen, geht fehl - da gibt's ganz andere Hintergründe, die keineswegs religiös sind. Deshalb solltest Du am Ende Dein Gemetzel nicht mit Allah in Verbindung bringen - die Gräuel des Dreißigjährigen Krieges (z. B. der "Schwedentrunk") hatten ja auch nichts mit Jesus Christus zu tun. Liebe Grüße anschi




geschrieben von Federteufel am 29.11.2022:

Hallo Anschi! Herrlich! Da hab ich mich mal wieder in ein gewaltiges Fettnäpfchen gesetzt! War vorrauszusehen, denn hier handelt es sich offenbar um ein Tabuthema, das, wohl aus Angst vor irgendwelchen ausländischen Kräften, von keiner "Journaille" thematiert wird, zumindest nicht in dem Maße, wie es eignentlich sein müsste. Oder ist dort schon jemals eine ausführliche Reportage dazu erschienen? Auch deine Reaktion zeigt, wie prekär dieses Thema ist. Dabei bin ich doch nur der Anregung einer Userin nachgekommen, mehr solcher "heiklen Themen" in diesem Format anzubieten. Du scheinst irgendwie wütend zu sein, wie sonst soll ich deine Polemik gegen so genannte Hobbyschriftsteller verstehen. Ob Hobby oder Broterwerb - wichtig ist doch die Ernsthaftigkeit, mit der man schreibt. Ich will auch in keinen Literaturhimmel gehoben werden. Dieses Forum schien mir besonders geeignet, weil ich denke, dass eine Kurzgeschichte hervorragend geeignet ist, auf knappstem Raum ein Maximum an innerem Erleben zu ermöglichen. Was mich ärgerlich macht ist der Vorwurf, ich hätte gegen den Islam gehetzt! Wer bin ich denn, dass ich mir anmaßen könnte, gegen irgendeine Religion zu hetzen! Und, habe ich irgendeinen islamischen Würdenträger ins makabre Spiel gebracht? Nein! Das sind Typen von der Sorte, die im 30jährigen Krieg, wie du richtig bemerkst, den Schwedentrunk erfunden haben, und die mit den Lehren des biblischen Jesus genauso wenig zu tun haben wie diese Gesellen mit denen des Propheten, und diese Sorte stirbt anscheinend nicht aus. Und warum sollte ich "mein Gemetzel" nicht mit Allah in Verbindung bringen, wenn es im Namen Allahs geschieht? Die meisten Gemetzel der Geschichte wurden doch im Namen irgendeines Gottes geführt, nur der Unterschied ist, dass die vor langer Zeit geschahen, doch "meines" geschieht im 21. Jahrhundert. Während eine Mehrheit der Deutschen Christentum, Judentum, Hinduismus und Buddhismus als bereichernd empfinden, gestehen nur gut 30 Prozent das dem Islam zu. Dabei ist der Islam seit Alters her ein fester Bestandteil der Abendländischen Kultur und hat durchaus bereichernd gewirkt, nur die Wengsten wissen es. Ich habe dazu zwei weitere "Gschichterln" auf Lager, die Klarheit schaffen können. Wär´doch vielleicht mal ganz interessant! Wenn nicht, dann sitz ich hier im falschen Zug. Liebe Grüße Federteufel!




geschrieben von anschi am 29.11.2022:

Lieber Federteufel, Deine Erregung verstehe ich jetzt nicht ganz. Offensichtlich hast Du Dein Ohr nicht am "Puls der Zeit", resp. nicht am Deutschen Boulevard der letzten dreißig Jahre gehabt, sonst wüsstest Du, dass Fälle von "Frauensteinigungen" sofort aufgenommen und von der Journaille größtmöglich aufgearbeitet würden. Nimm Dir nur als Beispiel den bedauernswerten Tod von Mahsa Amini, die soeben von der iranischen "Sittenpolizei" wegen eines "falsch" getragenen Kopftuches umgebracht worden ist - die ganze Welt hat sich darüber zu Recht erregt, und die iranischen Fußballer haben sogar einmal die Nationalhymne nicht mitgesungen. Das, was derzeit im Iran, in Afghanistan und in unseren vier Wänden stattfindet (allein in Deutscheland gab es 2021 insgesamt 113 erfolgreiche "Femizide" und die etwa zehnfache Anzahl von entsprechenden Mordversuchen) hat ebensowenig mit irgendeiner Religion zu tun wie die Gräuel des Dreißigjährigen Krieges oder die Hexenverbrennungen. Die letzte Verbrennung einer deutschen Hexe fand am 11. April 1775 in Kempten statt. Du solltest wenigstens den letzten Satz Deines Elaborates: "Zwei der Kämpfer filmten diese Steinigung und stellten sie später ins Netz, um den Ungläubigen die Schönheit des Islam vor Augen zu führen" streichen. Das ist ganz eindeutig primitive Hetzerei gegen eine Religion, von der Du offenbar nicht die geringste Ahnung hast. Ich wiederhole: Mit Literatur haben solche Schilderungen und Aussagen nichts zu tun. Liebe Grüße anschi




geschrieben von Federteufel am 30.11.2022:

Mit Menschen, die seriöse Berichterstatter verächtlich als "Journaille" bezeichnen, kommuniziere ich nicht weiter. Nur das noch: Der Satz von der "Schönheit des Islam" stammt nicht von mir, sondern von einem der Filmer. Nachzulesen bei Google.




geschrieben von anschi am 30.11.2022:

Niemand hindert Dich daran, lieber Federteufel, die Journaille unserer Regenbogenpresse für seriös zu halten. Nur zu! Wenn Du allerdings "Zwei der Kämpfer filmten diese Steinigung und stellten sie später ins Netz, um den Ungläubigen die Schönheit des Islam vor Augen zu führen" schreibst, unterstellst Du den Tätern religiöse Motive. Kennst Du sie denn näher? Hast Du mit ihnen gesprochen? Haben sie Dir ihre "religiösen Beweggründe" erläutern können? Nein? Woher hast Du denn dann Deine "Informationen"? Aus dem Koran? Sorry, aber mit währschaftem Journalismus oder gar mit "Literatur" hat Dein G'schichterl weniger als gar nichts zu tun: es ist dumpfe Bänkelsängerei, die Völker und deren Religionen aufeinanderzuhetzen versucht. Damit hilfst Du niemandem - den Völkern nicht, den bedauernswerten Frauen nicht, am allerwenigen Dir selbst. Liebe Grüße ...... anschi




geschrieben von Sandra Z. am 02.12.2022:

Ich finde die Geschichte sehr gelungen. Für mich wäre allerdings "Muller, ich liebe dich!" der bessere Schluss gewesen. Den Rest kann man sich denken und jeder Leser kann seine eigene Wertung vornehmen.




geschrieben von Federteufel am 02.12.2022:

Hallo Sandra Z, du hast Recht, weniger wäre hier mehr gewesen. Ich kürze also den Text um die Sätze: Der Wurf war gut gezielt. Taifans Kopf fiel zur Seite und rührte sich nicht mehr. Der Stein hatte sie bewusstlos geschlagen. Ein Frau schrie wild auf: „Mörder!“ und verstummte. Nun griffen auch die anderen Kämpfer zu den Steinen. Innerhalb weniger Minuten war Taifans Kopf nur noch eine breiige Masse. Zwei der Kämpfer filmten diese Steinigung und stellten sie später ins Netz, um den Ungläubigen die Schönheit des Islam vor Augen zu führen.




geschrieben von Christelle am 03.12.2022:

Hallo Federteufel, ich finde diesen Beitrag interessant. Der Inhalt ist grausam, könnte aber so passiert sein.

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