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8xhab ich gern gelesen
geschrieben von Gari Helwer.
Veröffentlicht: 18.10.2022. Rubrik: Persönliches


Der Pferdekauf - oder der Irrtum eines kleinen Mädchens...

Als ich vier Jahre alt war, fuhr ich mit meinen Eltern von Berlin aus zum Urlaub in ein kleines Dorf im Weserbergland. Unser Feriendomizil war eine kleine, von zwei Schwestern geführte, Fremdenpension mit angeschlossener Hühner- und Ziegenhaltung für das leibliche Wohl. Außerdem gab es eine Obstwiese und einen Gemüsegarten - für ein Stadtkind also viel zu entdecken!

Ich freundete mich sogleich mit den Ziegen an, die ich auf der Wiese mit Klee fütterte oder ihnen in den Stall folgte um ihnen Heu hin zu halten. Gerne saß ich auch vor dem großen Hühnerauslauf und beobachtete die Tiere beim Scharren und Picken. Die ländliche Umgebung , die Wiesen, Felder und Weiden faszinierten mich!

Der Höhepunkt des Tages aber war für mich eine vorbei ziehende Kuhherde, von einem Knecht und zwei großen, schweren Arbeitspferden begleitet. Diese bestaunte ich ganz besonders! Jeden Abend lief ich also geschwind zur Straße, sobald ich das Läuten der Glocke, welche die Leitkuh trug, hörte. Bald schon stand ich mit dem Hüter der Tiere in freundschaftlichem Grußverhältnis!

Dann kam der Tag, an dem ich freudestrahlend zu meinen Eltern lief: "Mutti, Vati, der Herr Knecht hat gesagt, morgen darf ich reiten!" Wenn ich zeitig an der Weide wäre, so sollte ich ein Pferd bis zum Stall reiten dürfen! Meine Freude war unermesslich! Glücklicherweise hatte ich geduldige und verständnisvolle Eltern, die mir ihre Begleitung zusicherten...

Selbstverständlich regnete es am kommenden Nachmitttag in Strömen! Ob es zu irgendwelchen Diskussionen meiner Eltern kam, erinnere ich nicht. Jedenfalls standen wir drei in Regenzeug - und ich in freudiger Erwartung - zur passenden Zeit am Weidezaun. Mein neuer Freund erwartete mich tatsächlich und meinem Vater wurde ziemlich mulmig beim Anblick der zwei mächtigen Pferde - so ganz aus der Nähe...

Ich jedoch war hellauf begeistert! Meinen Eltern wurde versichert, dass beide Tiere geduldig und brav seien. Schwungvoll wurde ich auf eines hinauf gehoben und nahm auf dem Pferderücken des Braunen Platz, vor mir der breite, warme Hals, den ich ausgiebig streichelte, was dem Pferd zu gefallen schien! Dann hieß es in die buschige Mähne fassen und fest gehalten - los geht's! Den schaukelnden Ritt, den Geruch des Tieres, das warme Fell, die plötzliche Höhe, in der ich mich befand - all das genoss ich sehr. Nur den eisernen Griff meines Vaters am Pferdehalfter hielt ich für ziemlich überflüssig... Von oben winkte ich meiner Mutter zu!

Das Ganze war ein großartiges Erlebnis für mich - es gibt noch ein Foto von einem strahlenden kleinen Mädchen, das fast im Spagat auf einem riesigen Kaltblüter sitzt, der am Halfter von einem nicht ganz so strahlenden Vater gehalten wird.

Und nun das Nachspiel...

Der Urlaub neigte sich dem Ende zu. Es gab in der Nähe einen kleinen Laden, der Souvenirs anbot. Das Geschäft war ein kleiner Nebenerwerb zur - Landwirtschaft... Im Schaufenster hatten wir schon dies und das einmal betrachtet. Am Tag vor unserer Abfahrt zurück nach Berlin wollte mir mein Vater mir noch etwas Gutes tun und fragte also: " Soll ich dir ein Pferdchen kaufen?"

Ich konnte mein Glück kaum fassen! Stumm nickte ich und wir machten uns auf den Weg, während meine Mutter bereits die Koffer packte. Auf dem Weg kamen mir Bedenken. "Wie wollen wir das Pferdchen denn mitnehmen?" - " Na, im Koffer!" Nun, dachte ich, Vati macht gerne Spaß, wahrscheinlich würden wir es hinten am Auto anbinden, dann könnte es ja mitlaufen! - "Wo kommt es denn zuhause hin?" - "Na, in dein Kinderzimmer!" - Noch so ein Witz. Nun, hinter dem Haus gab es einen kleinen Hof mit einem Baum und einem Stück Wiese. Vielleicht dort?

"Da sind wir schon!", sagte mein Vater. Zielstrebig zog ich an seiner Hand, den Blick auf die Stallungen hinter dem Geschäft - durch ein Tor einsehbar - gerichtet. "Wo willst du denn hin? Wir wollen doch in den Laden!" - Ach ja, bezahlt wird das Pferd sicherlich im Laden und dann holen wir es aus dem Stall...

Dann - die Tragödie!!!

Im Geschäft zeigte mein Vater auf ein kleines weißes Pferdchen, es stand stolz erhoben auf zwei Beinen mit wehender Mähne auf einem braunen Holzsockel, darauf eingraviert der Name des Dorfes. Auf die Frage, ob mir das Pferdchen denn gefiele, brach ich in Tränen aus! unter Schluchzern stammelte ich: "Ich dachte, du kaufst mir ein richtiges Pferd!" - Völlige Fassungslosigkeit bei meinem Vater...

Er kaufte das kleine Plastikpferd dann trotzdem und ich hielt es krampfhaft fest, während er mich schluchzend und schniefend an der Hand zurück zur Pension zog. Mit den Worten: "Da glaubt das Gör doch tatsächlich, ich kaufe ihr ein lebendiges Pferd!", übergab er mich kopfschüttelnd meiner Mutter. "Und ich dachte, ich mache ihr eine Freude!"

Es dauerte eine Weile, bis meine Mutter mir liebevoll dargelegt hatte, dass ein Pferd in einer Etagenwohnung nicht unterzubringen sei und auch der kleine Hof ihm nicht gefallen würde und es dort sicher nur traurig wäre. Was für ein Missverständnis das Ganze! Es war wohl die erste große Enttäuschung in meinem kurzen Leben...

In späteren Jahren haben wir noch oft über den "falschen Pferdekauf" und meinen Irrtum gelacht! Sehr viel später wurde der Traum vom eigenen Pferd dann doch noch war. Das kleine weiße Pferdchen auf seinem Holzsockel aber hat noch heute einen Ehrenplatz in meiner Vitrine! - Wenn ich es betrachte, muss ich lächeln...

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Onivido kurt am 19.10.2022:
Kommentar gern gelesen.
Kann mir die Enttaeuschung gut vorstellen. Die Beschreibung der Ferienatmosphaere erzeugt Sehnsucht nach der "guten, alten Zeit". Gruesse//Onivido




geschrieben von anschi am 19.10.2022:
Kommentar gern gelesen.
Das ist eine wirklich schöne, ehrliche Geschichte, liebe Gari, die sich wohltuend vom hier üblichen Betroffenheits- und Schuldzuweisungs-Gestammel abhebt. Die Liebe, die man zu einem gewaltigen Wesen haben kann, dem man nur scheinbar ausgeliefert ist, wird spürbar. Gut geschrieben! Lg anschi




geschrieben von Weißehex am 19.10.2022:
Kommentar gern gelesen.
Hallo Gari, das ist wirklich eine hübsche Geschichte! Ein Kind hat noch magisches Denken und überlegt nicht wie ein Erwachsener. LG Weißehex




geschrieben von Gari Helwer am 19.10.2022:

Ja, Onivido, damals konnte man sogar noch bunte Feldblumensträuße pflücken... Liebe Grüße




geschrieben von Gari Helwer am 19.10.2022:

Danke für den netten Kommentar, Anschi! LG




geschrieben von Gari Helwer am 19.10.2022:

Freue mich, dass Dir die Geschichte gefällt, Weißehex! Liebe Grüße




geschrieben von Christelle am 20.10.2022:
Kommentar gern gelesen.
Gari, die Geschichte ist wunderschön. Auch die Beschreibung des Fotos mit dem strahlenden kleinen Mädchen auf dem Rücken dieses riesigen Pferdes, das am Halfter vom besorgten Vater gehalten wird, ist dir gelungen. Ich kann mir die Situation gut vorstellen und deine spätere Enttäuschung ebenso gut nachvollziehen, obwohl ich persönlich keine Pferdenärrin bin und auch nicht so gute Erfahrungen mit Pferden gemacht habe. Aber das wäre eine andere Geschichte. LG




geschrieben von Gari Helwer am 21.10.2022:

Danke, Christelle, ich freue mich, dass Dir die Geschichte gefällt! Es war der erste Urlaub, den meine Eltern sich leisten konnten und er hat bei mir viele bleibende Eindrücke hinterlassen. Es war mein erster naher Kontakt zum Leben auf dem Lande (das es in dieser Form heute nicht mehr gibt...)! Liebe Grüße!




geschrieben von ehemaliges Mitglied am 17.12.2022:
Kommentar gern gelesen.
Meine Eltern hatten einen Kleingarten. Im Spätherbst/Winter wurde der Komposthaufen immer angezündet. Einmal habe ich das Feuer sehr zum Mißfallen meiner Eltern, mit dem Wasser des nahen Brunnen, gelöscht. Bis auch sie erkannten, das ein Igel im Haufen schon sein Winterquartier eingerichtet hat. Seine Stachel waren schwarz und angekohlt. Ich durfte ihn, was ich erst sehr viel später verstand, nicht behalten. LG Jürgen

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