Veröffentlicht: 27.06.2022. Rubrik: Unsortiert
Das Neue beginnt! Fortsetzung von Sibylle...
Ich war allein unterwegs. Sybille war zu ihren Eltern gefahren um sich zu verabschieden. Wir trafen uns später wieder. Es war schon dunkel, als ich in Cuxhaven ankam. Kein Mensch zu sehen auf den Strassen. Die Luft war kühl und es roch nach Fisch und Salz. Das Kurheim fand ich sofort und parkte vor der großen Eingangstür. „Na, endlich sind Sie da, die Reise gut überstanden.“ Erschrocken drehte ich mich nach der Stimme um. Vor mir stand ein hagerer, hoch gewachsener Mann, der mich in einem astreinen Hochdeutsch begrüßte. Oje, meine Ohren zitterten, die waren solch harte Töne nicht gewöhnt. „Ich bin der Leiter dieser Einrichtung. Ein Gläschen Wein zur Begrüßung“? „Nein, kein Gläschen, ich bin sehr müde, ein andermal“. Er zeigte mir meine vorläufige Unterkunft und wünschte einen schönen Traum. Ohne auch nur einen Blick auf meine neue Umgebung zu werfen verschwand ich zwischen großen weichen Kissen. Ein lautes Klopfen an der Tür weckte mich aus einem tiefen Schlaf. Ach du meine Güte, schlagartig wurde mir meine Situation bewusst. Das Neue beginnt. Also, vorwärts! „Ja, komme gleich“! rief ich aus meinem warmen Bett und stand zehn Minuten später frisch geduscht im Büro des Kurhausleiters. Ein paar weibliche Wesen, sahen mich vielsagend aus ihren Glubschaugen an. Oje, wer sind die denn. Nach dem sich alle die Hand geschüttelt hatten und auf gute Zusammenarbeit hofften, erinnerte sich mein Magen an Frühstück und eine schöne Tasse Kaffee. In meiner ehemaligen Klinik stand der Kaffee für mich schon bereit. Wo gab es das hier? Meine Frage hörte keiner. Hatten die Norddeutschen ein Sprach- und Hörproblem? Aha, Küche, selber machen, so die Kommandos. Na dann! Die Erzieherin mit der ich mir eine Gruppe teilen sollte, war eine stramme Frau, die mich mindestens um zwei Köpfe überragte. Sie sollte mir zeigen, wie sich hier alles abspielte. Die eisernen Locken auf ihrem Kopf wackelten hin und her, weil sie nach jedem Satz ihre Haarmähne schüttelte als nachhaltige Bestätigung, dass sie alles richtig vermittelt hatte. Sie tanzte um mich herum, musterte mich von hinten und von vorn. Für mein Aussehen interessierten sich die anderen Damen auch, denn die coolsten engen Jeans, dazu Lederclogs mit dicken Sohlen und ein weißes Laiberl auf brauner Haut, erzeugte bei den Nordfrauen Stirnrunzeln. Die Sonne in den Bergen hatte mein Gesicht schon vor gebräunt, meine blonden halblangen Haare waren zusammengebunden und ein lustiges Schwänzchen pendelte hin und her. Das tägliche Bergtraining in den Alpen hatte meinen Körper muskulös und absolut beweglich gemacht. Kein Gramm zu viel, alles echt. Ja, man konnte sich sehen lassen, schon ganz nett zum Kennenlernen, wenn da nicht die Augen mit dem stahlharten Blick einen anderen Eindruck vermittelten. Sibylle war eingetroffen. Lederschuhe mit dicken Strümpfen, halblange Lederhosen. Sie sah aus, als käme sie von einer Bergtour zurück. Unsere Begrüßung war so herzlich, als hätten wir uns jahrelang nicht gesehen. Beide waren wir froh, etwas Bekanntes neben sich zu haben. Endlich Zeit für frische Semmeln und einer Riesentasse Kaffee, die wir auf den Kurhausstufen sitzend mit großer Langsamkeit und ohne viel Worte schlürften. Ein eigenartiges Gefühl breitete sich aus, und jeder von uns spürte einen Hauch von Schicksal, der sich prickelnd auf uns niedersetzte.