Veröffentlicht: 08.06.2022. Rubrik: Unsortiert
Das Besserwisser-Alphabet
Unerträglich besserwisserische, oberlehrerhafte Bemerkungen zu fast allem unter der Sonne. Viel Spaß beim Lesen.
Akzent hat mehrere Bedeutungen; eine davon betrifft die Aussprache von Fremdsprachen. Sofern man die Zweitsprache nicht schon sehr früh erlernt hat oder extrem sprachbegabt ist, wird man den Akzent der Muttersprache fast nie ganz los. Der deutsche Akzent beim Englischsprechen besteht hauptsächlich 1.) aus der fehlerhaften Aussprache von Lauten, die es im Dt. nicht gibt, 2.) aus der Beibehaltung der Auslautverhärtung (im Engl. bleiben stimmhafte Konsonanten wie b,d,g auch am Wortende stimmhaft, während sie im Dt. dort wie p,t,k ausgesprochen werden) und 3.) aus der Beibehaltung des „Knacklauts“ vor vokalisch anlautenden Silben (im Engl. wird stattdessen immer „gebunden“, sodass „an apple“ wie „a napple“ klingt).
Birthday. Warum Happy Birthday so ein Erfolg wurde, darüber kann man nur spekulieren. Einen „fröhlichen Geburtstag“ zu wünschen ist ein bisschen wenig angesichts der Tatsache, dass das neue Lebensjahr 364 oder 365 weitere Tage umfasst. Wie viel besser ist da der bretonische Geburtstagswunsch Deiz-ha-bloaz laouen dit/deoc’h = „Dir/Ihnen einen fröhlichen Tag und ein ebensolches Jahr“!
Chantal ist in Deutschland – ebenso wie Kevin – zum Inbegriff des „Prollnamens“ geworden, aber dafür kann der Name nichts. Richtig ausgesprochen ist es ein schöner französischer Vorname. Wenn allerdings eine Mutter in einem Streichelzoo ihr Töchterchen auffordert: „Schantall, mach datt Mäh ma ei“, dann können einem alle vier leidtun – die Mutter, die Tochter, der Name und das Tier.
Düsseldorf war einmal ein Dorf am Flüsschen Düssel und hat es versäumt, sich rechtzeitig umzubenennen. Inzwischen ist es die Landeshauptstadt von Nordrhein-Westfalen, doch sein Name ist noch immer Düsseldorf. Und es kommt noch schlimmer. Im umlautlosen Ausland, das auch die Schreibweise ‚ue‘ für ‚ü‘ oft nicht kennt, wird aus der Stadt ein Dussel-Dorf… Selber schuld! (Ist übrigens mein Geburtsort.)
England wird manchmal als Synonym für das Vereinigte Königreich benutzt, was sehr gefährlich sein kann. Einen Waliser, Schotten oder Nordiren „Engländer“ zu nennen, ist noch schlimmer, als einen Bayern als Preußen zu bezeichnen, sofern es überhaupt schlimmer geht.
Frauchen / Herrchen. Nette Bezeichnungen für Hundebesitzer, die leider durch Mama/Papa verdrängt werden. Ein Tier muss immer ein Tier bleiben! Die „Mama“ eines Wauwaus ist die Hündin, die ihn geboren hat. Seine menschliche Besitzerin ist sein Frauchen.
Gelobtes Land. Wird meist im Sinne von „gepriesenes Land“ verwendet: „Diese Insel ist das gelobte Land europäischer Touristen“. Ein Missverständnis! Der Ausdruck hat nichts mit „loben“ zu tun. Er stammt aus der Bibel, wo Gott dem Abraham ein neues Land „gelobt“ (verheißt).
Hymne. Im Deutschen ist damit meistens die Nationalhymne gemeint. Dagegen bedeutet hymn im Englischen „Kirchenlied“. „Nationalhymne“ heißt auf Englisch National Anthem.
in oder auf? Bei Ländern sagt man: ich bin in Deutschland, Frankreich usw. Bei Inseln: ich bin auf Sylt, Mallorca usw. Was aber sagt man bei Inseln, die gleichzeitig souveräne Staaten sind? Größere sieht man als Staat: im Vereinigten Königreich. Kleinere dagegen müssen damit leben, von der Mehrheit der Ausländer als Insel empfunden zu werden: auf Malta. Tipp: Verwenden Sie in, wenn Sie mit einem Bürger eines kleinen Inselstaates reden. Er wird Sie dafür lieben.
J. Dieser Buchstabe wird je nach Herkunftssprache unterschiedlich ausgesprochen. Wenn also Eltern ihre Drillingstöchter Julia, Jeanne und Jennifer nennen wollen, so sollten sie bedenken, dass nur im ersten Fall das J deutsch ausgesprochen wird. Im zweiten Fall wird es französisch ausgesprochen (weiches sch) und im dritten englisch (d + weiches sch). Besser andere Namen wählen!
Katzen sind die einzigen Haustiere, für deren Nachwuchs es im Deutschen kein eigenes Wort gibt. Neuerdings behilft man sich mit dem englischen Ausdruck Kitten. „Katzenwelpen“ ist falsch, denn als Welpen werden nur junge Hunde (sowie manchmal auch junge Füchse usw., aber keine Katzen) bezeichnet.
Land bezeichnet im Deutschen meist einen Staat, manchmal jedoch auch ein Bundesland und zu guter Letzt auch eine Region. Bei einem Staat, dessen Name auf -land endet, fehlt der Artikel: „in Finnland“. Mit Artikel dagegen stehen Regionen: „im Rheinland“, und bei Bundesländern ist es mal so, mal so: „in Rheinland-Pfalz und im Saarland“.
Maria als biblischer Name existiert in unzähligen Sprachvarianten: Mary, Marie, Marija und so weiter. In Wirklichkeit jedoch hieß die Mutter Jesu Mirjam. Vielleicht wären die späteren Judenverfolgungen zu vermeiden gewesen, wenn man den Personen des Neuen Testaments ihre jüdischen Namen belassen hätte, sodass Christen sich von Anfang an der jüdischen Wurzeln ihres Glaubens bewusst gewesen wären.
NRW. Diese Abkürzung für das Bundesland Nordrhein-Westfalen ist ein Anglizismus (von „North Rhine-Westphalia“), denn nach deutschen Abkürzungsregeln müsste es NW heißen. Was übrigens ebenfalls falsch ist, auch wenn es optisch besser wirken mag: Im N(R)W-Wappen fließt der Rhein von links unten nach rechts oben, während er in Wirklichkeit von Südosten nach Nordwesten – also umgekehrt – durch den Landesteil Nordrhein strömt.
Oma / Opa. Der Mensch hat zwei Großelternpaare, und hiesige Kinder stehen vor dem Problem, sie sprachlich auseinanderzuhalten. Dänen zum Beispiel sind da besser dran: „mormor“ (Mutters Mutter), „morfar“ (Mutters Vater), „farmor“ (Vaters Mutter) und „farfar“ (Vaters Vater). Kann man leider nicht ins Deutsche importieren, da die Wörter zu lang wären. Also müssen wir uns weiter mit Lösungen wie „Oma Bochum und Oma Wuppertal“ behelfen.
Pippi Langstrumpf, die Kinderbuchreihe der Schwedin Astrid Lindgren, wurde in 77 Sprachen übersetzt, und in den allermeisten Versionen wurde der Name Pippi beibehalten. Schon vor mehreren Jahrzehnten wurde in einem walisischen Zeitungsartikel kritisiert, dass der Name nicht geändert worden sei, trotz seiner Toiletten-Assoziationen. (Woraus man entnehmen kann, dass Pipi auch im Walisischen na-Sie-wissen-schon-was bedeutet.)
Queen scheint fast ein deutsches Wort geworden zu sein, denn während Zeitungen anderer Länder „die britische Königin“ schreiben (natürlich in der jeweiligen Sprache), ist Elizabeth II. für deutsche Medien kurz und bündig „die Queen“. Wenn ihr irgendwann Sohn Charles oder sogar Enkel William auf den Thron folgt, wird es interessant: Ob die hiesige Presse dann „der King“ schreibt?
Relativ. Einsteins Relativitätstheorie kann ich Ihnen leider nicht erklären, aber zumindest kenne ich einen umwerfend einleuchtenden Satz, mit dem man den Begriff relativ erläutern kann. Er stammt von einem alten Lehrer, den ich in meiner Jugend kannte: „Drei Haare auf dem Kopf sind relativ wenig, drei Haare in der Suppe sind relativ viel!“
Sorgen für bedeutet im Allgemeinen „fürsorglich behandeln“: „Sie sorgt für ihre Kinder“. Merkwürdigerweise kann es aber auch „verursachen“ bedeuten, sogar wenn Negatives dabei herauskommt: „Das Gewitter sorgte für zahlreiche Unfälle“. Letzteres ist aber vermutlich Zeitungssprache, denn ich habe noch niemanden so reden hören.
Thou entsprach im Frühneuenglischen dem heutigen deutschen du, während you dem heutigen deutschen Sie entsprach. Im Neuenglischen gibt es (abgesehen von Dialektformen) nur noch you. Wenn man also behauptet: „Im Englischen duzen sich alle“, so ist das sprachgeschichtlich gesehen falsch. Richtiger wäre zu sagen, dass sich im Englischen alle siezen!
Unlogik beim Dichten. Wenn einen Dichter die Muse küsst, bleibt die Logik leider manchmal auf der Strecke. Beispiel: Gleich zwei Weihnachtslieder beginnen mit der Zeile Ihr Hirten erwacht. Das impliziert ja, dass sie vorher geschlafen haben, anstatt ihre Schafe zu hüten!
Veilchen sind Blumen der Gattung Viola. Im ersten Wort wird das V wie ‚f‘ ausgesprochen, im zweiten wie ‚w‘. Grundsätzlich gilt für die Aussprache von V: bei deutschen Wörtern = f, bei Wörtern fremdsprachlichen Ursprungs = w. Jedoch hat sich bei vielen ursprünglichen nichtdeutschen Begriffen, die seit langem in Deutschland verwendet werden, die f-Aussprache neben der korrekten w-Aussprache eingebürgert, z.B. bei „evangelisch“.
Waliser (mit einem ‚l‘) sind das Volk von Wales (seltsamerweise gibt es für das Land keinen deutschen Namen, anders als bei Schottland oder Irland). Dagegen bezieht sich Walliser (mit zwei ‚l‘) auf den Schweizer Kanton Wallis.
x und y werden in Gleichungen mit zwei Unbekannten verwendet. Dies soll an dieser Stelle genügen und Ihnen zeigen, dass selbst einer Besserwisserin wie mir nicht alles bekannt ist.
Zwanzigeins ist ein im Jahr 2004 gegründeter Verein, der sich dafür einsetzt, dass im Deutschen neben der herkömmlichen Zahlensprechweise („ein-und-zwanzig“) auch die Sprechweise „Zehner vor Einer“ etabliert wird. Auch wenn seine Argumente zum Teil durchaus einleuchtend sind, wird er vermutlich daran scheitern, dass Sprache sich nur sehr, sehr schwer verändern lässt. Die Trägheit des Menschen…
…darf jetzt, nachdem wir zum Ende des Alphabets gelangt sind, auch uns überwältigen. Danke fürs Lesen!!!