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1xhab ich gern gelesen
geschrieben von Weißehex.
Veröffentlicht: 25.03.2018. Rubrik: Historisches


Brigitte

Diese Geschichte gehört zu einem Geschichtenkranz rund um "Matze, das Findelkind" (nicht chronologisch geschrieben. Matze taucht als Baby und als Jugendlicher auf sowie handeln einige Geschichten von seinen Adoptiveltern, noch ehe sie ihn bei sich aufnehmen):

Dazu gehören folgende, auch hier eingestellte Geschichten:
Matzes Mutter
Das Findelkind
Ergebnisse liegen vor
Hugos Freundin
Weihnachten mit Hugo


Februar 1962

Wieder nichts. Oder besser gesagt: Wieder viel, viel zu viel Blut, um zu glauben, es könnte sich um irgend etwas anderes als den ganz normalen monatlichen Vorgang handeln, verbunden mit einem Ziehen im Unterleib, mal mehr, mal weniger, nichts Besonderes und doch etwas, das Brigitte Kander jeden Monat mehr seelische als körperliche Schmerzen bereitete. Andere Frauen wünschten sich ein Kind und bekamen dann auch eines. Brigitte wünschte sich ein Kind und bekam keines. Seit nunmehr drei Jahren war es jeden Monat dasselbe: Warten, Hoffen, Enttäuschung. Sie sah im Badezimmer in den Spiegel: Ihr kleines, ovales Gesicht, das von blonden kurzen Haaren umrahmt wurde, sah unglaublich traurig aus.
"Jetzt fang bloß nicht an zu heulen!" sagte sie halblaut zu ihrem Spiegelbild, aber es nutzte nichts. Die blauen Augen füllten sich mit Tränen und obwohl sie es eigentlich gar nicht wollte, schluchzte sie laut auf. Warum war das Leben so ungerecht? Sie konnten einem Kind doch viel bieten: ein schönes Zuhause, in dem es sich wohlfühlen würde und genug Geld, um es zu versorgen. Herbert sorgte, seitdem sie verheiratet waren, jeden Monat für ein gesichertes Einkommen, das für sie beide reichte und auch reichen würde, wenn sie zu dritt waren. Ihr Mann arbeitete als Maurer und hatte es im letzten Jahr bis zum Polier geschafft. Er war stolz darauf, der Ernährer zu sein und wollte nicht, dass auch Brigitte arbeitete.
"Meine Frau hat es nicht nötig, arbeiten zu gehen", hatte er einmal einem gemeinsamen Freund erklärt, dessen Frau es sich in den Kopf gesetzt hatte, arbeiten zu wollen.
"Ich verdiene genug und es wäre sowieso Unsinn. Schließlich arbeiten wir mit Hochdruck an etwas viel Wichtigerem", hatte er dann augenzwinkernd hinzugefügt. Brigitte hatte nichts dagegen einzuwenden gehabt. Sie wollte sich sowieso voll und ganz einem Kind widmen, wenn es erst einmal da wäre und verspürte gar keinen großen Drang danach, unbedingt arbeiten zu wollen. Und sie konnten sich auch allein von Herberts Gehalt einiges leisten. Im Wohnzimmer stand ein Fernseher und Herbert fuhr im eigenen Auto zur Arbeit. Aber was waren alle diese weltlichen Güter gegen das Glück, ein eigenes Kind zu haben?

Sie hatte sich gerade das Gesicht gewaschen und war dabei, neues Make-Up aufzulegen, als es an der Haustür klingelte. Das würde ihre Freundin Ulla sein, sie hatten sich für den Nachmittag verabredet, um ins Café zu gehen. Brigitte öffnete die Tür, während sie in Gedanken versuchte, irgendeine Ausrede zu erfinden, um nicht mitgehen zu müssen. Doch gegen Ulla kam sie wie immer nicht an. Ihre quirlige Freundin stand mit einem Lächeln auf den Lippen und in bester Laune vor ihr.
"Komm, wir gehen ins Café Schickers", schlug sie vor, "ich habe es mal geschafft, pünktlich um vier Feierabend zu machen, das müssen wir ausnutzen", und ehe Brigitte sich versah, waren sie dorthin unterwegs, wobei Ulla die ganze Zeit unentwegt plapperte. Erst als sie im Café ihre Plätze eingenommen hatten, schien Ulla sich zu erinnern, dass vielleicht auch Brigitte etwas zu sagen hatte.
"Was gibt es denn bei dir Neues?"
Brigitte lächelte traurig. "Leider gar nichts. Ich habe heute meine Periode bekommen. Und ich dachte, diesmal hätte es endlich geklappt."
"Oh", sagte Ulla, etwas lahm, wie Brigitte fand. Aber für Ulla ging ihre Arbeit über alles; für sie wäre eine Schwangerschaft eine mittlere Katastrophe gewesen, obwohl sie auch schon seit zwei Jahren verheiratet war.
Die Tür des Cafés öffnete sich und eine junge Frau schob einen Kinderwagen ins Café. Brigitte gab der Anblick einen Stich.
"Wie lange versucht ihr es denn jetzt schon?" fragte Ulla.
"Seit 3 Jahren."
Brigitte sah in ihre Kaffeetasse, um die junge Mutter mit dem Kinderwagen, die am Tisch gegenüber Platz genommen hatte, nicht ansehen zu müssen.
"Dann stimmt doch etwas nicht", sagte Ulla. "Vielleicht kann Herbert keine Kinder zeugen.'
"Quatsch!" Aber in dem Moment, als sie es sagte, kamen ihr schon Zweifel. Wenn es nun wirklich so war?
"Ich glaube, ich werde mit Herbert darüber sprechen", sagte sie dann nach einer kurzen Pause. "Vielleicht sollten wir uns beide testen lassen."
"Ja, macht das!" Ulla nickte bekräftigend mit dem Kopf. "Und wenn es tatsächlich nicht geht - dann gibt es noch die Möglichkeit, ein Kind zu adoptieren."
Daran hatte Brigitte noch nicht gedacht. Sie beschloss, darüber auch vorerst zu Herbert nichts zu sagen. Es würde schon schwer genug sein, ihn davon zu überzeugen, sich testen zu lassen.
"Mal sehen", sagte sie daher ausweichend zu Ulla und auf einmal hatte sie es sehr eilig, nach Hause zu kommen.

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