Veröffentlicht: 14.07.2020. Rubrik: Unsortiert
Der Mann am Strand Teil 5
„Wie haben Sie sich denn kennengelernt?" fragte Fernandes.
„Wir haben uns schon immer gekannt. Er war mein Seelenverwandter", antwortete Cristina.
„Was meinen Sie damit?" Fernandes runzelte die Stirn. „Sie müssen sich doch irgendwann kennengelernt haben."
„Das war gar nicht nötig. Jaques war schon immer in meinen Gedanken, in meinem Kopf, in meiner Seele. Er hat mich so geliebt.... "
Cristina schluchzte noch einmal kurz auf. „Ich war sein Leben. Das weiß ich ganz genau."
'Sie ist betrunken', dachte Fernandes, der aus dem Gestammel nicht schlau wurde. Jacques und Cristina hatten sich - nach Giacomos Worten jedenfalls - noch niemals gesehen. Was sollten also diese Übertreibungen?
„Er hatte sich auf den Weg gemacht, um mir einen Heiratsantrag zu machen", sprach Cristina weiter. „Das hat er mir natürlich nicht gesagt, es sollte ja eine Überraschung sein. Aber ich konnte in Jaques lesen wie in einem Buch. Weil ich wusste, was er vorhatte, wollte ich den Termin beim Standesamt schon machen, aber die meinten, Jaques müsste noch seine Papiere vorlegen. Das habe ich ihm dann auch gesagt."
Die beiden Beamten schwiegen. Fernandes fiel ein, dass Jacques' Papiere - sofern er überhaupt welche dabei hatte, denn Giacomo hatte sie seinen Angaben zufolge nicht gesehen - bis jetzt nicht gefunden worden waren. Aber er hielt es für nicht ratsam, Cristina darauf hinzuweisen.
Cristina wandte sich an Fernandes. „Sie kennen sich doch aus. Wenn man vorhatte zu heiraten und dann stirbt der Bräutigam - hat man da nicht Anspruch auf eine Witwenrente?"
Fernandes fiel der Unterkiefer herunter.
„Die ist ja total übergeschnappt", sagte Silva, als sie eine Stunde später wieder auf der Straße standen. Die Sonne brannte heiß vom Himmel und Silva wischte sich mit einem Taschentuch die Stirn ab.
„Entweder das oder geldgeil." Fernandes grinste.
„Selbst wenn sie diesen Unsinn mit der Witwenrente durchsetzen könnte - was ja sowieso unwahrscheinlich ist, weil sie niemals verheiratet waren - sie glaubt doch nicht im Ernst, dass bei diesem armen Schlucker viel zu holen war?" Silva schüttelte den Kopf. „Wenn Sie mich fragen, die war entweder besoffen, zugekifft oder beides. Oder ganz einfach verrückt."
Ehe Fernandes antworten konnte, klingelte sein Handy. Seine Sekretärin teilte ihm mit, dass sich eine angebliche Verwandte von Jaques aus Frankreich gemeldet habe. Gestern Abend hatten sie den Fall an die internationale Presse weitergegeben. Fernandes atmete auf. Er hatte sich bei dem Gedanken, dass der Verstorbene nicht in seiner Heimat beigesetzt werden konnte, nicht wohlgefühlt. Verwandte würden ihn mitnehmen können, sobald die Gerichtsmedizin ihn freigab.
Miguel betrachtete den nassen Rucksack. Er hatte ihn auf den Boden gelegt und überlegte seit 10 Minuten, ob er ihn öffnen sollte. Einerseits wollte er nichts Unappetitliches zutage fördern. Andererseits war seine Neugier geweckt. Warum warf jemand einen Rucksack in seinen Teich? Er hob ihn hoch und schnupperte daran. Er roch nach gar nichts. Ein wenig nach nasser Katze, dachte er und erschrak sich. Da hatte doch nicht etwa jemand neugeborene Katzen im Rucksack ertränken wollen? Hastig riss er den Reißverschluss auf. Er musste zweimal hinschauen. Und stand dann wie vom Donner gerührt da.
Im Rucksack befanden sich mehrere Bündel Geldscheine, ordentlich gewickelt. Allerdings so mit Wasser durchzogen, dass sie wohl verdorben waren.
„Merda!" fluchte er laut.
Fortsetzung folgt