Veröffentlicht: 26.07.2023. Rubrik: Unsortiert
Das Zepter
Wenn jemand denkt, dass man in Deutschland im 21. Jahrhundert keine Abenteuer mehr erlebt, der möge diese Geschichte lesen.
Das Zepter
Irgendwann lag dieser Brief im Briefkasten, Absender Kanzlei Eckart & Tammheim aus Hamburg.
Wie ich mit allen meinen Briefen verfuhr, legte ich ihn erst einmal ungeöffnet auf den Küchentisch. Ich musste mich erst mental darauf vorbereiten.
Ja, ich höre sogleich die Mahner, denke an die Zurückweisungsfristen. Lasse die wertvolle Zeit nicht ungenutzt verstreichen.
Sie haben tatsächlich alle Recht. Aber sie können mir mal den Buckel hinunter rutschen.
Noch am selben Abend, im Fernsehapparat lief so ein langweiliger Tatort, öffnete ich den Brief doch.
An der Vielzahl der Krimis, die im deutschen Fernsehen laufen, muss es in unserem Land nur Kriminelle, Mörder und Psychos geben. Als gebe es gar nichts anderes.
Anton, ein weitläufiger Onkel von mir, den ich noch nie in meinem Leben gesehen hatte, war 97jährig verstorben.
Dr. Eckart, ein Anwalt war mit dem Nachlass meines Onkels beauftragt und forderte mich auf, nach Hamburg, in seine Kanzlei zu kommen, um der Testamentseröffnung beizuwohnen.
Nun gut, bis zu dem Termin waren es noch ein paar Tage hin.
Meinem Partner schrieb ich eine Email, dass ich in der nächsten Woche für zwei Tage nicht an unserem Projekt mitwirken kann.
Im Anschluss kramte ich Vaters alten Familienstammbaum heraus, den er in mühevoller Kleinarbeit zusammengetragen hatte.
Vater hatte wirklich zu jedem Familienmitglied einen Text niedergeschrieben.
Anton war sein Leben lang allein geblieben, hatte keine Frau oder Lebensgefährtin gehabt und soweit bekannt war, auch keine Kinder.
In seinen jungen Jahren und im mittleren Alter fuhr er zur See und brachte es bis zum 1. Offizier in der Handelsflotte.
Dann gab es über 10 Jahre hinweg eine Funkstille. Er war gänzlich von der Bildfläche verschwunden.
Zur Jahrtausendwende tauchte der alte Mann wieder auf und hatte sogar mit meinem Vater einen regen Schriftverkehr unterhalten.
Anton hatte im Vorfeld einige seiner alten Quellen kontaktiert, um meinen Vater ausfindig zu machen.
Er wollte von meinem Vater alles wissen, nachdem er mitbekommen hatte, dass Vater im Krieg von Tante Alba aufgenommen und später auch adoptiert worden war.
Zu einem Treffen der Beiden ist es wohl nicht mehr gekommen, weil mein Vater leider viel zu früh verstorben war. Und meine Mutter hatte nicht mal so die Möglichkeiten, schnell mal nach Hamburg zu reisen.
#
Die Kanzlei lag in der Hafencity.
Dr. Eckart war so ein aalglatter, schmieriger Standardtyp eine Anwalts, der klassische Danny-de-Vito-Verschnitt.
Das ganze Gegenteil zu ihm war die Anwaltsgehilfin, die mir ein freudiges "Wow" über die Lippen huschen ließ.
Sie war ca. 1,70 Meter groß, mit feurigen braunen Augen, wohlgeformten Brüsten und einer atemberaubenden Figur. Ihre schlanken Beine wurden durch hautfarbene Absatzschuhe um gefühlt einen Meter verlängert. Frauen dieses Kalibers lassen Männerfantasien wahr werden.
Natürlich hatte sie das gehört und zwinkerte mir zu.
"Darf ich ihnen einen Kaffee anbieten?", fragte sie.
"Ja", antwortete ich. "Bitte heiß, weiß, ohne Zucker."
"Heiß?", wieder schmunzelte sie.
"Beeilen sie sich!", rüpelte Eckart sie an.
Offenbar kannte er derartige Szenen bereits zur genüge.
Sie klapperte davon.
Der Anwalt holte einen Hängeordner und entnahm die innen liegenden Dokumente.
"Sie sind also Herr Ritter?", vergewisserte er sich. "Jörg?"
"Richtig", antwortete ich und legte ihm meinen Personalausweis als Nachweis auf den Tisch. "Ich bin Jörg Ritter höchstpersönlich!"
"Gut. Der alte Herr hat offenbar ihren Vater sehr gemocht. Als er mich vor einem Jahr mit der Ausfertigung seines Testaments betraute, sagte er zu mir, dass er ihren Vater das letzte Mal als Baby im Jahr 1943 gesehen hatte. Er fühlte sich schuldig, dass er sich damals im Krieg so feige aus dem Staub gemacht hatte und die Familie auf der Flucht allein gelassen hatte. Ihr Vater, der von allen Kindern aus der Familie, aus seiner Sicht im Osten Deutschlands die schlechteste Zukunftsprognose hatte, sollte sein gesamtes Vermögen, das Haus, das ersparte Vermögen und wertvollen Schmuck erben. Und nun Herr Ritter sitzen sie in meiner Kanzlei, um das Erbe ihres Vaters anzutreten. Ihre Schwester Susann hatte auf ihren Erbanteil bereits schriftlich verzichtet."
Typisch Susann, sie hätte mir ja auch mal was sagen können. Aber so ist sie eben, wenn sie nicht aus ihren Cocon heraus sehen will, dann will sie nicht.
Die Anwaltsgehilfin brachte den Kaffee.
Sie beugte sich mit ihrem Oberkörper soweit vor, dass ich unausweichlich in ihre Bluse schielen musste, bis tief zum Bauchnabel.
Wieder lächelte sie verführerisch.
Und wieder stöckelte sie davon.
Ich trank genüsslich den Kaffee. Er war genau wie ich ihn mag, stark, heiß und weiß.
„Ich schaue mir den Nachlass an und gebe ihnen bis morgen Vormittag ein Rückmeldung, ob ich das Erbe von Onkel Anton antreten möchte“, sagte ich abschließend.
„Das geht in Ordnung.“
Er nahm den Hörer des Tischtelefons. „Cynthia, gehen sie bitte zum Tresor und holen sie die Schlüssel für Herrn Ritter. Danke“
Der Hörer krachte in die Gabel zurück.
Ich dachte bei Cynthia sofort an Cindy aus Marzahn. Bei diesem Namen kannst du doch die Sektkorken knallen lassen. Da wird man von der Mehrheit gleich als Blemmblemm abgestempelt.
„Herr Ritter, dann sind wir für heute fertig. Sie melden sich also morgen?“
„Ja, das tue ich, Herr Dr. Eckart.“
Mit seinen dicken Wurstfingern reichte er mir eine Visitenkarte hin. Ich verabschiedete mich und verließ das Büro. Und landete direkt im Vorzimmer bei Cynthia.
Die Anwaltsgehilfin hatte den Auftrag bereits ausgeführt und erwartete mich. Sie ließ den Schlüsselbund um den Zeigefinger kreisen, händigte diesen jedoch sofort an mich aus.
„Bis später.“, zwinkerte sie mir schelmisch zu.
Bis später, was meinte sie damit? Sicher war das wieder so eine Floskel.
Ich verließ die Kanzlei.
Unten laß ich die Adresse auf dem Schlüsselanhänger. Das geerbte Haus war in Övelgönne, der sogenannten Kapitänssiedlung, gar nicht weit weg von hier.
Bevor ich aber dahin aufbrach, aß ich einen dicken Fischburger und trank dazu ein alkoholfreies Radler.
Im Anschluss fuhr ich mit meinem Citroen Nemo nach Övelgönne.
#
Das Haus war für einen 97jährigen erstaunlich modern eingerichtet. Von außen war es in einem frischen Weiß angestrichen und die großen Flügelfenster im maritimen Blau.
Die Zimmer im Inneren waren nicht anders. Sie waren übersichtlich ausgestattet und mit weißem oder hellgrauem oder hellblauem Mobiliar eingerichtet.
Alles hatte seine Ordnung und wirkte aufgeräumt.
Wenn ich dagegen die Ordnung von Kerstin (meiner Frau) und mir so verglich, dann lebten wir wie in „Willy Schwabes Rumpelkammer“.
Der alte Mann hatte Geschmack und war offenbar bis zum letzten Tag seines Lebens fit und mobil.
Ich beschloss, den Tag im Haus zu verbringen und bezog das Bett mit frischer Bettwäsche aus dem Schlafzimmerschrank.
Antons Bettwäsche steckte ich in die Waschmaschine, er war ja nicht im Haus verstorben.
Ihm ging es an seinen letzten Tagen nicht so gut, so dass er den Notarzt angerufen hatte, welcher ihn am Ende mit der schnellen medizinischen Hilfe ins Krankenhaus transportierte. Noch am selben Tag verstarb er in Frieden.
Danach reinigte ich mit dem Staubsauger alle Räume und ließ mich nach getaner Arbeit ins Sofa fallen.
Nach einem kleinen Nickerchen wollte ich das Haus unter die Lupe nehmen.
#
Wer klingelte da an der Haustür?
Ich hatte gerade den Anruf mit meiner Frau Kerstin beendet und ihr meinen heutigen Tagesablauf geschildert.
Draußen dämmerte es bereits.
Ich staunte nicht schlecht, dass Cynthia an der Haustür stand.
Sie hatte über ihre Bürokleidung einen luftigen Mantel angezogen und ihre Absatzschuhe gegen flache Schuhe getauscht. Das war dem Umstand geschuldet, dass sie mit dem Fahrrad hier aufkreuzte.
Ansonsten sah sie immer noch umwerfend aus.
Und sie schaute mich wieder so an wie eine Einladung zum….
„Wollen Sie mich nicht mal kurz zu sich hereinlassen? Ich habe da noch was für sie.“
"Was denn?“
„In meiner Handtasche habe ich noch einen Zweitschlüssel des Hauses hier.“
Ich runzelte die Stirn.
Über ein Viertel Jahrhundert war ich mit Kerstin glücklich verheiratet und hatte in all den Jahren noch nie den Bedarf, mit einer jüngeren Frau anbandeln zu müssen.
Gut, ich hatte auch Flirts mit Frauen aus dem Bekanntenkreis. Aber nie ist es zu intimen Handlungen gekommen.
Aber heute und hier, so musste ich gestehen, hatte ich große Lust mich auf ein Abenteuer einzulassen.
„Kommen sie kurz rein“, sagte ich, schaute aber in die Runde, dass die Nachbarn nichts davon mitbekommen.
In meiner Heimat wohne ich in einem kleinen Dorf und da bleibt ein Frauenbesuch nicht lange verborgen.
Sie trat ein, zog im Korridor den Mantel und die Schuhe aus. Ich nahm einen sinnlichen Parfümduft wahr.
Nachdem sie den Inhalt ihrer Handtasche auf dem Telefontisch ausgeschüttet hatte, kam auch wirklich ein zweiter Schlüssel zum Vorschein.
„Darf ich ihnen das Haus zeigen?“, fragte ich.
Ein früherer Kollege hat mir mal einen Tipp gegeben wie er Frauen herumkriegt, die in seiner Wohnung landen.
Er zeigte ihnen erst alle Zimmer und zum Abschluss das Schlafzimmer.
Diese Strategie wollte ich heute bei Cynthia anwenden.
Was sollte ich sagen?
Als Cynthia so nackt vor mir stand, verschlug es mir die Sprache.
An Ihrem Körper war nicht ein Gramm zu viel, kein Speckröllchen, nichts. Alles war glatt, fest und straff.
Sie hatte von der Sache her die Idealmaße einer Frau: 100-60-90, so wie ich Frauen seit meinen Jugendträumen vergöttere.
Ehe ich wieder unsicher werden würde und mich das schlechte Gewissen mahnte, küsste ich sie heftig und streichelte den prallen Busen.
Sie bekam Gänsehaut.
Langsam ließen wir uns ins Bett sinken.
#
Am Ende war ich über mich überrascht, was ich noch für einen Power in mir aktivieren konnte. Und das mit meinen beinahe fünfzig Lenzen. Es war sensationell und ich bereute gar nichts.
Sie schlief neben mir, zumindest hatte ich diesen Eindruck, als ich kurz unter die Dusche ging.
Zwischenzeitlich war es nach Mitternacht. Es läutete an der Haustür.
Wer konnte das sein?
Egal, ich mache um diese Zeit niemanden auf, ich erwartete keinen späten Besuch und Kerstin, meine Frau wäre niemals nachts mit dem Auto über 500 Kilometer herum gereist.
Nach der Dusche trocknete ich mich ab und schlüpfte in T-Shirt und Unterhosen und verließ das Badezimmer.
#
Ich starrte als erstes in die Mündung einer Pistole.
Dr. Eckart, dieser schmierige Typ stand vor mir und deutete an, dass ich meine Hände hoch nehmen sollte.
„Was wollen sie?“, herrschte ich ihn an.
„In ihrem Nachlass haben sie etwas, das ihrem Onkel Anton nicht allein gehört“, sprach er.
„Und deswegen bedrohen sie mich mit einer Knarre?“
„Nur für den Fall, dass sie mir Ärger machen!“
„Das hätten sie auch einfacher haben können, sie hatten doch den Schlüssel von Antons Haus.“
„Kann ich denn wissen, ob sie von ihrem Onkel bereits eingeweiht worden sind? Und vielleicht wäre es den Nachbarn aufgefallen, wenn ich mich im Haus zu schaffen mache. Nein, Herr Ritter, ich wollte kein Aufsehen erregen und so erschien es mir am sichersten, wenn ich durch Cynthia lautlos eingelassen werden würde. Und Dank der Umtriebigkeit von Cynthia hat doch mein Plan gut funktioniert.“
„Pack!“
„Herr Ritter, geben sie mir bitte, was ich begehre und ihnen passiert auch nichts.“
„Ich weiß gar nicht, wonach sie suchen?“
„Einen großen Diamanten, den ihr Onkel Anton aus Afrika mitgebracht hatte.“
„Einen Diamanten?“
„Ihr Onkel ist in Besitz dieses Steins während seiner Zeit als Seefahrer gelangt. Er hat ihn von einem Gauner als Pfand erhalten, der erhebliche Spielschulden nicht bezahlen konnte. Dieser Gauner hat den Diamanten im Vorfeld von einem Stammeshäuptling der Herero geraubt.“
„Und was hat das jetzt mit mir zu tun?“
„Ich möchte nur den Diamanten!“
„Erstens, ich habe im Haus bis jetzt keinen Diamanten gefunden und zweitens, einen Diamanten kann man auch nicht ohne weiteres veräußern.“
„Das will ich ja auch gar nicht!“
„Warum wollen sie den Diamant dann unbedingt haben?“
„Es geht um mein Leben und meine Ehre. Ich muss den Diamanten an seine rechtmäßigen Besitzer zurückgeben. Der Gauner war mein eigener Vater gewesen.“
„Und diesen Blödsinn soll ich ihnen glauben?“
„Man Ritter, so glauben sie mir doch. Leute von den Herero haben meine Fährte aufgenommen und ich versichere ihnen, am Ende wird es brenzlig für uns Beide.“
„Warum melden sich die Afrikaner erst jetzt, nach all den Jahren?“
„Weil die Afrikaner zu arm waren, um nach Europa zu gelangen und wie es der Deubel so wollte, waren sie 2015 im Zuge der Masseneinwanderung in Deutschland gelandet und sind irgendwann auf mich gestoßen.“
„Eckart nehmen sie die Waffe runter, ich kann ihnen auch ohne Drohungen helfen.“
Eckart hatte ein Einsehen. Langsam taten mir auch schon die Arme weh.
Nachdem er die Pistole weggesteckt hatte, suchten wir drei buchstäblich das gesamte Haus ab, jedes Gefäß, jede Kiste und jedes Schubfach vom Keller bis zum Dachboden.
Es war kein funkelnder Diamant zu finden oder irgend ein Verweis, wo Anton diesen versteckt hatte.
Gegen Morgen gaben wir die Suche enttäuscht auf und Eckart und Cynthia verließen entnervt das Haus.
Kopfschüttelnd sah ich den Beiden noch eine Weile nach.
#
Im Flur des Hauses war so ein hässlicher Türstopper, ein steinernes Porträt eines antiken Römers. Den benutzte Anton offenbar, wenn er die Zeitung aus dem Postkasten holte, damit die Haustür nicht von allein zuschlug.
Wo hatte ich diese Skulptur im Original schon mal gesehen?
Richtig, als Kerstin und ich gleich nach der Wende ein paar Tag in Rom Urlaub machten.
Aus Gram trat ich gegen diesen tönernen Kopf, der scheppernd auf die Gehwegplatten knallte und in tausende kleinere und größere Stücke zerbarst.
Was war das?
Zwischen den Trümmern der Statue blitzte ein faustgroßer, heller Stein auf.
War das der gesuchte Diamant?
Einen kurzen Moment überlegte ich, ob ich den Stein einfach an mich nehmen sollte, um mich einfach vom Acker zu machen. Blos brachte mir das irgend einen Gewinn ein?
So einen Diamanten verkauft man nicht so einfach. Da hast du gleich die Mafia, die Polizei, Syndikate oder in diesem Fall einen afrikanischen Clan am Hals.
Ich steckte den Stein in die Innentasche meiner Jacke und wollte ihn zu Eckart bringen.
Doch am Ende hatte dieser Danny-de-Vito-Verschnitt auch vor, mit dem Stein stiften zu gehen.
Wieder zweifelte ich.
Ich beschloss also, Eckart erst einmal nichts weiter von dem Diamanten zu sagen.
Ich räumte das Haus auf und zog die Bettwäsche wieder ab. Das ich mit Cynthia heftig zugange war, sah ich am Laken.
Egal es war ein guter One-Night-Stand. Was jedoch mein Gewissen morgen, in einem Monat oder später dazu sagte, konnte ich heute noch nicht abschätzen.
Das würde die Zeit mit sich bringen.
Wichtiger war in diesem Moment für mich, was wird mit dem schmucken Häuschen. Ich werde es verkaufen, denn was habe ich in Hamburg verloren.
Ich wählte die Nummer eines X-beliebigen Maklers, den mir die Suchmaschine ausgespuckt hatte und machte einen Besichtigungstermin aus.
Bei meinem Partner verlängerte ich den Urlaub und bei Kerstin rief ich auch noch an, um ihr zu sagen, dass ich die Woche in Hamburg noch vollmache.
Sie war nicht begeistert, sah es aber ein, dass ich unnütze Fahrtkosten vermeiden wollte. Immerhin liegt Hamburg nicht gerade vor unserer Haustür.
Mit der Maklerin, die nicht weniger aufgebrezelt als Cynthia war, einigte ich mich schnell, nachdem wir das Haus besichtigt hatten.
Ich bot es mit dem gesamten Mobiliar zum Verkauf an und wollte nur Andenken und Wertgegenstände mit nach Hause nehmen.
#
Von großem Interesse war für mich ein altes handschriftliches Buch, das Antons Vater, ein alter Haudegen, genannt „Der Admiral“ selbst verfasst hatte. Ich überflog darin ein paar Seiten. Es laß sich wie eine Erzählung im besten Karl-May-Stil, mit dem Unterschied, dass der Vater die Geschichten tatsächlich selbst erlebt hatte. Er nannte diesen Band „Erlebnisse rund um die Welt“.
Vielleicht hatten diese Geschichten Onkel Anton dazu angeregt selbst die Welt als Seefahrer zu bereisen.
#
Im Baumarkt kaufte ich ein paar Umzugskartons für Antons Kram und ein Entsorgungsteam holte alle Gegenstände ab, für die ich keine Verwendung finden konnte.
Manche Dinge stellte ich auch vor die Haustür, damit es Interessenten, die am Haus vorbei radeln, einfach einsacken konnten wie Besteck, Bücher, Geschirr, Schallplatten, Tischdecken, Nachttischlampen und Vasen. Diese Möglichkeit wurde von den Leuten auch gut angenommen. Nichts blieb mehr übrig.
Ja, es gibt in unserer bunten Republik genügend Menschen, die dankbar für jede Gabe sind.
Ich kam außerordentlich gut voran.
Bereits am Freitag Nachmittag war das Haus „leer“ und alles was ich mit nach Hause nehmen wollte, war in den Kartons verstaut. Und die lud ich in meinen LKW, gemeint ist mein kleiner Citroen Nemo, der als LKW versichert ist.
Spätestens morgen wollte ich zurück nach Hause fahren, denn am Sonntag durfte ich mit dem Nemo nicht fahren, da er ja als LKW zugelassen ist.
Am Nachmittag fuhr ich noch mal zu Eckart in die Kanzlei.
Zufällig kam mir an der Eingangstür des Gebäudes, in der sich die Kanzlei befand, ein Mann entgegen. Darum musste ich nicht erst klingeln und huschte so in das Bürogebäude.
Und einen Augenblick später stand ich am leeren Empfang bei Eckart im Büro. Cynthia musste bei Eckart im Büro sein.
Drinnen rumorte es, dumpfe Geräusche drangen nach außen. Darauf krachte es.
Neugierig drückte ich die Klinke der Bürotür herunter.
#
Drinnen regierte das Chaos.
Eckart wurde von zwei schwarzen Männern festgehalten. Cynthia von einem Anderen. Ein Vierter fuchtelte bedrohlich mit einer Pistole herum.
„Hände hoch“, befahl er. Er stürzte auf mich zu und zerrte mich ins Büro.
„Was wird das?“, herrschte ich den Schwarzen an.
„Wir stellen hier die Fragen!“
„Die Männer sind wegen des Diamanten hier!“, krächzte Eckart, dem ein Schwarzer die Gurgel zudrückte.
„Lasst ab von dem Mann“, flehte ich. Mir war klar geworden, dass es tatsächlich um den Diamanten ging und die Geschichte nicht erfunden war.
Alle vier Männer sahen zu mir und ließen von Eckart und Cynthia ab.
Eigentlich sahen sie äußerlich überhaupt nicht wie Kriminelle aus. Sie wirkten eher seriös.
Sie waren bekleidet mit traditionellen farbigen Gewändern wie man sie so in Westafrika trug. Die Haare der vier Männer waren zu Zöpfen geflochten. Ihre Ausstrahlung war edel und sehr gepflegt.
„Unsere Geduld mit diesem Hundesohn ist aufgebraucht“, fauchte der Mann mit der Knarre. „Heute ist seine letzte Frist abgelaufen und wir lassen uns nicht mehr länger von ihm hinhalten.“
Der Schwarze deutete an, in dem er mit der Handkante an seiner Gurgel vorbei strich, dass er Eckart den Garaus machen wollte.
„Ich habe was ihr wollt!“
Ich griff mit der Hand in die Jacke hinein, schon richtete der Mann mit der Pistole die Waffe auf mich. „Keine Spielchen, klar!“
„Ich spiele nicht“, maulte ich.
Er hielt mir zwar die Pistole unter die Nase, aber wegen meiner Erfahrung in fernöstlichen Kampfkünsten oder gerade deswegen, war ich trotz allem innerlich ruhig geblieben.
Ich brachte den Stein zum Vorschein.
Die Vier ließen gleichzeitig von Cynthia, Eckart und mir ab. Wie bei kleinen Kinder strahlten ihre Augen. Die finsteren Mienen lösten sich abrupt auf und gingen in ein friedliches Lächeln über.
„Marenga ist sehr froh, dass der Stein wieder das Zepter unseres Stammes schmücken wird“, sprach derjenige, der vor ein paar Augenblicken noch Cynthia in der Mangel hatte.
Er nahm mir den Diamanten aus der Hand und verbeugte sich vor mir aus tiefer Dankbarkeit.
„Wir vergeben Eckarts Vorfahren seine Schuld. Seine Sünde an unserem Volk ist geheilt. Seine Ehre ist wieder hergestellt.“
„Möchten sie alle etwas trinken?“, fragte jetzt Cynthia sichtlich erleichtert. Sie musste für einem Moment raus aus dem Büro. „Einen Kaffee etwa?“
Die Afrikaner und Eckart nickten ihr zu. Sie verließ das Zimmer und ich folgte ihr.
Ich musste an das amouröse Abenteuer der vergangenen Tage denken, als ich ihr folgte. Sie sah mir das auch an.
„Wenn du willst kannst du heute Abend auf ein Glas Wein zu mir kommen“, bot sie mir an. Ich antwortete nicht gleich. In meinem Kopf ratterte es.
„Hört sich gut an“, grinste ich sie an.
Wir erfuhren bei der Kaffeerunde, dass Marenga ein Häuptlingssohn eines alten Hererostammes ist. Nach dem üblen Diebstahl des Diamanten, so sagte der Häuptlingssohn, setzte man alle Hebel in Bewegung, um die Spur des Steines aufzunehmen. Die Menschen des Stammes kratzten alle Mittel zusammen, um den Verbleib des Steines, der bereits zwei Generationen zurücklag, zu ermitteln und man heuerte sogar einen Detektiv an.
Dass sich die Wege von Eckarts Vorfahren und Onkel Anton kreuzten und dass so die Angelegenheit nicht in Vergessenheit geriet, war eine glückliche Fügung des Schicksals, dass hier einen positiven Ausgang fand.
#
An dieser Stellen möchte auch ich meine Ausführungen beenden.
Am nächsten Vormittag fuhr ich nach dem Frühstück nach Hause, nachdem ich mit Cynthia einen tollen Abend im Hamburger Nachtleben verbracht hatte.
Beim Abschied kullerten ihr sogar dicke Tränen über die Wangen.
„Leb wohl!“
„Leb wohl!“ erwidert sie und winkte mir ein letztes Mal zu.
#
Die Maklerin verkaufte Onkel Antons Haus für einen ordentlichen Batzen Geld, so dass ich für Kerstins und meine Zukunft einen beruhigenden Kapitalstock in der Hinterhand hatte.
Und Antons Urne setzten wir später, nachdem sie aus Hamburg überführt worden war, auf unserem kleinen Friedhof im Dorf in die Erde, so dass er für alle Zeit in Frieden ruhen kann.
Ende