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7xhab ich gern gelesen
geschrieben 2022 von Christelle (Christelle).
Veröffentlicht: 19.04.2022. Rubrik: Fantastisches


Kapitel 2: Fortsetzungsgeschichte, Ende offen

Die ersten Wochen in Wilhelms Hühnerhof

Die Zeit verging. Wir Küken waren inzwischen knapp 5 Wochen alt. Noch passte die dicke Berta auf uns auf. Obwohl wir uns manchmal von ihr entfernten, um die Umgebung zu erkunden, hatte sie uns immer im Blick. Sie hatte uns so viel beigebracht, anfangs sogar, wie wir unser Futter zu picken hätten. Auch Scharren und Schnabelwetzen standen auf dem Stundenplan. Wir hockten in trauter Runde um sie herum und sie machte alles vor.

Als wir den 16. Lebenstag erreicht hatten, begann sie, uns auf dem Hof herumzuführen. Wir watschelten noch etwas unbeholfen hinter ihr her und sie erklärte uns ruhig und geduldig die Welt. So lernten wir auch einige der anderen Bewohner des Hofes kennen.

Wir Küken liebten Berta über alles. Sie war zwar nur unsere Bruthenne, aber sie kümmerte sich wie eine leibliche Mutter um uns. Berta war herzlich, bescheiden und umsichtig. Nichts konnte sie aus der Ruhe bringen. Und sie wusste immer einen Rat. Wir jungen Küken brauchten solch einen ruhenden Pol in unserem Leben.

Berta würde uns vielleicht noch drei Wochen unter ihre Fittiche nehmen und sich dann auf die nächste Brut einstellen. Dann mussten wir sehen, wie wir ohne sie klarkamen.

Durch unsere enge Gemeinschaft lernte ich auch meine Geschwister gut kennen. Ich hatte mich mit Charlotte angefreundet, die als Dritte geschlüpft war und deshalb einen Namen mit dem Anfangsbuchstaben C bekommen hatte. Mit ihr konnte ich Geheimnisse austauschen, zum Beispiel darüber, wen oder was wir mochten oder auch nicht.

Charlotte und ich empfanden es als Glück, bei Berta aufwachsen zu dürfen.
„Kannst du dir Ludmilla als unsere Glucke vorstellen?“ fragte sie mich belustigt.

Die wilde Ludmilla gehörte einer Rasse an, die vom Aussterben bedroht war und die sich Bergischer Kräher nannte. Sie beanspruchte viel Platz für sich selbst, konnte gut fliegen und kriegte alles mit, was im Hühnerhof passierte. Sie sah wunderschön aus in ihrem schwarzrotbraunen Federkleid.

Wilhelm besaß auch einen Hahn dieser Rasse, der von den Farben her ein ähnliches Gefieder hatte. Sein Krähruf war mit dem Kikeriki eines normalen Hahns nicht zu vergleichen. Ludwigs Ruf dauerte rund fünf Mal so lange und wurde im Schreiten vorgenommen. Er begann mit einer tiefen Tonlage, steigerte sich langsam in eine höhere und fiel dann wieder in eine tiefe Tonlage zurück. Auf diese Weise hatte er schon manchen Krähwettbewerb gewonnen.

„Ludmilla und Ludwig wären eigentlich interessante Eltern,“ sinnierte ich.

Charlotte widersprach heftig: „Nein, sie sind zu eingebildet. Außerdem sind sie mehr mit sich selbst und ihrer Schönheit beschäftigt. Ludmilla würde sich niemals um fremde Bruteier kümmern, nur um ihre eigenen und selbst das tut sie selten. Kein Wunder, dass ihre Rasse vom Aussterben bedroht ist.“

Damit hatte Charlotte absolut recht.

Wir stellten uns dann die fromme Helene als unsere Ziehmutter vor. Helene schickte ständig leise gackernd Gebete zum Himmel. Mit ihrem grauen Gefieder sah sie recht unscheinbar aus. Sie hielt sich merkwürdigerweise oft in Ludwigs Nähe auf, so als wolle sie ihm schöne Augen machen. Wir fragten uns, wer ihre Gebete erhören sollte:

Der Himmel oder Ludwig?

Bei ihr hätten wir außer Beten bestimmt nichts fürs Leben gelernt.

Außerdem lebten noch drei Legehennen auf dem Hof, die nichts mehr wirklich interessierte auf dieser Welt. Wilhelm hatte sie aus einer Legebatterie gerettet, weil sie dort entsorgt werden sollten. Nachdem sie in den beiden ersten Jahren ihres Lebens ca. 300 Eier pro Jahr legten, waren sie im dritten Lebensjahr so ausgelaugt, dass nur noch ganz vereinzelt ein Ei ins Körbchen fiel. Sie träumten von der Zeit, als sie Rekordhalter im Eierlegen waren. Obwohl sich ihre Lebensbedingungen bei Wilhelm entscheidend verbessert hatten, waren aus den einst so fleißigen Lieschen extrem traurige Gestalten geworden.

„Stell dir das mal vor, 300 Eier im Jahr, das muss doch Stress sein“, rief Charlotte, „und die drei sind so dumm, sich nach ihrem alten Leben zurückzusehnen!“

„Vielleicht brauchen sie einfach noch etwas Zeit, um das Leben wieder genießen zu können“ sagte ich nachdenklich. Aber wir waren uns einig: Als Glucken wären sie eine absolute Fehlbesetzung.

Es gab weitere Hennen auf Wilhelms Hof, die wir noch nicht kennengelernt hatten. Auch mit den beiden Hähnen, die außer Ludwig hier lebten, hatten wir noch keinen Kontakt. Manchmal beobachteten wir amüsiert, dass zwei oder mehr Hennen in Streit gerieten und sich böse angackerten. Sie waren aber sofort ruhig und taten so, als sei nichts gewesen, wenn einer der prachtvollen Hähne vorbeischritt.

Der Hahn als Friedensstifter? War das seine wahre Berufung?

Wie schön, dass wir drei Brüder hatten!


Es folgt Kapitel 3: Clevere Charlotte vom 25.04.2022

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

Einen Kommentar schreiben

geschrieben von ehemaliges Mitglied am 20.04.2022:

...Nestwärme, die reine Nestwärme!




geschrieben von ehemaliges Mitglied am 25.06.2023:
Kommentar gern gelesen.
Ich finde es gut, dass Du so ganz im vorbeigehen auf Missstände aufmerksam machst.
LG jüro

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