Veröffentlicht: 08.07.2024. Rubrik: Aktionen
Klein aber fein (Juliaktion)
Das ist die Geschichte des Rentners Reiner, der das Hobby seines Vaters weiterführte und dabei zu ungeahntem Reichtum gelangte.
Sein Großvater, später sein Vater waren bereits leidenschaftliche Briefmarkensammler.
Beide hatten jedoch unterschiedliche Motivationen für ihr Hobby.
Opa erfreute sich zunächst an Briefmarken mit ansprechenden Motiven.
Noch größer war seine Freude, wenn ein Brief oder eine Postkarte, außer einer Briefmarke, noch zusätzlich mit einem gut leserlich Stempel versehen war.
Sein Vater wiederum sammelte alle Jahrgänge, die in Deutschland Ost und West seit 1949 herausgegeben worden, gestempelt und postfrisch.
Das nahm seine gesamte übrige Zeit in Anspruch, denn er unterhielt außerdem sein altes Siedlungshaus mit einem Garten von 1.100 Quadratmetern.
Reiner erinnerte sich noch gut an Situationen, wo er sich in der Wohnstube nicht rühren durfte, weil sein Vater überall die Marken ausgebreitet hatte, um sie zu sortieren.
Diese Tage waren für ihn als Kind die Hölle.
Und für seinen Vater Meditation pur.
Seit Reiner sein Rentnerleben in vollen Zügen genoss, hatte er die nötige Zeit für die Philatelie.
Als erstes brachte er die angefangenen Sammlungen auf den neuesten Stand.
Irgendwann begann Reiner damit die Trödelmärkte abzuklappern, um hier und da nach Briefmarken zu stöbern.
Es gab immer Leute, die einen Haushalt aufgelöst hatten und Briefmarkenalben feilboten.
Für wenige Euro kauft er diese auf, auch wenn meist nur zwei, drei Marken für ihn interessant waren.
Den Rest tauschte er in Börsen ein oder schmiss sie einfach weg.
***
Da Reiners Geburtstag unmittelbar bevorstand, wollte Heidemarie, seine geliebte Frau, zu seinem Hobby noch eine Kleinigkeit beitragen.
Mit eng gestecktem Budget fuhr sie ans Elbufer in Dresden-Johannstadt, wo jeden Samstag ein großer Trödelmarkt abgehalten wurde.
Diesmal war sie allein unterwegs, sie wollte ja noch nach einer Überraschung für ihn suchen.
An einem Stand wurde sie fündig.
Für den Schnäppchenpreis von 20 Euro erwarb sie einen Topf, angefüllt mit Briefmarken aus allen Herrgottsländern und Erdteilen.
Natürlich freute sich Reiner über Heidemaries Geschenk.
Sie bekam einen dicken Kuss aus Dankbarkeit von ihm.
***
Nachdem das übliche Geburtstagsprozedere überstanden und zu Hause Ruhe eingekehrt war, breitete Reiner den Inhalt des Topfes über dem Wohnzimmertisch aus.
Bewaffnet mit Lupe und Pinzette begutachtet er Heidemaries Geschenk.
Es waren einige Briefmarken dabei, die er in seinen Jahrgangssammlungen integrieren konnte.
Dazu erwartungsgemäß viel Schnulli aus europäischen Ländern, bestenfalls geeignet zum Tausch.
Aber eine kleine blaue Marke aus den Vereinigten Staaten von Amerika erweckte seine Aufmerksamkeit.
Es war eine One-Cent-Marke mit dem Konterfei von Benjamin Franklin aus dem Jahr 1861.
Ein so alte, fast unversehrte Briefmarke hielt er noch nie in seinen Händen.
Er strahlte zufrieden.
Nächste Woche in der Philatelistenrunde wollte er diese besondere Marke den anderen Mitgliedern vorstellen.
***
"Man Reiner", sinnierte der Vereinsvorsitzende, "wenn die echt ist, dann bekommst du bestimmt ein hübsches Sümmchen dafür."
"Nicht so schnell", wehrte Reiner ab, "erst einmal möchte ich sie behalten. Aber du kannst ja mal in Erfahrung bringen, was ich für die Marke bekommen würde."
Der Vorsitzende nahm sein Mobiltelefon und knipste ein Foto von der kleinen blauen Marke.
Später am Abend stellte er das Foto im Philatelistenforum ein.
***
Die darauffolgenden Tage stand bei Reiner das Telefon nicht still.
Hunderte Philatelisten meldeten sich und verkündeten ihm, dass er einen sehr wertvollen Schatz besaß.
Einer der Briefmarkenfreunde, der Kontakt in die USA hatte, nannte einen Betrag...
2,5 Millionen Euro!
Reiner blieb die Spucke weg.
'2,5 Millionen Euro!', würgte er ungläubig hervor.
Nachdem Beide das Gespräch beendet hatten, steckte er mit zittrigen Händen den Telefonhörer zurück in die Station.
Dann ging er mit weichen Knien zu Heidemarie.
Auf dem Weg in die Küche dachte er, was soll ein Rentnerehepaar, dass zusammen gerademal mit 2.100 Euro Rente überlebte mit soviel Geld nur anstellen?
Aber das war bereits eine ganz andere Geschichte.
(c) Jens Richter im Juli 2024
***
P.S. Diese kleine, von mir aufgegriffene Geschichte beruht auf einer wahren Begebenheit, die sich so tatsächlich im Jahr 2012 in Dresden zugetragen hatte.
Damals hatte sich jede namhafte Tageszeitung mit mindestens einem größeren Artikel über diesen Sensationsfund ausgelassen.
Außerdem erinnert mich das Thema "Briefmarken" tatsächlich immer an Opa und Vater.
Beide waren zu Lebzeiten leidenschaftliche Philatelisten.
Leider hatte ich nie die Muse, dieses zeitintensive Hobby fortzuführen.