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11xhab ich gern gelesen
geschrieben 2010 von Christelle (Christelle).
Veröffentlicht: 23.04.2022. Rubrik: Märchenhaftes


Als ich die Weser zum Kochen brachte ...

Hieronymus Carl Friedrich von Münchhausen (1720 -1797); bekannt als Lügenbaron, erzählt:

Der Winter 1754/55 war hart. Zuerst war es bitterkalt, so dass der Boden tief gefror, dann schneite es unaufhörlich, und der Schnee türmte sich meterhoch auf den Straßen.

Anfang März 1755 lugte die Sonne zwischen den Wolken hervor und ihre noch zaghaften Strahlen hatten so viel Kraft, dass Eis und Schnee im Weserbergland zu schmelzen begannen. Der Wasserstand der Weser stieg von Tag zu Tag. Die Menschen sahen das mit Besorgnis, denn bald würde der Fluss über die Ufer treten und Städte und Dörfer überschwemmen.
Es musste etwas geschehen! Ich dachte angestrengt nach, dann hatte ich den rettenden Einfall.

Ich kannte den Schmied gut, da ich von ihm Kanonenkugeln im Abonnement zu einem sehr günstigen Preis bezog. Ich bat ihn, aus dem bei ihm gelagerten Eisen lange dicke Stäbe in Form eines Besenstiels zu schmieden. Mit einer großen Zange fasste ich dann den ersten glühenden Stab und tauchte ihn in den Fluss. Das Wasser zischte und weiße Dampfschwaden stiegen empor.

Inzwischen hatte der Schmied weitere Stäbe zum Glühen gebracht, die ich wiederum mit Hilfe meiner Zange zum Fluss trug. Das Wasser zischte erneut und eine riesige Dunstwolke breitete sich über dem Weserbergland aus. Die erkalteten Stäbe brachte ich zurück zum Schmied, damit er sie wiederum ins heiße Feuer legte. Anschließend nahm ich sie mit meiner Zange wieder auf und tauchte sie ins Weserwasser.

Ich bin die ganze Nacht hin und her gerannt, aber es wirkte. Die Weser brodelte; bald lag das ganze Weserbergland in dichtem Nebel, man konnte kaum noch die eigene Hand vor den Augen erkennen. Aber das Wasser des Flusses verdunstete, der Pegel sank langsam, aber stetig.

Was ich zu diesem Zeitpunkt nicht wusste: Die Nebelschwaden stiegen so hoch, dass sie mit dem Wind in die Trockengebiete der Sahara gelangten und dort als Regen zu Boden fielen. Auf Regen hatten die Einheimischen lange gewartet, so dass ich jahrelang Dankschreiben aus Afrika bekam, weil ich die Trockenperiode 1755 abrupt beenden konnte.

Als der Morgen dämmerte, sah ich, dass die Weser Niedrigwasser führte. Glücklich, aber erschöpft beendeten der Schmied und ich die Aktion.
Wir standen am Ufer und stießen mit einem Gläschen Wein auf unseren Erfolg an.

Da sah ich mit Schrecken, dass viele tote Fische bäuchlings auf dem Wasser schwammen. Das hatte ich in meinem Eifer nicht bedacht: Indem ich das Wasser der Weser mit glühenden Eisenstäben zum Kochen brachte, habe ich die dort lebenden Fische gegart. Nachdem ich den Schock überwunden hatte, beschloss ich, das Beste daraus zu machen. Ich schickte von Bodenwerder aus Kuriere in alle Ortschaften ringsum und lud die Bewohner zum Tote-Fische-Essen ein. Sie kamen in Scharen. Sie brachten einen gesegneten Appetit und blendende Laune mit, so dass es ein fröhliches Fest wurde.
Nur die ansässigen Fischer und Angler waren mir böse. Nachdem junge Fische in der Weser ausgesetzt, neue Laichplätze angelegt und die Vermehrung gut zu funktionieren scheint, sind sie wieder zufrieden.

Diese Märznacht im Jahre 1755 hatte weitere Folgen:

Viele Jahre später griff ein Tüftler die Idee auf, glühende Stäbe ins Wasser zu tauchen und es zum Sieden zu bringen. Er baute ein ähnliches Gerät, nur kleiner, technisch verfeinert und mit einem handlichen Griff. Er nannte es Tauchsieder und schenkte es seiner Mutter zum 50. Geburtstag.

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von ehemaliges Mitglied am 06.02.2023:
Kommentar gern gelesen.
Hallo Christelle, Eine tolles Märchen...ich habe es genossen. Flott, frisch und amüsant. Hat mir sehr gut gefallen.




geschrieben von Christelle am 07.02.2023:

Herzlichen Dank, liebe Anna. Ich freue mich immer sehr, wenn meine Geschichten gefallen. Die Idee kam mir während einer Radtour auf dem Weserradweg, als wir an den dampfenden Schwaden der Kühlttürme am Atomkraftwerk Grohnde vorbeiführen..




geschrieben von Onivido kurt am 07.02.2023:
Kommentar gern gelesen.
Endlich weiss ich, wie der Tauchsieder erfunden wurde. Gruesse///Onivido

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