Veröffentlicht: 04.02.2018. Rubrik: Fantastisches
Die Sache mit dem Himmel
Stundenlang hatte ich geklopft und laut gebettelt, bis die Himmelstüre sich endlich quietschend öffnete. Wenig später stand ich am Beginn eines langen, weißgetünchten Ganges, von dem rechts und links alle paar Schritte eine Tür abzugehen schien. "Ist das der Weg zum Himmelssaal?", fragte ich Petrus. "Nein," sagte dieser, „das hier ist nur der christliche Himmel."
"Nur der christliche Himmel? Gibt es denn noch einen anderen Himmel?" fragte ich den ehemaligen Fischer vom See Genezareth. "Aber natürlich gibt es den," meinte Petrus und fuhr fort: "Es gibt noch den menschlichen Himmel. So richtig mit festlichem Saal, Musik und ewigem Büfett. Aber lasse mich zunächst was zu diesem Himmelsgang hier sagen." Petrus deutete mit seiner Rechten auf den sehr steril erscheinenden Flur.
"Erste Tür rechts ist für die Katholiken, gegenüber die Evangelen, dann kommen die Baptisten, die Methodisten, Adventisten, Mennoniten und so weiter. Es gibt einen Raum für traditionelle und konservative Christen, für Liberale und für Charismatiker, für die Bibeltreuen und die Fundamentalisten. Für jede Konfession und jede Denomination gibt es eine Türe. Aber glaub’ mir, in jedem dieser Zimmer geht es wegen mangelnder Meinungsverschiedenheiten sehr langweilig zu. Man ist sich einig, hat sich nichts mehr zu sagen und klopft sich gegenseitig auf die Schulter. Du musst wissen, der Gang ist acht Lichtminuten lang." Ich wusste, dass es von unserer Sonne bis zu unserem Planeten genau diese Entfernung war. Unglaublich. "Am Ende des Ganges rechts," hörte ich dann Petrus weiter ausführen, "ist das Büro von Johannes dem Täufer, der dort den hoch gebildeten Theologen und ewigen Besserwissern das Alte und das Neue Testament erklärt."
Ich war ziemlich platt und fragte ihn, der einst der erste Papst gewesen sein sollte: "Und wer ist im wirklichen, also dem menschlichem Himmel. Gibt's da etwa auch Muslime und so?" "Aber klar doch," entgegnete mir der Fischer. "Es gibt dort auch Juden, Konfessionslose, Religionslose, Buddhisten, Hindus, Freidenker, Agnostiker und Atheisten, Prostituierte, Homosexuelle und sogar einige wenige Christen." - "Und wer öffnet dort die Himmelstür?", fragte ich. Petrus lächelte mich an und raunte: "Du wirst es nicht glauben. Es sind derer drei, die sich abwechseln: Mahatma Gandhi, Martin Luther King und Nelson Mandela. Denn Jesus hat entschieden: Nur wer anderen die Freiheit schenkt und gewährt, ist wahrer Mensch und wahrer Christ. Das steht sogar so in der Bibel – wenn man denn genau hinschauen täte."
Allerdings – und ich war total verblüfft. Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet, denn ich dachte da mehr an den Erzengel Gabriel und seine Kollegen, an Maria und Joseph und so. Nun hatte ich noch eine letzte Frage an Petrus: "Gibt es für mich denn irgendeine Möglichkeit, von hier in den menschlichen, den wirklichen Himmel zu gelangen? Und wieso bin ich eigentlich hier, in diesem scheinbar öden Himmel?" - „Nun“, sagte Petrus, „jeder war zunächst, wie auch du, hier. Und jedem stellte ich eine Frage. Und je nach dem, wie die Antwort ausfiel, musste der Mensch hierbleiben, oder aber er durfte in den Himmel, der diesen Namen auch wirklich verdient.“
Ich begann zu zittern. Welch eine Frage würde Petrus mir stellen. Eine aus dem Alten Testament, oder dem Neuen? Folgte hier jetzt so eine Art Bibelquiz? Petrus legte seine Hand auf meine linke Schulter und sah mich gütig an. „Ganz ruhig. Du wirst die Antwort schon finden. Doch bevor ich dich frage, möchte ich dich über Folgendes informieren und auch erinnern:
Euer Planet Erde ist ein Staubkorn im Gesamtbild des Universums. Neptun, am Rande eures Sonnensystems, ist 4,1 Lichtstunden - eine Lichtsekunde ist gleich 300.000 irdische Kilometer - von der Sonne entfernt. Der nächste Stern, Alpha Centauri, liegt 4,36 Lichtjahre von eurem Sonnensystem entfernt. Eure Galaxie, mit einem Durchmesser von 100.000 Lichtjahren, hat weitere 100 bis 300 Milliarden von Sternen und Sonnen. Das gesamte Universum besteht jedoch aus mindestens weiteren 100 Milliarden von Galaxien mit jeweils wiederum mehreren hundert Milliarden von Sonnen. Die euch am nächsten gelegene Galaxie beginnt in einer Entfernung von 2,5 Millionen Lichtjahren, und ihr gabt ihr den Namen Andromeda. Das Alter des euch bekannten Universums beträgt 13,819 Milliarden Jahre und es hat einen Durchmesser von 93 Milliarden Lichtjahre. Dabei ist bekannt, dass sich das Universum noch immer weiter ausdehnt und – wer hätte das gedacht – es gibt auch noch weitere Universen.“
Petrus machte eine Pause, atmete tief durch und ich hörte diese seine Frage: „Sag’ mir, wer und wie und was ist GOTT, du Staubkorn Mensch auf dem Staubkorn Erde; meinst du es wirklich wissen zu können?“ Nun lag diese Frage auch in Petri Augen. Ich erinnere mich wie damals, dass ich ganz spontan antwortete, und ich nicht lange darüber nachdachte, ob mir die Antwort den ersehnten Weg für ewig versperrte. „Nein, Herr,“ sagte ich, „nein, ich weiß es nicht.“ Petrus lächelte breit, und schon war ich erleichtert. „Komm,“ sagte er, „ich zeige dir den Weg ins Paradies.“
Da erfasste mich Mut und ich fragte den Fischer augenzwinkernd in meiner alten irdischen Art: „Verwandelt Jesus dort immer noch Wasser in Wein?“ Da lachte Petrus schallend und meinte: „Aber natürlich, in den besten. Sonst wäre es ja nicht der Himmel, oder?!“