Veröffentlicht: 22.05.2019. Rubrik: Nachdenkliches
Egoismus
Egoismus
»Dieses Grab wirkt so kalt und einsam auf mich. Dabei sollte es mich doch trösten.« Das Grab vor dem Viola kniete war das Grab ihres nur 21 Jahre alten Stiefsohnes, er war an einem Hirnschlag gestorben. Ein Jahr war es nun schon her. Und sie fühlte sich noch immer so kalt und einsam wie dieses Grab. Auch wenn sie nach außen hin niemanden spüren lies wie es ihr ging. Innerlich, ja innerlich war sie leer, kalt und einsam. Dieses Loch das dieser Fröhliche Junge hinterlassen hatte konnte niemand schließen. Weder ihr Mann noch der Glaube an dem sie viele Jahre so fest gehalten hatte war ebenfalls wie tot in ihr. Natürlich gab es noch Momente in denen sie Gottes Anwesenheit spürte. Nur sie hatte sich verändert. Nicht mal in den 660 km auf dem Jakobsweg konnte sie finden was sie gesucht hatte. Ihr Mann fand Halt in seinem Glauben doch nicht sie. Dieser plötzliche Verlust schmerzte sie einfach so sehr das er jedes Gefühl von Freude im Keim erstickte. Wie ein junger Baum hatte der Schmerz sich in ihr Herz gepflanzt und er hat Wurzeln geschlagen. Wurzeln so tief und fest das es ihr nicht möglich war sie einfach wieder heraus zu reisen. »Ich möchte dir so viel erzählen doch du hörst es nicht. Deine Umarmungen fehlen mir so sehr. Die Momente wenn du aus deinem Zimmer kamst und mit diesem schmunzel das nur du hattest zu mir kamst um mich um etwas zu bitten. Wie oft habe ich nein gesagt!? Könnte ich doch nur jetzt Ja sagen. Doch es ist zu spät, zu spät.« hallte es in ihren Gedanken wieder.
Es war Zeit, das Mittagessen musste vorbeireitet werden. Nicht mehr lange und ihr Mann würde von der Arbeit kommen. So rappelte Viola sich auf kämpfend ihre Gedanken und Gefühle hier an diesem Grab zurück zu lassen. Sie stieg in ihr Auto und fuhr nach Hause. Sofort als sie das Haus betrat machte sie den Fernseher an um dieser alles verschlingenden Stille zu entkommen. »Wir müssten noch Fisch im Gefrierschrank haben den werde ich machen und dazu Kartoffelbrei das liebt Jochen.« Sie kochte und lauschte ihrer Lieblings Serie „Big Bang Theory“ In der Sheldon Cooper mal wieder einer seiner gewollten ungewollten Scherze machte. Es gelang ihr gut zu hause so zu tun als ginge es ihr gut und alles wäre normal. Sie war Spezialistin darin ihre wahren Gefühle und Gedanken zu verbergen.
Das Türschloss war zuhören. »ach Jochen kommt ja schon.« „Hallo Schatz“ rief sie ihm mit ihrer fröhlichsten Stimme entgegen. „Wie war dein Tag? Hattet ihr viel zu tun? Das essen ist gleich fertig. Wenn du möchtest kannst du erst noch duschen gehen.“ „Okay Schatz“ War alles was Jochen erwiderte. Er war nicht der Mann großer Worte. Er ging die Treppe nach oben und sie schaute ihm hinterher. »Ach mein Schatz, du gehst aber wieder als hättest du schmerzen.« Dann deckte Viola den Tisch und packte das Essen auf den Tisch. Jochen kam in die Küche und setzte sich an seinen Platz. „Das sieht Lecker aus Schatz,“ sagte er. So aßen sie und redeten über dies und das. Nach dem essen gingen sie mit ihrem Hund Bob, ein großer Berner Sennenhund in den Park um noch etwas frische Luft zuschnappen. Bevor sie es sich zu hause gemütlich machten und auf dem Sofa vor dem Fernseher einschliefen.
Wie jeden Tag stand Jochen sehr früh auf um zur Arbeit zu gehen. Viola schlief ein wenig länger. Der Hund Bob weckte sie als es für ihn Zeit war seine Gassi Runde zu gehen. „Na komm Bob, sicher hast du schon Hunger.“ Sie machte ihm sein essen fertig und während Bob sein Futter genüsslich kaute machte Viola sich fertig zum Gassi gehen. „Hast du aufgegessen mein großer wir gehen Sören besuchen?“ Bob war sichtlich begeistert und rannte zur Garderobe, an der seine Leine hing. Viola machte ihm das Halsband um und nahm die Leine in die Hand und machte sich auf den Weg. „Du kennst ja den Weg Bob.“ Ja diesen Weg kannte der Hund den seit über einem Jahr gingen sie jeden Morgen den gleichen Weg. Bob tapste neben Viola her in Richtung Friedhof. Dort angekommen entfernte Viola das Laub vom Grab in dem Sören lag. Und zündete eine Kerze an. »Ach mein kleiner ich weiß nicht wie ich das noch schaffen soll. Ich kann dieses falsche Gesicht einfach nicht mehr aufrecht erhalten.« Bob bellte und sprang umher um Viola wieder auf den Weg zu locken.
„Ja mein großer wir gehen ja schon.“ Auf dem Weg nach Hause rief ihre Nachbarin über den Zaun. »Sie hat sicher wieder auf uns gewartet großer um mir von ihrer Tochter zu erzählen und was sie so macht und wo sie so ist und das sie nie Zeit für sie hat um sie zu besuchen.« So war es. Die Nachbarin schüttete ihr Herz aus, ihre Tochter wohnte ja jetzt in Berlin um zu studieren und hatte ja nie Zeit und kam nie vorbei. Aber heute gab es noch eine andere Nachricht. Den die Tochter der Nachbarin hatte nun auch noch einen Freund. Da war die Angst der Nachbarin noch größer als sonst. Den nun wird ihre Tochter sicher noch weniger Zeit für sie haben. Nach ein paar tröstenden Worten von Viola schien es der Nachbarin schon besser zu gehen und Viola konnte mit Bob weiter gehen um ihren Haushalt zu erledigen.
An diesem Tag wollte Viola mal wieder alle Bilder abstauben. Und so machte sie sich an die Arbeit. Doch plötzlich, da war er wieder dieser alles betäubende Schmerz. Bis jetzt hatte sie ihn ganz gut unter Kontrolle aber nun kam es wieder über sie. Es war als würde sich ein dicker grauer Schleier über sie legen. Der Schmerz lies Viola kaum Atmen. »Ich kann es nicht mehr.« dachte sie bei sich. »Ich werde mir ein Bad einlassen.« Das tat Viola auch sie ging ins Schlafzimmer zog sich aus und hüllte sich in ihren Kuscheligen Bademantel. Als das Wasser hoch genug war um nicht mehr zufrieren stieg sie in die Wanne. Ihre Gedanken überschlugen sich gerade zu. Ihr Herz fühlte sich an als würde es jeden Moment in tausend Splitter zerspringen. »Da liegt der Rasierer von Jochen. Was ist wenn ich die Klinge nehme und mir die Pulsadern auf schneide? Dann hat dieser Schmerz endlich ein Ende. Schlimmer kann es doch nicht mehr kommen oder?« Viola nahm sich den Rasierer und strich mit ihrem Finger über die Klinge. Sogleich tropften ein paar Tropfen Blut in das Wasser. Dieser leichte Schmerz linderte sofort den zerreißenden Schmerz in ihrem Herzen. »Was für ein Gott wärst du, mich in die Hölle zu schicken? Wo ich doch einfach diesen Schmerz und die Selbst Vorwürfe nicht mehr ertragen kann.«
Viola nahm die Klinge und setzte an ihrem Arm an. Um so tiefer sie die Klinge an ihrem Arm nach unten führte, des so mehr Blut überströmte ihren Körper. Und es fühlte sich so gut an. Der Schmerz in ihrem Herzen war schon fast nicht mehr zu spüren. »Es wird so kalt« dachte Viola. Alles vor ihren Augen schien sich zu entfernen. »Nun bin ich wirklich wie dein Grab Sören, kalt, einsam und bald auch leer.« Violas Arm sank ins Wasser welches sich immer roter färbte. Noch einen Atemzug tat Viola bevor sie für immer einschlief. Stille machte sich breit und Violas lebloser Körper sank ins Wasser.
Am Abend kam Jochen von der Arbeit und gleich als Viola ihn nicht rief und ihre üblichen fragen stellte wie sonst wunderte er sich und machte sich auf den Weg sie zu suchen. »Ihr Auto steht doch vor der Tür oder hab ich mich verguckt?« dachte Jochen bei sich. Um sicher zu gehen ging er in die Küche und schaute aus dem Fenster. »Ja da steht der Wagen. Na ja vielleicht redet sie mit der Nachbarin.« Aber auch der Blick aus dem Wohnzimmer Fenster blieb erfolglos. „Schatz? Wo bist du den? Bist du auf dem Klo?“ Keine Antwort. »Ist sie in der Wanne und hört mich nicht?« Jochen ging zum Bad und öffnete die Tür. Als er all das Blut sah und den leblosen Körper Violas brach er zusammen. » Das kann nicht war sein OH MEIN GOTT. » Jochen stand auf und rannte zur Wanne doch der Körper war schlaff und kalt. Nun funktionierte er wie ein Roboter. Er rief den Notruf und erklärte ganz ruhig „ich habe gerade meine Frau mit aufgeschnittenen Pulsadern in der Wanne gefunden. Ich bin gerade von der Arbeit heim gekommen und sie scheint schon seit Stunden tot zu sein. Bitte schicken sie einen Rettungswagen.“ Dann ging er wieder ins Bad kniete sich vor die Wanne und nahm die Hand von Viola in seine. „Oh meine Geliebte Frau. Hätte ich dir doch nur gesagt, das du alles warst was mich noch auf dieser Welt hielt…“