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geschrieben 1998 von Andreas Mettler (Metti).
Veröffentlicht: 08.06.2014. Rubrik: Total Verrücktes


Die Uhr auf dem Tisch

Ein Hallenbadbesuch ohne Taucherbrille ist nur das halbe Vergnügen. Sobald ich mit dem Kopf unter Wasser bin, beginnen mir die Augen zu tränen und ich kann nichts mehr sehen. Am nächsten Tag sieht alles ganz entzündet aus und die Arbeitskollegen meinen, ich hätte die Nacht über ausschweifend gefeiert.

SatirepatzerSatirepatzer"Dies ist unser Sortiment an Taucherbrillen." sagte der rotblonde Fachverkäufer mit der Guidowesterwellefrisur zu mir.
   "Oh, das sind ja wirklich sehr viele verschiedene Taucherbrillen".
   "Jaja, mein Herr, das haben Sie fein beobachtet. Wir führen ein umfangreiches Sortiment an Taucherbrillen."
   "In der Tat sehr umfangreich", mußte ich respektvoll anerkennen. "Das hätte ich gar nicht erwartet, als ich Ihr Geschäft betreten hatte." Ich meinte es ehrlich.
   "Nunja, schließlich ist dies auch ein Taucherbrillenfachgeschäft."
   "Achja. Das ist mir auch schon aufgefallen, als ich das Türschild gelesen habe."
   Der Fachverkäufer öffnete einladend seine Hände. "Dann hat es sich ja gelohnt, das Schild an der Türe anzubringen."
   "Jaja. In der Tat. Das hat sich gelohnt."
   Das freute den Fachverkäufer so sehr, daß er bis über beide Ohren strahlte. Seine Freude steckte an und wir mußten beide herzlich lachen. Eieieieiei.

Wir hatten uns wieder ein wenig beruhigt. Sichtlich gelockert ging ich an den Regalen vorbei und schaute mir die Taucherbrillen an.
   "Das ist gleich ein ganz anderes Einkaufen in einem Fachgeschäft, nicht wahr?"
   Ich nickte anerkennend. "In einem Kaufhaus würde das sicherlich ganz anders verlaufen."
   "Wissen Sie, ich sollte es Ihnen vielleicht nicht erzählen, aber in Kaufhäusern kann es sogar passieren, daß Sie von einem Herrn oder einer gnädigen Dame bedient werden, die gar nicht vom Fach ist."
   Das hatte ich noch nicht gewußt. Empört schüttelte ich den Kopf. "Nein wirklich? Na, da bin ich aber froh, daß ich Sie getroffen habe."
   "Das ist wenigstens eine richtige Beratung, die Sie bei mir bekommen. Ich habe das nämlich auf der Berufsschule gelernt."
   "Ohja, ich fühle mich wirklich recht gut beraten bei Ihnen."
   "Und ich versuche auch nicht, Ihnen etwas anzudrehen, was Sie nicht kaufen möchten."
   Das hatte er tatsächlich nicht versucht. "Neinein, Sie sind recht fair zu mir."

"Haben Sie sich inzwischen für eine Taucherbrille entschieden?"
   Es war mir ein wenig unangenehm, daß ich nach der umfangreichen Beratung dieses netten Herrn noch immer zu keinem Entschluß gekommen war. Um ihn nicht weiter zu bemühen, zeigte ich spontan auf eine Taucherbrille, die direkt vor mir aufgehängt war und sagte: "Diese hier, bitte."
   "Eine gute Wahl."

Das Hallenbad sollte Gerüchten zufolge ein wenig außerhalb der Stadtmitte liegen. Wo genau wußte ich nicht. Ich fragte den Herrn Bahnhofsvorsteher, der am Schalter hinter einem vergitterten Fenster saß: "Guten Tag, werter Herr Bahnhofsvorsteher, können Sie mir bitte sagen, wie ich zum Hallenbad komme?"
   Der Mann war vermutlich Mitte 50, hatte einen grauen Schnurrbart und breite Kotletten. "Sicherlich", antwortete er mir, "es ist gar nicht einmal soweit entfernt von hier."

"Sie haben einen grauen Schnurrbart und breite Kotletten", sagte ich dem Herrn Bahnhofsvorsteher, als ich die Türe öffnete.
   "Fein beobachtet, junger Mann. Die Kotletten habe ich seit den 70er Jahren, der Schnurrbart war früher schwarz. Legen Sie doch bitte den Sicherheitsgurt an."
   "Ich habe gehört, daß manche Frauen graue Schnurrbärte großartig finden."
   "Nana, junger Mann. In meinem Alter ist man nicht mehr auf Brautschau."
   Plötzlich erschreckte ich. "Vorsicht, werter Herr Bahnhofsvorsteher, die Ampel da vorne ist rot."
   Abrupt bremste er ab. Ich wurde gegen meinen Sitz gedrückt. "Hoppla, da hat mich unsere kleine Plauderei doch so sehr abgelenkt, daß ich fast eine Verkehrswidrigkeit begangen hätte." Er legte die Stirn in Falten. "Vielleicht ist meine Welt doch mehr die der Bahn als die des Autos."
   Ich hätte ihn gerne ein wenig aufgeheitert, sagte aber nur: "Vielleicht haben Sie da recht" und stieg aus.

Da stand auch schon das Hallenbad vor mir. Vor der großen Glastüre stand ein Altpapiercontainer. Ich hatte gerade nicht viel Altpapier bei mir, fand jedoch den Rest einer Kaugummiverpackung in meiner Hosentasche. Ich trennte das Papier von der Alufolie und warf es in den Container. Die Alufolie steckte ich zurück in meine Hosentasche. Ich wollte schließlich keinen Ärger, bloß wegen eines Altpapiercontainers.

"Einmal schwimmen bitte!" sagte ich zu der Frau mit der ungesunden Gesichtsfarbe.
   "Brust oder Kraul?" fragte sie mich.
   "Was kostet Brust?"
   "7 Mark für eine Stunde"
   "OK, das nehme ich."
   Ich gab ihr das Geld, worauf sie mir eiligst den Schlüssel für das Hallenbad überreichte. "Aber bitte verlieren Sie ihn nicht, wir haben nicht mehr so viele davon."
   "Seien Sie beruhigt, ich werde gut aufpassen."
   Sie atmete auf und sah sichtlich beruhigter aus.

"Jesus hat für uns sein Leben gelassen. Warum?", fragte der Pfarrer.
   "Weil er demütig war seinem Herrn gegenüber", antwortete die alte Frau.
   "So lasset uns nun singen das Lied Nummer 473 Abs. 1"
   Ein dicker Rentner drückte mir sein völlig durchnäßtes Liederbuch in die Hand. Zusammen sangen wir ´großer Gott wir loben dich´. Ein tolles Gemeinschaftsgefühl überwältigte mich und meine Finger, die schon ganz schrumpelig waren, hatten endlich Gelegenheit, sich zu erholen. Nach dem gesungenen Lobpreis und einer kurzen Werbepause stieg ein Tscheche aus dem Wasser und sprach noch ein Gebet in unverständlicher Sprache. Bevor der Pfarrer den Abspann vorlesen konnte, war meine Badezeit auch schon abgelaufen.
   Ich brachte den Schlüssel der Frau mit der ungesunden Gesichtsfarbe zurück und sagte: "Sehen Sie, ich habe ihn nicht verloren."
   "Aber naßgemacht."

Die Stunde im Hallenbad hatte mich hungrig gemacht. Ich schlenderte ein wenig durch die Straßen und fand unweit vom Hallenbad entfernt ein gutbürgerliches Lokal.
   "Was wünschen Sie?", fragte mich der Kellner.
   "Was haben Sie denn?", fragte ich ganz frech zurück.
   "Wir haben Frühstück, Mittagessen und Abendessen."
   Was war nun angebracht? "Wie spät ist es denn?", wolle ich von ihm wissen.
   Er löste seine Uhr vom Arm und legte sie mir auf den Tisch. "Dies ist meine Uhr und ich habe Sie Ihnen auf den Tisch gelegt."
   Es war 15 Uhr. Eigentlich zu spät für das Mittagessen, aber noch zu früh für das Abendessen. Zumindest das Frühstück konnte ich ausschließen. Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß es aufgrund der Sommerzeit eigentlich erst 14 Uhr war, entschied ich: "Ich nehme das Mittagessen."
   "Bitte sehr, das ist Ihr Mittagessen", sagte er und stellte mir einen Teller auf den Tisch, den er schon die ganze Zeit in seinen Händen gehalten hatte. Er hielt zwei weitere Teller in den Händen, die sich zwar nicht wesentlich voneinander unterschieden, aber offensichtlich das Frühstück und Abendessen sein mußten. Ich hätte nicht gewußt, daß es das Mittagessen war, das vor mir in meinem Teller lag, hätte es nicht draufgestanden.

Nach dem Essen war ich etwas müde geworden. Während ich zahlte, rollte der Kellner auch schon das Bett neben meinen Tisch. Mühsam warf ich mich auf die Matratze und kuschelte mich in der warmen Decke ein.
   "Möchten Sie mit meiner Frau schlafen?", fragte mich der Kellner.
   Aber ich war zu müde und hörte seine Worte nicht mehr. Es war ein erlebnisreicher Tag gewesen und ich schlummerte glücklich in mich hinein.

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Metti am 08.06.2014:

Das war eine hoffnungslos sinnfreie Geschichte aus dem Jahre 1998.




geschrieben von Mandy2018 am 18.03.2018:

Ich kann keinen Bezug von dem Titel zur Geschichte finden. Vielleicht sollte man einen anderen Titel wählen. z.B. Ein erlebnisreicher Tag oder so..... denn ich lese nirgends von einer Uhr auf dem Tisch. Oder war das ein Traum? Dann würde ich am Ende schreiben: Schade, dass alles nur ein Traum war aber ich kann das ja vielleicht sogar doch erleben, ich muss es nur machen. Liebe Grüße Mandy




geschrieben von Metti am 19.03.2018:

"Er löste seine Uhr vom Arm und legte sie mir auf den Tisch. "Dies ist meine Uhr und ich habe Sie Ihnen auf den Tisch gelegt."

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