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geschrieben 2021 von Mike P. Muzak (Muzak).
Veröffentlicht: 20.11.2021. Rubrik: Grusel und Horror


Corona, so nannten sie ihre lieben Gäste

Corona, so nannten sie ihre lieben Gäste
(Kurzgeschichte vom 20.11.21)

Es war einmal... jene kriegerisch mutige Frau hinter der Theke, die jedem Gast, der nicht rechtzeitig sein Bier bei ihr abholte, mit ihrer glänzend geputzten Pistole meistens in den Rücken schoss. Diese klare Regelung liebte man an ihr. Endlich! Da wurde nie darüber gestritten!

Dieser starken Frau schenkte die Gemeinde ihr altehrwürdiges Gasthaus mit einem Biergarten, auf dem Kastanienbäume den Schatten in jährlich heißeren Sommertagen spendeten und einem Saal mit einer beleuchtbaren Theaterbühne. Niemand wollte dieses urmenschliche Gewerbe mehr betreiben. Ewig diese Gesetze gegen den SARS-Virus! Monatelang die Tür des Gasthauses geschlossen halten, dann nur kurzzeitig unter Bedingungen gegen die Geselligkeit der Leute öffnen dürfen, dazu strengste Kontrollen mit höchsten Bußgeldern! Der Liter helles Bier mit seiner Schaumkrone kostete daher bei ihr längst 49,90 Euro. Früher konnte sich das ja niemand vorstellen, aber heute bezahlte man es eben...

Am Stammtisch in der Gaststube saßen täglich stundenlang sechs nette Personen. Sie waren die wenigen Menschen, die niemals einen Mund-Nasen-Schutz tragen mussten, weil sie alle drei Monate gegen jede mögliche Virusinfektion geimpft wurden – und auch werden wollten.
Und Corona, so wurde die Wirtin von den Stammgästen genannt, liebte sie, weil sie tranken und aßen, immer so viel sie nur konnten, um ihr berühmtes, traditionelles Gasthaus am Leben zu halten.

Jori, der Hamburger Fischer, ermordete einst seinen besten Freund und Kollegen an Bord. Dieser Sauhund wollte einfach nicht seine stinkig schmutzigen Fischfinger von Joris vollbusiger Freundin lassen. Also musste es geschehen: Als sie eines Nachts von dessen besten Fähigkeiten als Liebhaber zu laut träumte, ergriff doch eine unbremsbare Wut den liebenden Jori. Bei der nächsten Ausfahrt auf der Elbe steckte er ein Fischermesser in den Rücken seines boshaften Freundes und Nebenbuhlers; danach warf er ihn über Bord und dachte nur, schade, dass es hier keine hungrigen Piranhas gäbe.
Alle Freunde am Stammtisch bewunderten Jori wegen seiner außerordentlichen Liebesfähigkeit zu seiner Frau. Leider verstand sie ihn nicht, so dass er sie kurz darauf bei einem romantischen Abendspaziergang bei Mondlicht im Stadtpark mit seinem geheiligten Beil erschlagen musste. Es war das einzige Erbstück seines Großvaters! Jori hatte es nahe der Sitzbank im Gebüsch versteckt, so musste er nur kurz zugreifen! Schlau, nicht?!

Wibke, die ehemalige Bankangestellte aus Frankfurt, liebte diese schöne Geschichte mit dem sehr glücklichen Ende, weil ihre Geschichte anders verlief. Ihren treulosen Ehemann sah sie leider eines Tages nicht mehr wieder. Er war mit einer anderen Frau durchgebrannt. Dabei hatten sie schon fünf Kinder zusammen und planten eine wunderbare Zukunft ihrer Familie. Aber nach seinem letzten Telefonat, als der Satansbraten ihr beichtete, dass er bereits mit dieser Schlampe zusammengezogen war, musste Wibke ihn bestrafen. Eine grenzenlose Enttäuschung und Wut packte sie. Sie schnappte sich jedes ihrer Kinder einzeln in der Wohnung und erstickte oder würgte es bis zur Bewusstlosigkeit und anschließend ersäufte sie seine Kinder in der Badewanne. Nur der Älteste entkam ihr leider, weil dieser Trottel freiwillig in der Schule war. Jedenfalls klatschte Wibke jedes Mal wild erfreut in ihre Hände, wenn Jori seine alte Geschichte einem Neuling am Nebentisch erzählen sollte.

Iwan, der ehemalige Buchhändler aus Leipzig, war auch einmal solch ein grünohriger Neuling, aber seit einigen Wochen darf er ebenfalls an Coronas Stammtisch sitzen. Sein Vorgänger Achim, ein ehemaliger Dorfbürgermeister bei Flensburg, der seine boshafte Schwiegermutter, die ihm ihren viel zu großen Hof nicht vererben wollte, mit der Mistgabel erstach und dann in deren Heustadel mitverbrannte, war leider rasch schwerhörig geworden. Vielleicht doch das Virus!? Achim traf die volle Ladung an einem Samstag Abend aus Coronas Pistole. Sie sahen sich alle im Fernsehen die Sportschau an und stritten zu laut über ein Fußballspiel. Die liebe Corona schleppte Achim schnell aus der Gaststube und putzte die Blutspuren weg. Sie hat ja auch seit einiger Zeit einen eigenen Friedwald von der Gemeinde als einjähriges Jubiläumsgeschenk bekommen. Sehr zuvorkommend, wirklich nett!

Iwans Eltern waren geflüchtete Russen; sie verehrten den ersten russischen Zaren sehr und empfanden es ungestraft unverschämt, ihren Volkshelden mit dem gemeinen Beinamen »der Schreckliche« zu beleidigen. Er wurde damals nur anerkennend »Grosny« gerufen, was eben »der Starke, der Mächtige, der Drohende« bedeutet. Ihren eigenen kleinen Iwan würden sie vielleicht auch »Grosny« nennen, weil er doch nur seine liebevollen Eltern endlich von seinen beiden unwerten Zwillingsschwestern befreit hatte, sie waren geistig und körperlich behindert und deshalb sollte er die elterliche Buchhandlung eines Tages übernehmen. Aber Bücher hasste der arme Junge doch! Eifersüchtig war er auf die Bücher und die Schwestern, weil sie ihm die ersehnte Zeit mit seinen Eltern raubte. Da musste er nur warten, bis er einmal allein mit den beiden in der Buchhandlung war. Weil sie sich keinen einzigen Schritt ohne Hilfe fortbewegen konnten, zündete Iwan einfach die Buchhandlung an vielen Stellen an und wartete darauf, dass seine Eltern zurückkamen. Die Freude war zu groß für beide: Sein Vater erschoss sich wenige Tage später; seine Mutter versuchte einige Wochen danach, nachts im Dunkeln im Störmthaler See volltrunken mit Wodka zu schwimmen. Damals war Iwan traurig, heute lacht er aber längst wieder darüber.

Sepp, der erzkatholische »Josef« aus München, lacht am meisten mit Iwan, wenn er andächtig wieder einmal sein erbauliches Märchen von seinen verbrannten Zwillingsschwestern und den unlesbar verkohlten Büchern auftischen soll. Der Bayer war ein zugezogener Halbösterreicher aus Braunau am Inn. Zum Fleischhauer wurde er dort ausgebildet und zu einem Großschlachthof in der damaligen Millionenstadt wanderte er aus, sagte man einst in seiner beschaulichen Gegend. Der weltberühmte Adolf stammte ja auch von dort.

Als Sepp eines Tages zum Urlaub nach Hause kam, besuchte er abends freudestrahlend sein geliebtes Dorfwirtshaus. Und was sah er dort? Einen Haufen zugezogener, reich gewordener Passauer an seinem alten Stammtisch, wo einmal sogar der fast einheimische Papst Josef Benedikt zu Besuch vorbeischaute! Erst machte er ihnen klar, dass das Wort »Passau« nicht von »Pass durch den Fluss« und einer »Au« stammen könnte, sondern, wenn er sie so betrachten würde, gewiss von der »Sau«, die nicht nur durch den dreckigen »Pass« spazierte, sondern auch sich dort im Dreck am liebsten aufhalten würde. So sei das bis heute überliefert. Und danach sprach er ihnen das Mann- und Menschsein ab, weil sie statt dem dunklen Bier und Bockbier immer nur dieses helle Kinderbier saufen wollten. Was für Waschweiber sie wären! Angst vor Spinnen hätten sie sicherlich auch noch!

Sepp war so enttäuscht und wütend, dass er aus seinem Wirtshaus scheinbar flüchtete, doch nur, um in seinem dunklen Mercedes auf diese Gruppe von perversen Eindringlingen zu warten. Und als sie endlich auf ihrem Heimweg sich umarmend torkelten, überfuhr er sie blitzschnell. Vier bis sechs von dem Abschaum waren es mit Sicherheit, lobte Sepp sich stets selbst, wenn er von seinem einsten gezielten Kampf berichtete. Dafür liebte ihn zumindest der Stammtisch. Und nur das war ihm wichtig! Solche Helden gäbe es viel zu wenige in dieser verlorenen Welt!

Selma, die ehemalige Altenpflegerin aus der Gegend um Stuttgart, kann das alles nur zu gut verstehen, denn dieses Unrecht widerfährt einem ja überall auf der Welt! Sie hatte auch einst ein sehr beschwerliches Leben bei einem alten, widerlichen Sack in seiner Nobelvilla. Sex war inbegriffen! Und als sie zufällig erfuhr, dass er sie in seinem Testament nicht einmal mit einer besonderen Belohnung bedenken wollte, tarnte sie seine tödliche Pilzvergiftung als bedauerlichen Unfall, der ihr sehr zu Herzen gegangen wäre. Weil sie das alles zutiefst bedauerte, wurde sie zunächst von ihrer Schuld freigesprochen, weil sie jedoch den gleichen Unfall an der schleimigen Tochter des ekligen Alten verursachte, und man sie deshalb bestrafte, fanden ihre abendlichen Gebete den Weg zu Gott. Er ließ die kränkliche Staatsanwältin eines Tages in der Klinik am Virus namens Corona jämmerlich schmerzvoll sterben.

Ali, der türkische, ehemalige Autohändler aus Berlin, betete auch jeden Abend, aber zu Allah. Er wurde vor vielen Jahren in seiner Heimat noch in der Armee zum Töten ausgebildet. Aber weil er damals mit zwei Kameraden eine Jüdin mehrmals vergewaltigt und anschließend wegen deren Ehebruchs zu Tode gesteinigt hatte, durfte er nicht mehr seinem stolzen Vaterland dienen. Seine weisen Vorgesetzten urteilten, dass er bedauerlicherweise sehr dumm sei, denn dabei sollte man sich eben nicht erwischen lassen, indem man Gegnern der Religion protzend davon erzählen würde. Ali tat das eben. Aber hier am Stammtisch seiner zweiten Heimat, da fühlte er sich wirklich aufgehoben. Auch Selma und Wibke verstanden ihn nicht nur, sondern wären gar nicht abgeneigt, mit ihm ein ausgiebiges »türkisch-deutsches Schäferstündchen« zu verbringen. Ali allerdings wollte Sex nur mit Jüdinnen, die man ehrenhaft zu Tode foltern könnte, so dass ihm Allah wie vorausgesagt im Paradies einen Haufen Jungfrauen schenken würde.
Daran glaubte Ali fester als an alles Andere! Allah wäre Alis bester Freund, das brüllte er immer zwischendurch in die Gaststube, nachdem er dort viel zu viel Wasser getrunken und Wasserpfeife geraucht hatte.

Und dann war es wieder einmal so weit: Die Wirtin setzte sich kurz nach der Sperrstunde zu den guten Freunden an ihren Stammtisch. Heute hatte jeder ihrer Gäste überlebt. Coronas Pistole musste nicht benutzt werden, um für Ordnung zu sorgen. Was für ein ruhiger Arbeitstag!

Corona hatte auch allmählich Schwierigkeiten mit der Anzahl der Gräber in ihrem Friedwald. Sie musste eine Gebietserweiterung beantragen. Doch sie wusste noch nicht bei wem; denn die bisherigen Zuständigen gingen bei der letzten Familienfeier in ihrem Biergarten einfach nicht rechtzeitig zu ihr an die Theke. Die Pistole war beinahe »im Dauereinsatz«, verglich Ali, wie wenn er von seinen Kriegshandlungen berichtete, obwohl er doch niemals welche ausüben durfte. Ja, so ungerecht sei die Welt, dass man sogar täglich gezwungen wäre, seine besten Freunde zu belügen. »Schrecklich!«, schrie da Ali in die betrunkene Runde – und alle lachten so herzlich wie immer!
Und nun zu dieser fortgeschrittenen Stunde, während sie alle wie jeden Abend ihre Zeche brav bezahlten, überfiel die liebenswürdige Wirtin eben doch wieder einmal die romantisch glückliche Erinnerung, die sie auch wie immer mit all ihren Stammtischfreunden teilen wollte:

»Ist es nicht wunderbar, dieses Corona-Virus! Seit elf Jahren in der 22. Welle bekämpfen sich in unserem Staat die immer weniger werdenden übrigbleibenden ungeimpft starken Leute und die auch wenig gewordenen Impfwilligen bis aufs Messer. Die Häuser sind ebenso menschenleer wie die Straßen geworden; die Altenheime und die Schulen sind verwaist und verstauben. Die restlichen Leute hocken rund um die Uhr an ihren Computern und bemühen sich, damit Geld zu verdienen, um die überall allzu sehr gewachsenen Steuern bezahlen zu können. Viele haben ihr Eigenheim verkaufen müssen, um ein bisschen Dach irgendwo im zwölften Stock über ihrem ach so klugen Kopf behalten zu dürfen. Ja, und wir, meine teuren Freunde, uns haben sie in den geschlossenen Anstalten jahrzehntelang von dem tödlichen Virus ferngehalten! Niemand durfte uns auch nur für wenige Minuten besuchen! Den täglichen Ausgang im Hof ließ man nur für den Einzeln zu, weil die frische Luft, die wir schnappen sollten, gar nicht so frisch war, wenn sie mehrere Personen gleichzeitig ein- und ausatmeten!

Und eines ach so schönen Tages gab es kein Geld mehr für unsere Betreuer und den Unterhalt unserer Behausungen! Und nur aus diesem Grund schenkten sie uns vorzeitig den Aufenthalt in der Freiheit wieder! Sie beschenkten uns mit Geld, ja Reichtum, damit niemand mehr für uns sorgen musste, weil es ja auch niemand mehr von ihnen konnte. Lasst uns jetzt zusammen anstoßen! Prost, meine gesegneten Freunde! Auf heute und auch wieder auf morgen! Wir sind die Sieger!«

Sie stoßen ihre immer vollen Gläser und Krüge freundschaftlich erklingend zusammen, als doch plötzlich so ein Neuling an einem anderen Tisch brüllte: »Ja, Prost! Auf Corona, unsere Königin!«

Sofort holte Corona ihre Pistole, schoss diesem Schreihals in den Dummschädel und verkündete, während sie eine fette Spinne auf ihrem Arm streichelte: »Das musste ja sein! Wieder so ein Idiot, der nicht wusste, dass `Corona´ gar nicht `Königin´ heißt, sondern `Krone´! Denn ihr wisst ja, Freunde! Wir sind die Kronen der Schöpfung!«

Und sie sprang auf den Stammtisch, schoss noch einmal, aber diesmal in die Zimmerdecke und sang aus ihrem glücklich sanften Herzen: »Lasst den Schwachkopf nur liegen, denn morgen räume ich ihn weg! Freunde, lasst euch alle lieben, denn morgen ist auch noch ein Tag!«

Und Jori lobte sie noch stürmisch, dass sie so großartig singen und auch dichten könnte, und bewunderte dabei zufrieden ihren großen, über ihm mitschunkelnden Busen...

ENDE

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