geschrieben 2025 von Matthias Stilke (CaptainX).
Veröffentlicht: 18.04.2025. Rubrik: Fantastisches
'ne Menge Ärger - Teil 1
'ne Menge Ärger – Teil 1
Obwohl der Planet Garrghkha mit einem Durchmesser von 13.100 Kilometern erdähnlich groß ist, lebt die milliardenschwere Bevölkerung zum überwiegenden Teil dicht gedrängt in gigantischen Megastädten - auch Metropolen genannt. Darüber hinaus ist alles knapp: Wasser, Nahrungsmittel, Rohstoffe, frische Luft und sogar persönliche Freiheit. Wie auf vielen Welten mit hohen Bevölkerungszahlen herrscht auch hier eine strenge Justiz. Außenweltlern wie uns ist es verboten, sich außerhalb der kleinen, schäbigen Raumhäfen zu bewegen.
Nun warteten wir bereits drei Tage auf einem dieser auf den Metropolen verteilten Raumhäfen auf unsere Anschlussladung, die uns wieder nach Ekzeptor zurück führen würde. Immer wieder wurden wir vertröstet und langsam verließ uns das Vertrauen in den Handelsagenten des hier zuständigen Oligarchen.
Am Morgen des vierten Tagen war ich gerade auf einem Inspektionsrundgang um das Schiff unterwegs, da näherte sich eines dieser schweren, dampfbetriebenen Radfahrzeuge mit lautem Getöse unserem Schiff. Bei seiner orangenen Lackierung schwante mir nicht Gutes - wurde diese Farbe doch vom örtlichen Militär verwendet, dass auf diesem Planeten auch polizeiliche Aufgaben übernahm.
Das massive Gefährt hielt dicht neben mir und zwei Vargr stiegen aus (Vargr ähneln im Aussehen und Verhalten humanoiden Hunden). Sie trugen diese typischen, braunen Militäruniformen und diese seltsam-hohen Kopfbedeckungen.
»Ich grüße sie.«, sagte der Kleinere der Beiden. Für einen Vargr sprach er ein gutes anglik: »Ich bin Leutnant Ortzz und das ist Captain Prhahn. Wir gehören zur militärischen Führungseinheit. Sind sie Kapitän Thora Gashuggi?«
Ich schmunzelte. Diese Beiden haben wohl noch nicht viel mit Menschen zu tun gehabt. Normalerweise kann ein Vargr Männlein und Weiblein bereits auf Distanz wittern.
»Bedaure. Ich bin nur der Pilot. Benjamin Crane. Ich glaube Kapitän Gashuggi schläft noch.«
»Wäre es ihnen möglich sie zu wecken? Es ist wichtig.«
»Selbstverständlich, Ortzz.«, sagte ich vorsichtig. Die Militär- und Polizeistrukturen waren hier sehr unübersichtlich und man ist gut beraten, den Behörden nicht dumm zu kommen. Andererseits machen die beiden Vargr keinen aggressiven Eindruck auf mich.
»Thora? Bist du wach?«, sprach ich ins Intercom: »Kannst du mal bitte runterkommen? Hier sind zwei Vargr-Offiziere, die mit dir sprechen wollen.«
Es knackte im Lautsprecher: »Natürlich, Ben. Probleme mit dem Fahrwerk?«
Sie nahm zu recht an, dass die Vargr mithörten und fragte mich so verschlüsselt, ob es Probleme gab, auf die sie sich vorbereiten musste.
»Ne. Ich denke nicht. Sieht alles gut aus.«
»Okay. Bin gleich unten.«, sagte sie und schaltete ab.
Ich unterbrach das darauf folgende peinliche Schweigen: »Hey, Ortzz. Wo haben sie so gut anglik sprechen gelernt?«
»Ich glaube, Übersetzer wäre die angemessenere Anrede, Pilot. Offizier spricht eure Sprache so gut wie gar nicht.«, sagte mir der Vargr. Ich wusste, dass es nicht unhöflich gemeint zwar - es war so bei den Vargr einfach so üblich.
»Ich habe vor einigen Jahren auf Ekzeptor gearbeitet und mit Menschen zu tun gehabt.«
»Leider spreche ich nur ganz wenig vargr.«, sagte ich, um das Gespräch am Laufen zu halten.
»Das ist kein Wunder.«, sagte er und fügte noch sperrig hinzu: »Die menschliche Sprachanatomie ist mit unserer Sprache kaum kompatibel.«
'Wohl wahr, wohl wahr', dachte ich so bei mir und war froh, als ich Thora die Schiffsflanke entlang auf uns zukommen sah.
»Hallo, zusammen.«, sagte sie und dann zu mir: »Das sind die Offiziere?«
Bevor ich antworteten konnte, sprach Prhahn drauf los. Oberflächlich hört sich vargr für menschliche Ohren durch seine Zisch-, Heul- und Knurrlaute unschön und aggressiv an. Übersetzer erledigte sofort seine Arbeit: »Offizier Prhahn grüßt den Kommandant der TIEFENRAUM.«
Sie hob die linke Augenbraue, sagte aber dann: »Ich grüße sie auch. Was verschafft mir die Ehre?«
Ortzz übersetzte und Prhahn polterte weiter: »Es hat heute morgen nicht weit von hier eine Schießerei gegeben. Meine Kommandantur fragt an, ob sie uns bei der Klärung der Hintergründe unterstützen würden.«
Jetzt hob Thora auch die zweite Braue, sah zu mir und wieder den Offizier an: »Ähh ... ja ... ähh ... Aber wieso wir?«
»Sie sind mit ihrem Schiff sicher weit herumgekommen und verfügen vielleicht über Erfahrungen, die uns bei diesem Ereignis helfen könnten.«
Garrghkha ist keine übermäßig gewalttätige Welt - auch für Vargr-Verhältnisse. Trotzdem sterben bei knapp neun Milliarden Einwohnern auf so engen Raum täglich hunderte oder gar tausende Bürger durch Raub, Mord und Totschlag - trotz der sehr strengen Waffengesetze.
»Um was geht es genau?«, wollte Thora wissen.
»Die Zeit drängt.«, sagte Übersetzer: »Weitere Details erhalten sie auf dem Weg.«
»Wie weit ist es denn?«, fragte sie.
»Nicht sehr weit.«, meinte Übersetzer: »Sie erhalten eine Aufwandsentschädigung für ihre Dienste.«
Sie wägte ab: Keine erkennbaren Risiken und etwas Kohle. Könnte interessant werden. Auf jeden Fall besser, als hier auf dem Raumhafen weiter herumzuhängen.
»Okay.«, sagte Thora: »Wann geht es los?«
»Jetzt sofort.«, sagte der Vargr.
»Eines noch, Übersetzer.«, sagte Thora: »Meine Sicherheitsexpertin Tracy McLennies an Bord hat viele Jahre als Söldnerin gedient und hat viel Erfahrung im Waffenhandwerk. Sie wäre bestimmt eine große Hilfe.«
Ortzz fragte bei Prhahn nach. »In Ordnung.«, übersetzte er schließlich: »Aber die Waffe muss hierbleiben.«, sagte Übersetzer und deutete auf den Holster an ihrer Hüfte: »Das ist Gesetz.«
»Ein Scheißgesetz!«, murmelte Thora kaum hörbar und dann etwas lauter: »Okay. Habt ihr was dagegen, wenn ich meinen Revolver verdeckt trage?«
»Keine Waffen!«, sagte Übersetzer scharf: »Sie werden keine benötigen.«
Thora nickte schließlich: »Na schön.«
Tja. So wurden wir in eine Entwicklung hinein gezogen, die uns im Grunde überhaupt nichts anging, aber beinahe zum Verhängnis wurde.
***
Der Dampfradler startete unter einem Höllenlärm. Der Pilot steuerte das monströse Gefährt vom Landeplatz. Die schwere, rußige Rauchfahne hing noch minutenlang in der Luft. Beide Vargr-Offiziere und die Menschen saßen auf dem erhöhten, offenen Ladebereich.
»Fünf tote Soldaten. Erschossen mit einer unbekannten Waffe.«, brüllte Ortzz den Menschen zu: »Zwei oder drei Stunden vor Sonnenaufgang.«
Das war ungewöhnlich. Von Sonnenuntergang bis Aufgang herrschte in allen Metropolen auf diesem Planeten Ausgangssperre und nur dem Militär waren Patrouillengänge erlaubt. Waffenbesitz war streng verboten, sogar Messer und Knüppel.
»Irgendeinen Verdacht?«, brüllte Thora zurück.
Ortzz zuckte mit den Leffzen: »Der ermittelnde Offizier vom zuständigen Regiment hat sich dazu noch nicht geäußert.«, meinte er.
»Das Militär ermittelt?«, fragte Tracy etwas erstaunt: »Macht das hier nicht die Polizei?« Anscheinend hatte sie nicht die Planetendaten gelesen.
Übersetzer konnte wohl mit dem Begriff Polizei nichts anfangen. Er wechselte einige Worte mit Prhahn und sagte dann: » Polizeiliche Vollmachten obliegen auf Garrghkha dem Militär.«
Tracy sah Thora an, rollte die Augen und schwieg.
Benjamin nahm den Faden wieder auf: »Als sie sagten, sie wären von der militärischen Führungseinheit, dachte ich, sie seien mit den Ermittlungen beauftragt.«
Übersetzer schüttelte hastig den Kopf, eine Geste, die seltsamerweise überall im bekannten Universum als Verneinung verstanden wird (nur bei den Lymurenern nicht, da diese keinen Hals haben): »Kriminaldelikte werden von den zuständigen Regimentern bearbeitet. Die Führungseinheit untersteht dem Thraakh und den Lords. Wir unterstützen die Regimenter in ihrer Arbeit.« Mit 'Thraakh' meinte er die Mitglieder der Regierung, den 'Alten Rat' und mit 'Lords' vermutlich die herrschenden Oligarchen. Allerdings ist das Regierungs- und Behördengeflecht gelinde gesagt recht unübersichtlich, zumal die verschiedenen Militärinstanzen immer und überall ein Wörtchen mitzureden hatten. Ben beschloss, das Thema nicht weiter zu verfolgen und beobachtete die vorbeiziehende Architektur.
'Nicht sehr weit.', meinte Übersetzer. Dieser Satz hatte in einer Metropole auf Garrghkha, wo man mehrere Tage unterwegs war, um die Stadtgrenze zu erreichen, eine andere Bedeutung. Dazu kam noch, dass die meisten Vargr zu Fuß unterwegs und die Straßen außerhalb der Sperrzeiten voll waren. Prhahn's schwerer Dampfradler musste viele Male abrupt abbremsen und beschleunigen, um die trägen Vargrmassen auseinander zu treiben. Wie durch ein Wunder kam bei diesem Chaos niemand zu schaden.
Garrghkha's Stadtbild war wuchtig und einschüchternd. Die meisten Häuser hatten sechs bis acht Stockwerke - große schmutzig-graue Betonklötze mit kleinen Fenstern, die hier und da vor vielen Jahren einmal bunt angemalt wurden, ohne dass sich das optische Erscheinungsbild dadurch entscheidend verbesserte. Die Straßenschluchten zwischen den Gebäuden waren meist schmal und verstärkten dadurch die bereits erdrückende Architektur.
Nach fast dreißig Minuten staute sich eine Vargrmenge vor einer Absperrung von Soldaten, die ihre Gewehre als Barriere quer vor der Brust hielten, um Schaulustige fernzuhalten. Sie öffneten die Soldatenkette und ließen das Gefährt durch.
In dem Bereich dahinter standen bereits einige weitere Dampfradler des Militärs, allerdings mit einer orange-braunen Lackierung. Gruppen von Soldaten standen hier und da herum und beobachteten neugierig die Neuankömmlinge. Vermutlich hatten auch diese bislang nur selten Menschen zu Gesicht bekommen.
Prhahn führte Thora,Tracy und Ben. zielstrebig in eine kleine Gasse, die von der gesperrten Straße abzweigte. Es handelte sich sogar um eine Sackgasse. Nach etwa zwanzig Metern war der Weg durch eine triste Betonwand blockiert, bei der es sich um die Rückwand eines Gebäudes handelte, dass vor Jahrzehnten hier einfach hochgezogen wurde. Der Boden war von Dreck und Müll übersät. Nur wenig Umgebungslicht verirrte sich hierher.
Zentral in der Gasse standen zwischen einigen Leichen sechs Vargr in der typischen, braunen Militäruniform der Infanterieregimenter. Der Kleinste von ihnen, ein weißfelliger Vargr mit langen Leffzen und Reißzähnen, schien hier das Sagen zu haben. Er stand mittig und die anderen Vargr der Gruppe hielten respektvollen Abstand und lauschten seinen Ausführungen. Wie alles in dieser Sprache hörte sich das Gebrülle für volksfremde Ohren wie Flüche und Beleidigungen, Tod und Teufel an.
Als Prhahn mit Ortzz und den Menschen im Schlepptau sich näherten, stoppte er seinen Monolog und blickte feindselig auf die Neuankömmlinge. Übersetzer blieb mit den Menschen etwas zurück und überließ seinen Chef das Gespräch mit dem Weißfell. Aus dem Knurren und Spucken konnten die Menschen nichts Sinnvolles interpretieren und überließen es Ortzz, sie über das Geschehen am Laufenden zu halten.
»Bei dem kleinen Vargr handelt es sich um Major Rrghorrgo, dem Stabschef der hier zuständigen Regiments. Offizier hat ihm gerade erklärt, dass wir Berater organisiert haben, die ihn und seine Leute unterstützen werden.«
Der Kleine tobte und brüllte.
»Rrghorrgo erklärt, dass er für die Klärung dieser Angelegenheit keine Hilfe benötigt. Prhahn wendet ein, dass diese Unterstützung vom Lord befohlen wurde. Der Major erklärt sich einverstanden und gewährt uns Zugang zum Tatort und lässt uns an den Ermittlungen teilhaben, solange wir nicht im Weg stehen.«
Es mochte den Kern den Gesprächs wiedergeben - vermutlich hatten sich Prhahn und Rrghorrgo aber andere Wörter und Ausdrucksweisen bedient. Benjamin sprach zwar kein vargr, konnte aber deutlich einige Male das Wort 'Rughk' aus dem Gespräch heraushören. Es bedeutet 'Affe' und wurde vermutlich in diesem Fall als Beleidigung, bestenfalls als Beschreibung für Menschen verwendet.
Das Gespräch war beendet und Rrghorrgo wandte sich wütend wieder seinem Stab zu.
Tracy klatschte in die Hände: »Okay. Dann legen wir mal los.«
Fortsetzung folgt …

