Veröffentlicht: 17.04.2025. Rubrik: Menschliches
Das Tagebuch
Monika fühlte sich einsam. Sie lebte alleine, in einer bescheidenen 2-Zimmerwohnung, neben Menschen, deren Namen sie vom Türschild her kannte und mit denen sie, außer einem „Guten Tag“, noch nie einen weiteren Wortwechselt geführt hatte. Ihr fehlte der Mut, auf ihre Nachbarn zuzugehen. Konversation gehörte einfach nicht zu ihren Stärken.
Eines Abends, als der Regen sanft gegen das Fenster prasselte, hatte sie das Gefühl, die Zimmerdecke würde sich, von Minute zu Minute, immer weiter ihrem Kopf nähern. Am Liebsten hätte sie um Hilfe geschrien, aber ihre Kehle war wie zugeschnürt.
Monika setzte sich an ihren Schreibtisch und begann das, was sie in diesem Moment empfand in ein leeres Büchlein zu schreiben. Es war keine große Geschichte, kein Drama und auch kein literarisches Meisterwerk. Es waren einfache Worte – ungefiltert, roh und ehrlich. Jedes Wort glich einem Befreiungsschlag und mit jedem Wort fühlte sie sich besser.
Das kleine Büchlein war verschwiegen und gab keine gut gemeinten Ratschläge. Es kannte weder Spott noch Hohn und nahm jedes Gefühl und jeden Gedanken – wie unter einem Schweigegelübde – auf.
Monika durchlebte eine wundersame Wandlung, die nicht nur von ihren Nachbarn wahrgenommen wurde. Lächeln und die Frage „Wie geht es Ihnen“, ersetzten ein mürrisches „Guten Tag.“
Monika lebte auch weiterhin alleine, aber sie fühlte sich plötzlich nicht mehr einsam. Ein kleines Büchlein war zu Monikas Freund und einem ständigen Begleiter geworden, der sie auf ihrer spannenden Reise begleitete: der Reise des Lebens.

