Veröffentlicht: 22.03.2025. Rubrik: Unsortiert
UHRWALD
Wie der Uhrwald voller Uhren unser Leben bestimmt, zu Eruhren in der neuesten Wochengeschichte und Dreisatzroman aus meiner Feder:
UHRWALD
Voller Erstaunen und gewecktem Interesse lese ich die Anzeige in meinem Leibblatt. In der Sonntagsausgabe, die bereits am Samstag früh in meinen Briefkasten ploppt. Da werden mutige Menschen (w, m und divers) für eine Expedition in den noch jungfräulichen Uhrwald gesucht. Ein Scherz-Cookie? Ein Witzbold, der dieses halbseitige Inserat in Auftrag gab? Kaum vorstellbar, dass jemand bei den heutigen Anzeigenpreisen so viel Geld ausgibt, um seinen Humorvorstellungen Genüge zu tun, denke ich beim Lesen. Doch meine Neugier als in Pension stehender mit magerer Rente unbetuchter Journalistenoldie ist geweckt. Wie ein gut konditionierter Jagdhund, der sein Opfer auf hunderten von Metern erschnüffelt, kitzelt mich der Uhrwald so heftig in der Nase, dass ich beim Samstagsbrunch dreimal hintereinander unheimlich fest niesen muss und dafür strafende Blicke meiner Gattin ernte. Schlage ihr vor, nachdem ich das inkriminierte Zeitungsblatt zum Lesen über den opulent gefüllten Teller gehalten habe, dass ich mich, um die Rente aufzubessern und damit das Brunchangebot qualitativ wesentlich verbessern zu können, für die Expedition bewerben werde. Für meine Bemerkung ernte ich verständnislose Blicke, die, als seien es Blitze, aus dem göttlichen griechischen Olymp schiessen. Dazu Zeigefingerbeerenspitzen, die ihre so verführerische Stirn erreichen.
Nun, seit Jahrzehnten, bald feiern wir die Diamantene Hochzeit, habe ich gelernt, solches Verhalten zu ertragen, es mit einem Gedankenwischtuch einer Hirnpolitur zu unterziehen. Mich dadurch nicht von meinem Weg abhalten zu lassen, selbst wenn dieser in weiser Voraussicht mit Glatteis überzogen ist, ich dabei nicht nur auf die Nase, sondern auch auf den Kopf fallen könnte, der Sturz mir die Flausen schmerzhaft austreiben wird. Jedoch der Uhrwald lässt sich partout nicht aus meinen Gedankengängen vertreiben, flüchtet sich nach einigen Stunden in von mir noch unerkundete eigene Gedankenhöhlen, hebt seine denkenden Zeigefinger in unerkannte Höhen, erscheint in Tagträumen, denen ich selbst in der Strassenbahn zum Gang an den Stammtisch der ausgeschaubten Journalisten nicht entgehen kann. Uhrwald, Uhrwald, klingt, das Echo an meine Schädeldecke werfend, die Forderung, diesem zu folgen. So ändere ich meine Headgooglemap von der Stammtischpinte zur Zeitungsverwaltung, die in der Anzeige als Anmeldeort angegeben ist. Hoffe, nicht bereits zu spät dort zu erscheinen, in einer Warteschleife zu landen, die mich schaukelnd ins Nimmertal führen wird.
Die Zeitungsverwaltung besetzt ein ganzes Hochhaus, die Redaktion, nehme ich an, eine Etage in einem schäbigen Altbau. Letztere haben ja auch nicht den Uhrwald ausgelobt. Ich betrete die Lobby des Hochhauses. Riesengross. Blitzblank sauber. Alles frisch gewienert. Glänzend. Doch, so schliesst mein widriger Kopf-Stand kurz, kein Gold- oder Bitcoinboden. Bescheidenes Auftreten gehört zur Pflicht der Meinungsschmachter, um dann umso heftiger zuzuschlagen, überall dort, wo ein Erfölgchen winkt, dort, wo in dieser Lobby abseits der Redaktion lobbyiert werden kann. Nirgends ein Hinweis auf die Uhrwaldanmeldung. Ich schreite mutig zum unbemannten, von zwei Riesenbuchstaben besetzten Informations-Schalter. Ziehe meine Verkleinerungsbrille aus meinem Wams, um diese zu entziffern: K-I lese ich da. Aha, auf dem neuesten Stand. Das K und die I richtig geschlechterspezifisch getrennt. Der Bindestrich von beiden eingebunden, da er sich nicht entscheiden kann, auf welche Seite er kippen soll. Voller Respekt, denn im Intelligenztest wurde ich einst im unteren Mittelstand eingestuft, wage ich die entscheidende Frage zu stellen, wo die Anmeldung zu erfolgen hat. Da wachsen dem dicklichen K zwei rosarote Zungen aus dem rechten Unterschenkel und dem I ein Schmerbauch in seiner lebendigen Mitte. Beide, es tönt erprobt und einstudiert, bringen die Antwort mit scheppernder Kasserolestimme nicht aufs Komma, nein, auf den Punkt.: „DU BIST BEREITS MITTEN DRIN, DENN SIEHE DA, DER UHRWALD HAT AUCH FÜR DICH GESCHLAGEN, WENN DU ES AUCH NICHT WAHRHABEN WILLST“.
Was soll das, appliziert mein gelenkiges Denken, das in meine Fussgelenke abgestürzt ist, ich habe den Fall des Falls deutlich vernehmen können.Sehe weder Gestrüpp noch wilde Tiere. Verlange als erstes eine Machete. Doch das schlanke, übergrosse I spuckt aus seinem dickgewölbten Bauch eine Uhr nach der anderen aus, die allgesamt den Rückwärtsgang eingelegt haben und deren Zeiger sich schnell und schneller drehen, bald mit einem scheusslichen Knall Überschallgeschwindigkeit erreichen, mir alle davonfliegen, als ich nach ihnen greifen will. In mir steigt ein Heimatgefühl auf. Ist mir die Zeit in meiner Existenz ständig davongeflogen, ja, entwischt, uneinholbar die breiten Flügel ausgebreitet um die nächste Ecke geeilt. Ich habe dabei die Kurve nie beherrschen können, bin jedes Mal in voller Eile aus dieser geflogen. An die Zeitböschung geknallt. Dabei jedes Zeitgefühl verloren, wie auch jetzt. All die ausgespuckten Uhren umkreisen mich jetzt. Bin zu ihrem Orbit-Mittelpunkt aufgestiegen. Aus mir fliessen Tage und Stunden. Minuten und Jahrzehnte. Kann das eine nicht mehr vom anderen unterscheiden. Selbst als der Wonnemonat Mai sich auf mein Haupt setzt, als sei er eine Krone, empfinde ich einzig das Bedauern, dass dieser, samt seiner Blumenpracht bald verwelken wird. Ich versinke im Ozean der Zeit, behängt von all den Zeigern, die immer intensiver auf die Satellitenuhren zeigen, bald sich in Potenz verzeigen, sodass ich zur Erkenntnis gelange, Zeit sei weder Vorzeige- noch Belastungszeit, auch nicht Vergehung, sie sei menschengemacht und deshalb weder relevant noch relativ.
Da erklingt eine mich gefangennehmende zeitlose Melodie, hebt mich hoch in luftige Höhen. Ich erkenne nun den Uhrwald in seiner ganzen Grösse und Einmaligkeit ...
Und als Bonus ein weiterer DREISATZROMAN aus meiner Feder:
U H R W A L D
Uhren
Die Sturen
Regeln unser Tun.
Spielen uns ohne
Eigen Zutun
Falsche
Töne.
Lassen
Ruhen schlicht
Die Skepsis gegen
Die täglich grässlich Hektik.
Herzlichst
François Loeb
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Herzlichst
François Loeb
Die Wochengeschichte und/oder der Dreisatzroman können stets mit Quellenangabe auf Ihrer Homepage, Ihrem Blog oder in der Vereinszeitschrift kostenlos aufgespielt werden!
Ich freue mich darüber !
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