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geschrieben 2025 von Deniz Kacan (DenizKacan).
Veröffentlicht: 20.02.2025. Rubrik: Menschliches


Wohin

Die Frau und der Mann stiegen aus dem Fahrstuhl des Hotels und schritten zur weitflächigen, kühlen Terrasse unweit des Flusses.

Sie konnten den Fluss und das Brechen und wilde Schäumen und Zerreißen des schlammfarbenen, gischtenen Wassers an der Schleuse hören.

Bald kam der Kellner von der Bar auf sie zu, begrüßte sie und führte sie zu einem der
vielen, leeren Tische.
"Bringen Sie mir bitte einen Macchiato", sagte die Frau.
"Für mich einen Flat White und dazu eine Karaffe Wasser", sagte der Mann.
"Was möchten Sie essen?"
"Jetzt nicht, danke. Mir ist jetzt nicht nach essen."
"Nein."
"Ok. Haben Sie noch einen Wunsch?"
*Nein, danke", sagte die Frau.
"Danke, das ist alles", sagte der Mann.

Der Hotelangestellte kehrte zur Bar zurück.

Dreißig Meter unter ihnen zur rechten Seite rauschte der Fluss, braungrün, schwer, zerreißend zur Schleuse...

Die Sonne war nur schwach am Himmelsraum. Wie es wohl bei Nacht hier auf der Terrasse war, die Sterne überall in der Tiefe der Nacht und dann das Leuchten und Glitzern der Sterne und des Flusses, dachte der Mann beim Blick in die Ebene, aber jetzt warf das Wasser des Flusses kaum Tageslicht zurück.

"Lass uns bitte nach dem Kaffee zum Rattenfänger Figuren- und Glockenspiel", sagte die Frau.
"Erst sollten wir zur Rattenfängerhalle, die ja hier ganz in der Nähe ist und schauen, wann das Konzert stattfindet", entgegnete der Mann.
"Das können wir. Aber ich bin wirklich gespannt auf die ganze Altstadt, auch auf das Rattenfängerhaus. Auf den Rattenfänger aus der Sage."
Sie waren für 5 Tage in der Rattenfängerstadt Hameln und planten den Besuch der Altstadt, eine Fahrt mit der Fähre auf dem Fluss, den sie von hier aus sehen konnten, ein Besuch des Stiftsherrenhauses.

Der Mann blickte kurz zum Fluss, dann wieder zum Bildschirm auf der Terrasse und den Nachrichten. Er schien plötzlich beunruhigt.

"Der ist auch so ein verfluchter Rattenfänger und lauter, hetzerischer Stimmenfänger. Der Rattenfänger aus Übersee."
Die Frau schmunzelte.

"Das ist der andere Rattenfänger, der geldhörige, sehr alte Aufwiegler", sagte der Mann und verwies mit dem Blick zum Podest auf der Hotelterrasse.

Sie hörten in den TV-Nachrichten die Ankündigungen der Massenabschiebungen Trumps. Es ist verbrecherisch, dachte der Mann, all das im Land der Freiheitsstatue. Einst die Bastion der Alliierten.
Der andere Kellner verstand ihre Aufmerksamkeit und stellte es lauter und gab ihnen ebenso zu verstehen, dass die Getränke gleich gebracht werden würden.

Bald sagte die Frau:
"Sie wollen sie nach Venezuela abschieben.'
"Sie wollen zu viele Menschen nach Venezuela, Mexiko, Panama, Argentinien und Kuba abschieben", sagte der Mann.
"All das ohne ohne langen Verwaltungsakten und ohne langen Rechtsprozessen. Ich glaube es sollen 100 000 oder 200 000 Menschen sein", führte die Frau fort.
"Nein", erwiderte der Mann. "Sie wollen noch mehr Menschen, zu viele Menschen bei seinem Amtsantritt, vermutlich sofort eine Million, nein mehreren Millionen Menschen , sogenannte Illegale, aus New York, Chicago, San Antonio, L. A., Texas, über die Südgrenze nach Südamerika abschieben. Ohne irgendeinen Gerichtsprozess. Einfach nach neu verabschiedeten Gesetzen dieser neuen Regierungsleute."
"Aber das ist verfassungswidrig und menschenverachtend."

"Es ist verfassungswidrig, aber dieser blonde, orangefarbene und sehr sehr alte Populist will das Verfassungsgericht umgehen."
"Es sind Massenabschiebungen. Das kann er nicht umgehen. Dieser kapitalistische, rassistische Schweinehund."
"Er wird es umgehen wollen. Dafür hat er Juristen und rechte, alteingesessene Ideologen in seinem Team, die es zu machbaren Regierungsbeschlüssen in den Städten und an der Grenze machen werden."
"Dieser kapitalistische, rassistische Schweinehund! Wohin die Menschen dann sollen, fragte er nicht."
"Das kümmert ihn nicht. Er stellt den Abschluss eines Geschäftes und auch dieses Verbrechens hier, trotz der Dimension, über jede menschliche Würde, über deren Leid und die demokratische Verfassung. Er würde auch gerne einige Mitarbeiter hier aus diesem Hotel wegschicken."
Sie schmunzelte. "Dieser Schweinehund!"

Der Mann zündete sich eine Zigarette an.
"Im Mai in Amerika werden wir im selben Brooklyner Hotel wie vor 2 Jahren untergebracht sein", sagte er bald. "Nicht, dass sie die Inhaberin aus Argentinien, diese wirklich gastfreundliche, herzliche, ältere Frau und ihre Kinder, auch abschieben wollen, Myriam."
"Das wäre fürchterlich. Aber der Abschiebewahn dieses Anwärters mit der puren Geschäftsmannart und rassistischen Ideologie und der seiner Leute kann überall wüten", erwiderte sie.

"Das ist wirklich irre, gefährlich für die Welt nach dem Zweiten Weltkrieg und unglaublich chauvinistisch", sagte er.
"Es ist verbrecherisch", sagte sie.
Er blickte zur Frau und dann zum Hotelparkplatz mit neu parkenden Autos aus dem Ausland, einem Wagen mit einem Nummernschild aus Norwegen.

"Wenn ich in New York beim Knicks Spiel im Madison Square Garden sein werde, sollte alles respektvoll verlaufen. Ich will dann nur an das Knicks Spiel denken und deren richtig gutes Spiel sehen und fantastische Dreipunktwürfe und erfolgreiche Spielzüge. An so etwas", sagte er, schaute zur Frau und dann zum Fluss und zur weiten Ebene dahinter.

Dann dachte er noch: Vielleicht auch an das Wiedererrichten der Demokratie nach diesem Volksaufwiegler und Demagogen in Rattenfängermanier!

Bald brachte der Kellner auf einem grünen Serviertablett die Getränke und sie tranken vom Flat White und Macchiato und vom Wasser, welches der Mann aus der Karaffe in zwei Gläser gegossen hatte.

"Dieser verfluchte Immobilieneigner und Verfassungsfeind der Demokratie."
"Der hat es auf den Wahlveranstaltungen versprochen und will entsprechend als Präsident das Team um sich mit Falken, Reichen und Rassisten aufbauen", sagte der Mann.
"Unglaublich", sagte die Frau.

"Sie jagen diese Menschen in den Städten und die Polizei scharrt sie an die Grenzen. Von da soll es nach Kolumbien, Mexiko, Argentinien, Guatemala gehen. Wie sie dann da stehen, ohne Arbeit, ohne Wohnung, ohne Geld, ohne einer würdevollen Lebensgrundlage, danach fragen sie nicht um Trump."
"Das alles im Jahr 2024 und 25. Es ist fürchterlich."

Wer war der Großteil dieser Menschen, dachte der Mann für sich.
Armselige, leidvolle, ohne öffentlicher Adresse. Von den Immobilieneignern angegangen. Von hartem Tag zu hartem Tag lebend mit irgendeiner Hoffnung in der Seele von einer größeren, lohnenswerten Welt.
Wohin sollen sie sich dann wenden?

So sagte er:
"Viele dieser Menschen werden in der Fremde dann keine Anlaufstelle haben, kein Haus oder Zimmer zum Schlafen. Keine Freunde oder Familien, die ihnen die Tür öffnen werden. Kein Bett, kein Fundament für ein angemessenes Leben. Er nimmt ihnen das."

"Es ist alles rechtswidrig."
"Das Leid dieser Menschen darf nicht ausgeblendet werden "
"Es muss gegen das Leid auf der Erde angegangen werden."
"So wie einst die siegreichen Alliierten in der Normandie kämpften und für das Menschliche in ganz Europa und der Welt einstanden. Ja, dafür stand Amerika. Das Land der Träumer von der besseren, gerechten, erfolgreichen Welt ..."
"Aber warten wir erst mal ab."
"Es sieht so aus, als würde er es umsetzen wollen."

"Sie wollen die Illegalen von der amerikanischen Eastcoast und Westcoast, aus Chicago und den Midlands abschieben. Der Plan ist es Millionen Illegale mit ihren Träumen und Koffern, trotz ihrer Arbeit und ihrem schweren Stand, also die Armen und Schwachen, nach Mexiko und Kolumbien abzuschieben", sagte der Mann erneut.
"Das ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit", sagte die Frau.
"Sie nennen es Amerika zuerst."
"Es ist Amerika begeht unter Trump ein Menschheitsverbrechen."

"Amerika wurde doch durch Masseneinwanderungen von Einwanderern und Migranten aus der ganzen Welt errichtet und zur Weltspitze geführt."
"Es ist ein Verbrechen am amerikanischen Sein, der Verfassung und der Menschheit!"

Es verging eine Weile. Sie tranken aus und bald legte der Mann einen 50 Euro Schein auf den Tresen, ließ etwas Trinkgeld da, nahm die anderen Münzen zurück und dann schritten sie am Fluss entlang.

Das Wüten und Zerreißen des dunklen Wassers an der Schleuse vernahmen sie auch hier.
Sie gingen weiter fort vom Hotel und glitten die Unterführung hinab. Schon ertönte auf den Kopfsteinpflastern und in der mittelalterlichen Atmosphäre das Rattenfänger Figuren- und Glockenspiel und sie fanden sich bald mit weiteren Touristen aus der Welt am Gebäude ein.
Es ist herrlich hier, sagte die Frau.

Sie hielten sich einige Zeit da auf. Es roch bald nach dem Gewirr aus Rum, Glühwein, geräuchertem Lachs. Der Mann blickte zu den Buden und hörte die Verkäufer an den aufgestellten Holzbuden und hallend in den uralten Gassen:
"Für einen perfekten, sorglosen Tag: Ein Glas Glühwein mit einem Schuss Rum für nur 2,90 Euro", rief einer. "Für einen idealen, sorglosen Tag."

Dann vom Stand drei Meter weiter: "Eine Fackel Lachs frisch geräuchert nur 3,50€."
Rechts von Ihnen:
"Nehmen Sie eine Tüte gebrannte Mandeln und eine Bonbontüten mit Lakritz für nur je 1,50€", hörten sie eine junge Frau anbieten.

Sie verbrachten da eine Weile mit den weiteren Touristen und besuchten dann ein argentinisches Restaurant.

Etwa zwei Stunden später begaben sie sich zum Anlegepunkt der Fähre hinter der Schleuse.

Es ist gut hier, jetzt - fern der lauten Volksvergifter, Aufwiegler, Hetzer auch in ihrer Gesellschaft und der unverzichtbaren Demonstrationen, Einsätze und Petitionen zur Verteidigung der Demokratie - an diesen Tag, den Besuch mit ihr in den unbekannten, legendären Gassen, an die Bilder rechts und links der Fähre zu denken.
An die Ebene an den Ufern, während er einen Vogel am linken Ufer aufsteigen und segeln sah, und an das Bedeutsame im Leben.

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

Einen Kommentar schreiben

geschrieben von rubber sole am 20.02.2025:
Kommentar gern gelesen.
Hallo Deniz, deine Geschichte liest sich gut und hört sich richtig an - die Thematik werden wir wohl so bald nicht los werden. Die Schlusspointe ist vorhersehbar, für mich wäre ein weniger 'normales' Herkunftsland des Arztes, als Argentinien es ist, eindringlicher.
lgrs




geschrieben von DenizKacan am 24.02.2025:

Hallo rubber sole, es geht um die Verteidigung der Demokratie und der Menschenwürde - weltweit. Die Schwächsten herauspicken und diffamieren ist ein Armutszeugnis! Zudem die Dimension da verfassungsfeindlich ist.
Danke für deinen Kommentar.

Den Schluss habe ich an die Figur authentischer angepasst statt dem sofort erkennbaren Ausgang ;-)

LG






geschrieben von rubber sole am 24.02.2025:
Kommentar gern gelesen.
> Deniz

...deine Geschichte war auch mit dem ursprünglichen Ende stimmig – habe ich gerne gelesen. Der geänderte Schluss gibt ihr noch mehr Prägnanz. Wichtig bleibt, die Demokratie muss weiterhin verteidigt werden.

lgrs


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