Kurzgeschichten-Stories
Autor
Schreib, wie du willst!
Startseite - Registrieren - Login - Kontakt - Impressum
Menu anzeigenMenu anzeigen
1xhab ich gern gelesen
geschrieben von DenizKacan.
Veröffentlicht: 14.01.2025. Rubrik: Unsortiert


Revolutionäre

 
Er befand sich auf der steinernen Tribüne der Arena und blickte zum hohen Laternenmast über der Tribünenkurve, die sich bald ganz füllen sollte und zu den unweit des Stadions vom Krieg gebrandmarkten, grausilbernen Häusern. Dann flog sein Blick wieder zum Rasen und zur Aschebahn: Noch vor wenigen Monaten war es die Statte der Diktatur, des Finsteren, des Leids. 
Jetzt - nach ihrer Rückeroberung vom IS - war das Stadion in Rakka die Stätte der Freiheit, Menschlichkeit, des Widerstandes und Wunders dieser Revolution, fühlte er in seinem Herzen.
 
Er spürte das Dämmern der neuen, besseren Zeit und Welt. Er war wirklich zur Stätte der Revolutionäre in Rojava zurückgekehrt. 
Der Europäer blickte bald kurz zur gelbgoldenen Sonne, die über ihnen aufstieg und dann in die Gesichter einiger Kämpferinnen und Kämpfer,  die sich allmählich an den Tribünen einfanden, sah ihre Müdigkeit, etwas der Verwundungen und ebenso den ungebrochenen, hohen Willen in ihren Augen und Gesichtern und dem Antlitz und schaute im Stadion umher, in dem vor Monaten noch die Despotie und Diktatur herrschte, und blickte wieder zur Sonne und spürte Glück und Genugtuung.
 
Die Organisation des IS wollte den Kampf der Völker für die Demokratie hier in Mesopotamien, Nordsyrien brechen, aber es gelang ihm nicht. 
Als ich von hier nach Europa zurückkehrte, wollte mich der Richter bei der Gerichtsverhandlung in Mailand brechen, aber es gelang ihm nicht.
Der hiesige Kampf für die Demokratie ist so wichtig. 

Er dachte kurz an die in Mailand erzwungene Isolationshaft nach seiner Rückkehr aus dem nordsyrischen Quasistaat Rojava und an die protokollierten Besuche nach seiner Verurteilung für die Unterstützung des Widerstandes gegen das Terrorkalifat, an Besuche, die er während der wenigen Stunden, die ihm die Isolationshaft und der Hausarrest in der italienischen Stadt zuließen, auf einer Karte verzeichnen musste. Er war ähnlich einem irischen IRA oder Sinn Fein Mitglied in den Händen der Briten behandelt worden. Als sei er kein Kämpfer für die Menschlichkeit im Kampf gegen den IS gewesen, sondern lediglich der Terrorist. 

Sie wollten ihn brechen.
 
In den vergangenen Monaten und Jahren war es schwierig,
 
Aber er befand sich jetzt tatsächlich zum Zeremoniell an einer der Stätten des Widerstandes gegen das Terrorkalifat und dachte auch jetzt für sich, wie er es schon in Europa spürte: Dieser verfluchte Richter kann nicht in Europa und könnte auch nicht hier über diese Widerstandskämpfer und Freiheitskämpfer und Mutigen richten.
Sie sahen all das Leid, doch kämpften mit den Alliierten aus der Welt gegen den IS Terror und befreiten die Städte, Brunnen, Straßen und Plätze, in Kobane, Rakka, Qamishlo, kämpften ihr Land, ihre Welt hier frei.
 
All die Städte und Dörfer, Staudämme, Brücken, Plätze, Fabriken und Straßen und das weite, schöne Land bis zum Euphrat befreiten sie, und errichteten eine neue, demokratische Welt, mit der Hoffnung und dem Kampfesmut in ihren Augen und dem Kampf für die Veränderung. Sie sind meine Brüder und Schwestern und sind mir viel mehr als das nur funktionierende, systemtreue, wirtschaftsgefällige Handeln der Masse in zu vielen westlichen Städten.
 
Der Europäer blickte kurz wieder zur Sonne über dem Zweistromland und dann zur Aschebahn und zum entfernten Redepodest. 
 
Das Stadion erhob sich aus dem Bild der graugrauen Trümmer und Kriegsschäden und gelben, durchdringenden Strahlen der 11 Uhr Sonne.

Einst diente dieser Ort auch als Hinrichtungsstätte für den Islamischen Staat.
 
Jeder konnte die Untaten des IS sehen.

Welche Grausamkeiten hatten diese Tribünen unter der Tyrannei der Faschisten und Radikalen gesehen! Die befreiten Völker werden heute zu den Tribünen strömen und die neue Freiheit und das gerechte Leben und die neue, demokratische Dämmerung verkörpern. Er spürte die Sonne auf seinem Gesicht und war glücklich. Es war die Wandlung zu einer besseren, erhofften, nur erträumten Welt.
  
Ich bin wirklich hier.

 
Telefonat mit dem alten Freund vor dem Stadion

Noch war etwas Zeit zum Beginn der Veranstaltung. Bald schritt er vor das Stadion. Er zündete sich eine Zigarette an, und hörte im nächsten Moment das Klingeln seines Handys.
 
"Hallo, mein alter Freund. Das ist ja eine schöne Überraschung."
Ein, zwei Minuten der Freude des Wiederhörens.
"Wie geht es dir, Alain Delon? Wie kommst du hier zurecht?"
"Ach, alles gut, ich bin vom Hotel zum Stadion in Rakka gefahren."
"Das ist eine wichtige Sache für die Tapferen!"
Kurze Pause.
"Wie geht es dir Rizgar, alter Freund?"
"Wir freuen uns auf deinen Besuch. Wann wollt ihr morgen früh losgefahren?"
"Gegen 8 etwa."
"Ok."
"Das sollte reichen."
"Lasst euch nicht aber viel Zeit während der Fahrt, das ist besser für alle Alain Delon. Es gibt noch immer hier und da IS Zellen in Rakka, aber auch in Kobane und Qamischlo", erwiderte Rizgar nüchtern und klar.
"Der Taxifahrer kennt die Straßen und weiß die Minen und versteckten Scharfschützen genauso zu umfahren", erwiderte Che Alain.
"Das ist besser für alle Beteiligten", sagte der ältere Freund.
Bald fügte er hinzu:
"Was machen die Rossoneri?"
"Sie siegten im letzten Spiel gegen Genua mit 2 zu 0."
"So sollte es für mein Mailänder Lieblingsteam immer sein", erwiderte der Andere mit freudvollem Herzen. "Ein Tollhaus mit Siegen und einer gewonnen Meisterschaft."
"Nach der Haft konntest du dir das erstmögliche Heimspiel in Mailand nicht entgehen lassen, ja."
"Der Richter konnte nicht den Einsatz für die leuchtende Revolution in Rojava, nicht den Besuch des befreiten Rakkaer Stadions und natürlich auch nicht den Besuch des fantastischen Mailänder Heimspiels verhindern."
Sie lachten beide.
"So eine Haltung gehört in diese Welt, mein tapferer Bruder!"
"Aber wie geht es dir und deiner Familie?" 
"Komm erst einmal morgen hierhin Alain Delon. Die Fahrt wird einige Stunden von Rakka nach Kobane dauern. Parkt hier sicher. Dann essen, trinken und reden wir hier in Ruhe im Hof am Granatapfelbaum. Du hast es ja immerhin bis zum Hotel in Rakka geschafft und das Wetter und die Kriegslage spielt auch mit", erwiderte der ehemalige Mitstreiter, Tapfere mit dem kühnen Herzen, der bei etlichen Bauprojekten und dem Aufbau dieser Revolutionsstätte mithalf, der wartende Gastgeber Rizgar mit freundlicher, vorfreudiger, lauter Stimme.
"Ich werde morgen hoffentlich bei dir sein, alter Freund."
"Hoffentlich, mein Freund."
Er legte bald auf und schritt die Stufen empor zurück zu den Tribünen, bald würde es beginnen.
 
Alain Dechamps, seine Kameradinnen und Kameraden nannten ihn entweder Alain Delon oder riefen ihm beim Kampfnamen Che Kobane, so nannten ihn die Revolutionäre in Rojava, war ein französischstämmige, ehemalige Student der Soziologie aus Mailand, 31 jährig, gebürtig jedoch in Italien war. Er war 1,91 Meter groß, schlank, helles Gesicht, blaue Augen, braune Haare und von schlanker Statur wie ein Leichtgewichtler. 
Früher hatte er Spiele des AC Mailand im San Siro besucht und Soziologie studiert ehe er dann von der Expansion und Mordpolitik des archaischen IS gegen Zivilisten in den Zeitungen vernommen hatte und in seinem Herzen spürte, dass er sich engagieren musste und da begann die Geschichte...

 Er hatte sich am Kampf in den Reihen der Syrisch Demokratischen Kräfte gegen den IS beteiligt, war dann nach Mailand zurückgekehrt und dort dann von der Justiz vorgeladen worden. Da hatte er dann eine 2-jährige Isolationshaft, ein Hausarrest in der norditalienischen Stadt, abgebüßt. Es veränderte sein ganzes Leben. Er durfte in jener Zeit keinen Platz der Stadt und der Öffentlichkeit aufsuchen wie ein stolzer, freier Mensch. Durfte nicht hinaus. War wie ein Gefangener, Verbannter und Entrechteter, beleidigt und kontrolliert im eigenen Hause, inmitten Europas, erinnerte er sich mit wütendem Schwall im Blut. Obwohl er sich für die Menschlichkeit und die systematischen Verbrechend es IS gestellt hatte mit den Revolutionären Rojavas...

Jetzt war er froh die Stimme des alten Freundes gehört zu haben.
Er plante den Besuch des alten Freundes, Tapferen und ehemaligen Kameraden Rizgar. Es ist das Haus des Bruders Rizgar und des Ingenieurs, der mit Ausbruch der Revolution aus der Niederlande zurück nach Rojava gekehrt war und den er in den Tagen des Kampfes gegen den IS kennengelernt hatte. Wie es ihm wohl geht?

Auch er hatte das kühne Herz eines Widerstandskämpfers, Unbeugsamen und hoffentlich Siegreichen, der nicht bezwungen worden war.
Was ist wohl aus ihm und seinen Kindern geworden? Der Fahrer sagte mir, es würde eine mehrstündige Fahrt durch Rojava werden, von Rakka nach Kobane.
 
Bald schritt er zurück und suchte die Tribünen auf mit seinen bekannten Gefährtinnen und Gefährten.
  
Wieder im Stadion
 
Alain blickte bald zum weiten, hellen Himmel und wieder zu den Tribünen mit den Widerstandskämpfern und Freiheitskämpfern aus der nordsyrischen Föderation Rojava, mit irischen, französischen, deutschen, spanischen, amerikanischen, kanadischen, italienischen, griechischen, brasilianischen Freiwilligen und Kämpferinnen und Kämpfern, mit Unbeugsamen und Hörenden, Solidarischen aus der Region und ganzen Welt.
 
Er war wirklich mit  ihnen an dieser Stätte des Widerstandes gegen den IS Terror.
 
Es war herrlich hier. Ein Wunder zwischen den Kriegstrümmern und Fronten hatten sie hier erkämpft und erschaffen, dachte er.  Er war in der Arena in Rakka eingetroffen wegen der geplante Zeremonie, die an die Eroberungen der belagerten IS Städte durch die SDK, Alliierten und gefallenen 11. 500 Kämpferinnen und Kämpfer erinnern sollten …
 
Nach dem Justizskandal und den schwierigen Tagen der Isolation inmitten Mailands, der europäischen, schönen, italienischen Stadt war er jedoch erneut ins leuchtende Rojava aufgebrochen. Auch Rakka, die ehemalige IS Hauptstadt, war von den Verbündeten der Anti-IS-Koalition, den säkular – demokratischen Revolutionären freigekämpft und erobert worden.

Auf der kriegsvernarbten Aschenbahn des Rakka Stadions und auf dem Rasen waren schon einige Kämpfer eines Bataillons aufmarschiert.

Bald hörten sie im Stadion das Militärorchester ....
 
Dann hörte er neben sich gut vernehmbar:
"Wie konnte dieser Richter in einer Demokratie so ein Urteil gegen dich erlassen? Er wollte dich damit brechen?", fragte ein anderer Kamerad zu ihm blickend.

Er erwiderte noch nichts.
"Dieser Richter wollte dich nicht ausreisen lassen und die Revolution und den Kampf gegen das totalitäre Reich vergessen lassen", hörte er bald die Kommandeurin, die hinter ihm in der Reihe stand..

"Mit dem Urteil und der 2 jährigen Isolationshaft sollte die Revolution hier vergessen werden", erwiderte Alain und wandte sich zu ihr. "Der Kampf für die Demokratie sollte vergessen werden, ebenso dieses fortschrittliche Projekt, diese Vision und Hoffnung der Völker auf eine bessere Zukunft und demokratische Welt."

"Solche Richter habt ihr in Italien?", fragte sie. 

"Er ist eine Schande für das demokratische Italien und ist ein Diener und Knecht der Faschisten und eine Schande für das demokratische Europa."

"Unglaublich!"

"Der verfluchte Richter hat sich auch schuldig gemacht, weil er die systematischen Untaten des IS nicht sehen wollte und argumentierte bei der Urteilsbegründung gegen mich mit der Teilnahme am Kampf gegen den IS bei der Befreiung des Staudamms und der Bedrohung der europäischen Gesellschaft mit Terrorakten, obwohl es kein Rechtsdelikt seitens der SDK in Europa gab, nicht in Italien, und nichts in meiner persönlichen Akte, vorlag", erklärte der Europäer. "Zudem sie der Gegenpol zur Finsternis des IS sind, eine helle, freundliche, demokratische Gesellschaft errichten mit dem Respekt vor allen Völkern und Religionen."
   
Nach einer Weile hörte er:

"Es war vieles sehr schwierig, aber es wird vorangehen. Der Richter und der IS haben beide verloren. Das Wunder hier wird aufgehen", sagte sie.
 
Sie lächelten, dann verstummten sie.
"Heute sind wir hier hier, weil wir es erkämpften in Syrien und Rojava mit unseren Einheiten für die Freiheit, Demokratie und Würde, während sie mit ihren Einheiten für die Unterdrückung und Unterwerfung kämpften."
Der Andere blickte zu ihr und war froh hier an dieser Stätte des Widerstands zu sein.

Dennoch war es vom ersten Tag an ein großes, schwieriges Wagnis. Wie oft war er im Kampf hier dem Tode nahe gewesen? Hätte er alles durch eine Gewehrkugel oder durch eine von diesen Hunden arglistig in einem Radio versteckte Mine verlieren können.

Alle hätten sie alles vor Rakka und Kobane verlieren können. 
Hin und wieder zogen dünne Wolken vor der Sonne entlang und weiter entlang des Stadions dieser einst gemarterten, blutenden Stadt.

Ihm gefielen die ziehenden, weißen Wolken und das nun helle Licht über dem Stadion und der Stolz und die Zuversicht in den Gesichtern der Besucher und Kampfeinheiten.

Sie hatten innerhalb der Anti-IS-Koalition den Kampf geführt gegen den Terror und die Tyrannei des IS, gegen das grausamste Terrorkalifat des 21. Jahrhunderts. Nun war er tatsächlich hier mit den Revolutionären und Standhaften. Sie hatten in der nordsyrischen Föderation Rojava die Freiheit erkämpft. Es gab die große, gleißende Hoffnung!
Aber würde es auch wirklich so bleiben? 

Er blickte erneut zum einst trügerischen, stählernen und nun scheinbar solidarischen Himmel und den gelbgoldenen, durchdringenden Sonnenstrahlen.

Dann hörte er die Kommandantin Hazal:

"Der IS säte auch hier viel Blut und Leid."

"Wie schon in den besetzten Städten, in Rakka, Karakosch, Mossul, Kobane."
 
"Wie konnte die Europäische Union da bei diesem Krieg in Syrien so lange wegsehen?"
 
"Das war eine Schande."
 
"Wie konnten die demokratischen Parteien in Mailand bei so einem Schandurteil gegen dich wegsehen?"
 
"Es gab linke Parteien und Sozialdemokraten im Europaparlament, die dagegen protestierten und eine Petition für mich starteten."
 
"So muss es sein und sollte es nach 45 und dem Inferno des Faschismus auch selbstverständlich sein."
Nach kurzer Zeit hörte er einen anderen Kämpfer.

"Schämt er sich nicht für so ein Urteil?! So was gehört in einen faschistischen Staat, nicht in die EU und europäische Zivilisation, Demokratie und das 21. Jahrhundert", sagte der Kämpfer.

"Solche Richter gibt es auch in der EU noch und es ist eine Schande nach dem Zivilisationsbruch in Nazideutschland und für das Zivilisationsprojekt Europas nach dem Zweiten Weltkrieg", erwiderte Alain.
 
"Auch heute gibt es wieder laute Populisten in der europäischen Gesellschaftsmitte, die gegen Kriegsflüchtlinge, denen nichts geblieben ist außer der Flucht und Hoffnung, hetzen wie einst die Nationalsozialisten und Faschisten gegen Demokraten, Juden und Minderheiten. Dazu Richter, die die Solidarität mit dem internationalen Kampf gegen die IS Barbarei verdammen und verurteilen."

"Da muss die EU wie gegen die faschistische Partie der Goldenen Morgenröte in Griechenland vorgehen und sie verbieten lassen."
"So wäre es der richtige Weg für die Demokratiefeinde."
 
"Dieser Richter fände diese Idee bestimmt nicht wirklich erstklassig. Obwohl er an einer Stätte der liberalen Alltagskultur und mit all den demokratischen Institutionen richten darf."

"Dieser Richter berief sich in meinem Gerichtsprozess auf ein aus der faschistischen Ära übrig gebliebenes Gesetz in den italienischen Strafgesetzbüchern", versuchte der Europäer zu erklären. "Aus Zeiten Mussolinis und solcher Diktatoren."

Aber dieser feige Handlanger, dachte er auch jetzt, kann nicht über mich und all diese mutigen Kämpfer, die sich gegen das Verbrennen der Erde, Häuser, gegen Massenvertreibungen, Hinrichtungen und Genozide des IS stellten, richten. Dieser feige, dreckige Handlanger!

"Die Kämpferinnen und Kämpfer haben im Einsatz gegen den IS den Menschen hier eine neue demokratische Welt, Sicherheit, Licht und Freude in ihre Herzen gegeben", sagte die Kommandeurin. "Die Welt hat dies gesehen."

"Sie haben den Menschen Alternativen gegeben und mit der Demokratie hier eine neue Welt geschaffen", wiederholte sie. 

Mit ihrem Kampf befreiten sie eine Fläche in der Größe Dänemarks, befreiten die Schulen, Häuser, Krankenhäuser, Universitäten von dem Unrecht und der Besatzung dieser Tyrannen.

Dieser Richter kann nicht über diese Verteidiger der Bedrängten und Flehenden, über diesen überdauernden Freiheitskampf richten. Er spürte diese Überzeugung und Wahrhaftigkeit in seinem Herzen. Er spürte es in seinem tiefsten Herzen. 
 
Es gab so viel Unrecht, auch deswegen muss diese Revolution siegen, dachte er.

Bald bald blickte er wieder zur Aschenbahn und zum Aufbau eines Rednerpultes.
 
 
Doch schon Sekunden danach blitzte urplötzlich der Einsatz zur Befreiung eines Staudamms vom frenetisch religiösen Feind in seiner Gedankenwelt auf: Tod, Rauch, Ungewissheit, der Feind unweit am Staudamm...

So erinnerte er sich an einen Vormittag, an dem die Operation zur Befreiung des Staudamms durchgeführt wurde. Beide waren sie an der Operation beteiligt. In Blitzesschnelle wie vor ihm aus der Erde auftauchend gab es das Peitschen und Toben der Gischt des Staudamms. Der Tod und die Befreiung warteten.
 
Gott sei Dank erfolgte dann die Rückeroberung des unverzichtbaren, seit Jahrtausenden besungenen Flusses und Wassers. Endlich das weitere Vordringen der Anti - IS- Koalition und säkularen, kurdischen, arabischen, internationalen Revolutionäre, und weitere Niederlagen der religiösen Extremisten.

Vor ihm dann das wichtige, silberne Wasser des Euphrats.
Die Energietrassen, die die Völker mit Strom und dem Notwendigen des Lebens versorgten, alles wie an einem gewaltigen, symbolbeladenen, außergewöhnlichen Wasser, unweit der immense, unverzichtbare Kampf für die Menschlichkeit ...
 
Neben der blutigen Erde die Hoffnungen mit dem Befreiungskampf – für die freie Welt an Ufern, Brücken, Straßen, Städten, Fabriken, Plätzen und souveränen, demokratischen Institutionen …

"Wären doch all die vielen Unschuldigen nur hier unter uns auf Erde und nicht gefallen. Könnten sie doch das befreite Stadion erleben", hörte er die Kommandeurin. "So viele grausame Verbrechen haben sie hier verübt."
 
Kurz spürte er Trauer und Wehmut.
Es verging eine Weile und man sah bald einige Vögel am Himmel und Stadion und hörte das Militärorchesters …

Dann flog sein Blick rundherum. In der Silhouette erhob sich das Stadion wie eine noch ungebrochene Burg, eine immense Stätte im Kampf gegen das extremistische, fundamentalistische Terrorwerk, jetzt nicht mehr unter finsteren Wolken und unter dem schwarzen, mörderischen IS – Banner - nicht mehr eine Folterstätte und Hinrichtungsstätte …

Stattdessen Licht, Erhabenheit, Hoffnung … Endlich der Neuanfang und die Demokratie!

Der aus Mailand stämmige Alain Che blickte jetzt umher und dann wieder zu den in roten Uniformen gekleideten Mitgliedern des Militärorchesters, dann zu den Kämpferinnen und Kämpfern auf der Laufbahn, mit internationalen Freiwilligen und Kriegerinnen und Kriegern, alle Unbeugsamen und Hörende, Solidarische aus der Region und ganzen Welt.

Einige Minuten marschierten sie.
 
Einige Minuten beobachtete er die Märsche.
 
Dann kehrten sie nach einer Runde vor dem Publikum und auf der Laufbahn auf dem Rasen ein. Einheit neben Einheit, die gegen das IS Kalifat und dessen fanatische Jihadismus Ideologie und dessen Expansion und Belagerung gekämpft und den IS gebrochen hatten, Kobane verteidigten vor dem Fall, einen wichtigen Staudamm befreiten, Hasake einkesselten, Rakka von drei Seiten belagerten und erobert hatten.
Sie haben die Menschheit vor der Niederlage gegenüber dem Extremismus verteidigt, dachte er sich.
In Höhe der Mitte des Spielfeldes waren die verschiedenen Flaggen der mitkämpfenden Einheiten aufgelanzt, wie Speere der Unbesiegten und Unbeugsamen und Beschützer der Völker.
Taumelnde, glückliche Herzen der Revolutionäre.
 
Gerade steckte er sich eine Zigarette an, als er die Stimme Azads hörte, es war ein ehemaliger Medizinstudent der Universität Istanbul, der bei der Eroberung der ehemaligen ISIS Hauptstadt Rakkas mitgekämpft hatte.

"Der Terrorist. Der große Terrorist aus Mailand."

"Der größte Terrorist Italiens und Europas."
Sie lachten beide.
"Für den verfluchten Richter bin ich es", sagte Alain.
 
"Für die Völker hier und die demokratiesche Welt bist du ein Bruder und Freiheitskämpfer", erwiderte der andere Kämpfer.
 
"Ohne dem Kampf gebe es keine Demokratie und Bürgerrechte."

"Nichts davon."
 
"Keine freien Fußballstadien, keine freien Zeitungen, keine besseren medizinischen Einrichtungen."
 
"Nichts davon in der Assad Diktatur. Nichts davon in der IS Diktatur. "
"Erst die Revolution hat mit dem Kampf den Völkern in Syrien, Rojava und der ganzen Region Hoffnung auf Verbesserungen der Massen und Völker im Sinne der Demokratie gegeben."
"Dieser Glaube ist entfacht. Man spürte es bei den Demokraten in der Welt, ob hier, in Istanbul, Mailand, Hamburg oder Paris."

'"Das ist erwacht, aber für eine bleibende, politische Lösung muss man sich mit den USA, Israel, Russland, auch mit der Türkei einigen. Bei einer internationalen Konferenz muss eine neue Verfassung in Damaskus verabschieden, alle, Araber, Kurden, Sunniten, Alawiten, Christen, Drusen und die Föderation Rojava in jener neuen demokratischen Verfassung absichern. Dann mit den Geldgebern der Siegerseite in den kommenden Jahren, Jahrzehnten den Neuaufbau schaffen."
"Das wird hoffentlich schneller passieren, als wir alle denken."
 
"So eine Art Marschall Plan für diese Region. Das wird der notwendige Weg sein."
 
Kurze Pause.
 
Bald fragte er ihn nach der Zeit des Hausarrestes und der Isolierung, von der er vernommen hatte.

"Diese Verbannung und Isolation inmitten der europäischen Gesellschaft muss dir zugesetzt haben. Galt das viel gelobte Europa nicht als der Kontinent der Menschenrechte, Bürgerrechte und hohen moralischen Standards?"

Er wartete mit der Antwort.

"Dafür stand, steht das Europa der Nachkriegsordnung, nach dem Zweiten Weltkrieg."
Dann fuhr er fort:
"Dieser Richter würde in das Jahr 1944 und neben NS Richter wie Freisler oder den braunen Führer Mussolini, Feinde der gerechten Justiz und Demokratie, passen. Ehe die Alliierten im Großteil Europas dann siegten, aber wohl noch unbeabsichtigt Schlupflöcher in der Justiz für Rückwärtsgewandte und Faschisten hinterließen."

"Das durfte nach dem Höllenfeuer des Zweiten Weltkriegs nicht sein."

Kurze Pause.

"Du hast gelitten in dieser Zeit."

Er erwiderte nichts.

"Es sollte dich, deinen Freigeist und dein solidarisches Handeln und Denken brechen."
 
Kurz spürte er die Last und Pein der Isolationshaft in seinem Herzen und verstummte.
 
"Unser europäischer Bruder, Weggefährte, Unbeugsamer. Gut, dass du da bist Bruder, Kamerad, Freund Che Kobane, mutiger Europäer und Kämpfer mit dem unbesiegten Herz", sagte der Andere, der es ihm anmerkte.
 
Er lächelte.

Nach einiger Zeit fragte er, es ließ ihn nicht los:

"Aber welche Urteilsbegründung hatte er?" 

"Das Sondergesetz stammend aus der Mussolini Zeit kam zur Anwendung", erwiderte er. "In Europa! Im neuen Jahrhundert!"
 
Er - der Verteidiger der Demokratie - habe jene demokratische Gesellschaft stark gefährdet, so der braune Richter. Er sei ein Terrorist, obgleich er sich an die Seite von Verfolgten gegen Terroristen und Völkermörder stellte, erklärte er. Der Richter argumentierte mit der Kampfbeteiligung unter anderem bei der Verteidigung Kobanes, am Staudamm in den Reihen der YPG und später bei den SDK.

Zudem sei er zuvor schon auffällig geworden wegen der Demonstrationsteilnahme beim Protest, unter anderem beim Widerstand gegen den Abriss von Sozialwohnungen.
"Griff dieser Handlanger nicht die Verbrechen des IS auf?", fragte der Andere.

"Nein."
 
"Wie kann der Schweinehund das nicht sehen?"
 
"Die New York Times, die italienischen Zeitungen, alle berichteten über die Untaten, aber dieser Richter griff es nicht auf."
"Er hat auch nicht die Dimension der global beabsichtigten IS Expansion ins Urteil aufgegriffen, mit dem beabsichtigten Erobern auch der Anrainerstaaten, zur Anbindung an das IS Kalifat."

"Er hat alles aus einem sehr niedrigen, unzureichenden Blick bewertet."
 
"Er hat auch nicht die systematischen Hinrichtungen des IS in Mossul und vielen anderen belagerten Städten aufgegriffen! All das, was über Jahre hinweg systematisch an Verbrechen passierte!"
"Unglaublich!"
 
"Dieser Bastard!"

"Dieser Schweinehund!"

Bald sagte der ehemalige Kamerad und Anti-IS-Kämpfer:

"Es wäre besser gewesen Che, du wärst als Diplomat hierher gereist und hättest auf eine Haltung der Neutralität und sauberen Diplomatie viel Wert gelegt, dich mit der Diktatur arrangiert statt auf dein Gewissen zu hören und die Diktatur zu bekämpfen."
Alain schmunzelte und der Kämpfer fügte hinzu:
"Noch besser wäre es gewesen, du wärest als Unternehmer oder als Handelsvertreter hierhergekommen, um gute, wirtschaftliche Aufträge mit zurückzunehmen nach Europa. Das wäre besser für das Haushaltsdefizit und dein Profil gewesen. Sicherlich hätte das dem Richter besser gefallen Wirtschaftsinteressen zu verteidigen statt Völker vor dem IS zu verteidigen! Oder eine bessere medizinische Versorgung den Millionen hier zu ermöglichen. Oder du hättest Verträge mit Banken besprochen, die die Banken noch reicher und Völker weiter benachteiligen und noch ärmer machen."

"Bestimmt hätte der große Richter das besser gefunden."
"Dieser scheiß, große Mitläufer!"
"Das hätte dieser  große, salomonische Mitläufer und Richter bestimmt besser gefunden."

"Der große Richter mit den großen, weisen Urteilen."

Sie lachten kurz.
 
Plötzlich wurde er ernster im Gedenken an die Haushaft. Selbst den Pass jenes europäischen Staates hatte man weggenommen mit Beginn des mehrjährigen Hausarrestes. Eingesperrt in einer kleinen Dachgeschosswohnung.
Es waren erniedrigende Tage und Nächte. Ein Hausarrest von 21 Uhr bis 7 Uhr morgens sollte ihn strafen und alles vergessen lassen. Man durfte in jener Zeit keinen Platz der Stadt und Öffentlichkeit aufsuchen wie ein stolzer, freier Mensch, durfte nicht hinaus gehen als freier Bürger Italiens.
Gefangen im eigenen Hause wie ein Tier, dachte er. Eine total kontrollierte Person. Zudem musste er alle Besuche und aufgesuchten Orte protokollieren.
 
Es war sehr erniedrigend gewesen.
Wie konnte all das inmitten der Europäischen Union möglich sein?
 
Er erinnerte sich an den kleinwüchsigen, völkischen Richter, der den Gerichtssaal betrat und nichts zu den Verbrechen gegen die Menschlichkeit des IS erklärte. Sie ignorierte. Ein Richter in einem demokratischen Rechtsstaat darf diese Dimension, den Kampf gegen diesen Frevel und deren Verbrechen nicht übersehen. Er hat es nicht aufgegriffen.
Dieser faschistische Bastard!

Kurze Pause.
Kurzes Spüren der Wut und Trauer im Herzen wegen all der Entbehrungen.
 
Er blickte zum Himmel und dann zum Rasen im Stadion mit den aufgelanzten Flaggen des Widerstands. Die mutigen Befreiungskräfte Rojavas unter General Mazlum Kobane und internationalen Alliierten stellten sich gegen das Verbrennen und Verminen der Erde.
Sie verteidigten die Menschheit und Menschlichkeit.

Sie stellten sich gegen das Morden des Terrorkalifats.

Sie befriedeten und demokratisierten die Region!

Er irrte sich, der Funktionär des Unrechts und Völkischen.

"Glaubst du, dass die inhaftierten IS Terroristen vor eine internationales Tribunal gestellt werden?! Viele erhoffen sich das."
"Es müssen Sondertribunale auf internationaler Ebene wie einst in Nürnberg oder bei den Gerichtsverfahren gegen die Verbrecher im Jugoslawienkrieg eingerichtet werden", erwiderte er. 
"Das wäre gerecht, aber das glaube ich beim Kampf gegen den IS nicht", erwiderte der Andere.
 Dann verstummten sie für eine Weile.
 
Oft dachte er an der Front, an den Lagerfeuern, am Tisch mit den Weggefährtinnen und Weggefährten über den künftigen, juristischen Umgang mit den IS Tätern nach.
Sie müssten vor ein Sondertribunal wie in Nürnberg. Dafür könnten sie Gerichte in Rojava und in Den Haag wohl einrichten. Die Möglichkeiten hätten sie. Mit dem Willen und der Unterstützung der internationalen Staatengemeinschaft würde dies sicherlich gelingen und den Hinterbliebenen, die ihre Familien, ihre Mütter, Töchter und Söhne, Väter in Rakka oder bei Anschlägen in Frankreich verloren, zum Recht verhelfen. Es würde abschrecken und viel mehr.

Für dieses Weltgericht hatten sie tausende IS Gefangene im Hol Camp einquartiert, damit tausende anklagbare Täter. Es gäbe dafür zehntausende Zeugenaussagen und Anklagen durch Vertriebene, Überlebende der Verbrechen.
Sie müssten belangt und gegen sie prozessiert werden. Diese Verbrecher müssten in den Saal 21 geführt werden. 21 wäre eine gute Zahl. So müsste die Saalnummer im Gerichtsgebäude heißen, dachte er. 21 als Zahl des Newroz, des Neujahrsfestes und Symbol des Sieges über die Tyrannen.

Einem Sondertribunal zur Rechtschaffenheit würde dieser angepasste, braune Richter und Handlanger nicht den Weg ebnen. Dafür wäre er zu feige, glitschig und mutlos. Aber es gab ganz sicher mutige, demokratische, gerechte Richter und Strafrechtler in Italien und Europa...

Es müsste ein Sondertribunal errichtet werden von den Alliierten und ebenso in Europa dieses vom Handlanger genutzten Sondergesetzt abgeschafft werden für eine wahre Demokratie, dachte er.
Dem Kampf muss sich dort jemand stellen.
 
Wieder blickte er zum Himmel, zur Sonne und einigen vorüber treibenden Wolken...
 
Ein weiterer Kämpfer

 Dann kam ein hochgewachsener, fetter Kämpfer dazu:
"Das hast du mit dir machen lassen?", rief er plötzlich die Stimme des ihn musternden und dem Gespräch zuvor lauschenden Mannes.
Keine Antwort.
"Wieso hast du dich so vorführen lassen?! Das hast du mit dir in einem sogenannten demokratischen Land machen lassen", wiederholte er und grinste mit dicklichem, schwitzigem Gesicht und zog dann an seiner Zigarette. 
Alain sagte nichts und tat so, als hätte er es nicht gehört.

"Du kommst doch aus einem richtig demokratischen Land und Kontinent. Dem richtig, demokratischen, in dem alle Menschen ja absolut gleich sind."
 Und hast sowas mit dir machen lassen."
Keine Antwort.
Der Andere musterte ihn noch einmal, eher ihn jemand herrief aus einer Kampfgruppe an den Stufen des Stadions und er hineilte.

Bald hörte er wieder die Stimme der Kommandantin neben ihm:
"Heval Che, Che Kobane! Gut, dass du hier bist", sagte die Kommandeurin. "Du hast  in den finsteren Tagen nicht weggesehen und hast bis zur letzten, gefallenen Hochburg mit uns gegen die verrohte Diktatur, gegen Abu Baghdadi und seine Jihadistenmilizen gekämpft. Das ehrt dich."

Er blickte von einer marschierenden Einheit  zu ihr. im Stadion ertönte laut die Musik des Militärorchesters.

"Die Revolutionäre hier leuchtet in den ganzen Nahen Osten und die Welt", sagte die Kommandeurin.
 
Die Worte waren Freude und Hohes in seinem Herzen.
"Du warst anders als viele andere, die in der industriellen Welt nur nach Profit und Aufstieg leben, sich anpassen, ihre Stimmen nicht erheben. Sogar zu Mitläufern der antidemokratischen, ausbeuterischen Strukturen werden."
"Ja, Bruder Che Kobane", sagte ein anderer Kämpfer aus den Reihen der SDK.
 
Dann verstummten sie.
Sie waren glücklich zusammen an der Stätte des Widerstands zu sein.
 
Bald holte er die Zigarettenpackung aus der khakifarbenen Hemdtasche, gab zwei, drei Zigaretten weiter und steckte sich eine Zigarette an.
 
Er blickte zu der einheimischen Musikgruppe, die bald auftrat... Sie spielten das Partisanenlied Bella Ciao
 
Er mochte die melancholische und traurigen, dann wieder trotzdem, kämpferischen Melodien und Psalmen über die Liebe, über Leben und Tod, über Faschismus, über Abschiede und dem ewigen Gedenken an die liebsten Menschen ..
 
Der Krieg tobte zu lange.
 
Wieso mussten so viele fallen?
 
Fast wäre er in Rakka an der Front gefallen. 

Die ehemalige IS Hauptstadt Rakka hatte Alain in seiner Einheit belagert und eingenommen. Dabei hatte er eine Verwundung und Gehirnerschütterung wegen der Detonation eines sprengstoffbeladenen LKWS erlitten.. Ein IS Attentäter hatte diesen gesteuert. Doch er war von einem Kameraden der SDK getötet worden, so konnte das Fahrzeug immerhin in ein Nachbargebäude gelenkt werden.
Sicherheitskräfte hatten ihn daraufhin gesichert, von Sanitätern behandelt war er so vor dem Tod bewahrt worden.
 
Fast war er in Mailand besiegt worden.
Nach Inkrafttreten des Schandurteils war er wie ein überführter Dieb oder Krimineller in Handschellen zur Wohnung und durch das Treppenhaus hinauf geführt worden. Im eigenen Hause. 
Damals ein schwerer, gehässiger Himmel und Mond über ihm.
 
Isolierte, dunkle Monate. In Mailand war er vor der Haft, während seiner Studientage, einige Zeit mit einem Mädchen zusammen gewesen, die in einem Unternehmen für Immobilienvermietungen und Verpachtungen gearbeitet hatte, ehe sie sich trennten und aus den Augen verloren. Wie er hörte, hatte sie einen älteren, wohlhabenden Immobilienmakler in einer anderen Großstadt geheiratet und war fortgezogen. Manchmal dachte er an sie in der Haftzeit. Aber er bereute nichts seines Kampfes für die Demokratie. Er war froh nicht einfach Teil des Räderwerkes zu sein und dem Unrecht in der Welt einfach als Zuschauer beizuwohnen, ohne eigenem Helfen, Streiten, Kämpfen für Besseres. 
 
Sein Großvater hatte in Frankreich bereits gegen die Faschisten aufseiten de Gaulles gekämpft und war im Zweiten Weltkrieg gefallen. Seine Großmutter und Mutter waren ebenso Demokratinnen gewesen, stolz auf den Gedanken der verbindenden Europäischen Union, doch sie waren verstorben. Der Vater war noch vor seiner Geburt mit der Familie von Marseille nach Mailand gezogen und arbeitete als Bankangestellter. Die jüngere Schwester studierte in Mailand und wollte Lehrerin werden. Oft dachte er auch an seinen Vater, der mit konservativer Weltanschauung über die neuen Flüchtlinge, die über den Seeweg und Landweg Europa erreichten, und über die proeuropäische Idee schimpfte.  

"Ein starker Mann müsste wieder aufräumen", hörte er oftmals.
Dagegen lehnte er sich auf, widersetzte sich dem.
"Hast du die Dimension und Teufel des Zweiten Weltkriegs und die Hölle in Europa und der Welt, den Holocaust, bewirkt durch radikale, völkische Führer und die Wanseekofrenz vergessen?", entgegnete er dann oft.
 
Deswegen war er froh nicht wie der Vater im Bankenwesen zu sein und ein Stein in der konservativen Mauer, von denen es so viele gabe, dachte er sich. Stattdessen war er an den Stätten der Revolution im Kampf gegen die Barbarei...
Ihm gefiel die leuchtende Idee des Sieges der Völker über die Ungerechtigkeit, wie sie unter anderem die Iren gegen die Briten bewerkstelligten und Che Guevara auf Kuba im Kampf gegen Ausbeutung und Ungerechtigkeit anführte, deren begründeten Kämpfe gegen Unterdrückung und Bevormundung, wenngleich er sich als liberalen Demokraten und nicht als Sozialisten sah.
 
Er wollte nicht in einer Welt leben, wo es nur um Wohlstand und Ausbeutung ging, den eigenen Vorteil, den Kapitalismus, um Wirtschaftsinteressen von Gesellschaften und Staaten und Kooperationen an vorderster Front, und man das Leid der Ärmeren und die Veränderungskraft der Revolutionäre in der Welt übersah, die gegen einen religiösen oder ethnischen Faschismus kämpften …

Er hatte ein mutiges Herz, wie das eines Revolutionärs und Befreiers.
 
Vögel flogen vor der Silhouette der Sonne und über dem ehemaligen Fußballstadion ... Die kurdische Musikergruppe spielte noch ein weiteres Lied. 

 
Bald marschierten die Einheiten der SDK/ YPG, YPJ, der Internationalen Brigaden und Lions of Rojava auf der Laufbahn ...

Dann hörte sie einen Kommandanten, der neben General Mazlum Abdi aufstand und zum Rednerpult schritt und bald die Namen einiger Gefallenen verlas:
"Zehn Namen, die alle für die Geschichten und Vorkämpfer der Demokratie stehen. Geachtete Menschen in der Stadt, Persönlichkeiten, Wegbereiter der Demokratie vor der Einnahme durch die SDK, die den Terror der Langbärte ächteten", hörten sie und übersetzte es ihm der Andere aus dem kurdischen Kurmanci Dialekt ins Englische.
Er dachte jetzt an jene Namen und plötzlich an ihm bekannte Gefallene:
Zu den Opfern gehörten der Bürgerrechtler und Rechtsanwalt Ahmet Said. Dessen Bruder auch in den Reihen der SDK kämpft und mit dem er oft über die Spiele des AC Mailands in der Champions League gesprochen hatte. Der Ringer und mehrfache Judoka Champion und Widerstandskämpfer Mustafa, der wegen getätigter Sportwetten angeklagt und später hingerichtet worden war. Kapitän Ali, der die Fähre, die den Euphrat durch Rakka befuhr und Touristen beförderte, 30 Jahre lang lenkte und wegen Zigarettenkonsums auf öffentlichen Plätzen und der Ablehnung des IS angeklagt und hingerichtet worden war. Darunter Media, die kurdische YPJ Kämpferin aus Qamishlo, die 17 Christinnen und 9 Ezidinnen aus der Herrschaft des IS in Rakka befreite. Dann die deutschstämmige Ronin, Kämpferin der Internationalen Brigade, ebenso die Kämpferin Oceane, die in Paris gelebt hatte, ehe sie sich der Revolution anschloss, auch heute ebenfalls im Stadion war, vielleicht würde er sie vor dem Rückflug über Erbil nach Europa treffen. 

Die Kommandantin erzählte bald, sie gedachten auch des Kämpfers und Löwenherzes Abu Layla, der kurdischen Kämpferinnen Rozerin, Asya, der italienischen Schwestern, deutschen, amerikanischen und australischen Brüder, und der vielen anderen der gefallenen 11.500 Revolutionäre und Freiheitskämpfer gegen den IS.
 
Sein Herz wurde jetzt sehr schwer...
Es verging einige Zeit, die Stimme der Redner und Kommandantinnen füllte das befreite Stadion und hielt die Namen der erhabenen, schönen, gefallenen Weggefährtinnen und Weggefährten hoch..
  
Es war ein grausamer Krieg gewesen. 
Hoffentlich wird es bald Frieden geben, dachte er, fort die Feuer des Krieges, vorüber die brennenden Häuser, vorüber der Geruch der für das Begräbnis aufgerissenen Erde, die Trauergesänge der Mütter, all die Bestattungen, die Tyrannei ...

Der nächste Tag und das Ziel heißt: Kobane
 
Dann war es der nächsten Morgen in Rakka und früh verließ er das Hotel Rakka City ...

Bald stieg er in das Taxi und besprach kurz mit dem bekannten Fahrer den beabsichtigten Besuch seines alten Freundes Rizgar in Kobane.
Es war die weltbekannte Stadt des Widerstands, Heimstätte seines alten Freundes Rizgar, der Architekt aus der Niederlande, der im Kampf um die Stadt und gegen die IS Horden nach Rojava geeilt war.
 
Es dauerte nicht all zulange, wie ihr euch vorstellen könnt liebe Leser/innen, und sie umfuhren die ersten Gebäudetrümmer, Schutt, ausgebrannte Autos, Hinterlassenschaften des Radikalen und Überbleibsel des gewaltigen Krieges. Er sah Palmen und immer wieder Häuserfassaden mit Schusslöchern und dann wieder neue Bauprojekte, die von der Verwaltung initiiert worden waren.

Der Krieg und das Leid waren überall sichtbar.  Einige Meter weiter waren gleichsam die Aufräumarbeiten und der Wille zum Sieg der Revolution und dieses Wunders überall sichtbar.
 
An einer Straßenecke ein älterer Mann, der vor dem wohl eigenen Textilgeschäft mit einem Nachbar und wohl Verwaltungsangestellten des Rathauses die neuen Aufgaben des Wiederaufbaus in der Stadt beredete. Und einige Meter weiter drei junge Männer, die den früheren Laden mit den angebotenen Elektronikgeräten von den Schreckenstagen des IS befreit hatten, die Wände anstrichen. Knapp zwei Kilometer weiter sprayten zwei Jugendliche, ein Mädchen und ein Junge, den Schriftzug "Sinn Fein, UCK & die SDK von Rojava – Kämpfer & Siege für die Demokratie und Menschheit" und malten das Porträt des argentinisch-kubanischen-Revolutionärs Che Guevara und einer YPJ Kämpferin an die Wand einer ehemaligen Fabrik.
Oben jetzt wenige Wolken.

Fast rein der Himmel in der goldenen, stärkenden Vormittagssonne. Taumelndes Herz. Er verspürte Freude in seinem Inneren.
 
Während der Fahrt erkannten sie bald einen Check Point der SDK.

 
Schwalben, Vögel, die von einem Platz auf der Straße aufflogen, entlang einer ehemaligen, zerbombten Fabrik ...
Sie fuhren weiter, zeigten ihre Ausweise, fuhren weiter in Richtung Norden und zur Straße, die Richtung Kobane wies, erklärte ihm der Taxifahrer mit dem weißen, dicken Schnauzbart und dem schwarzen Panamahut.
  
Plötzlich hielt der Fahrer an einem kleinen Laden mit Lebensmitteln, Getränken, Textilien. Doch ehe er aussteigen konnte, hielt er Alain zurück.
 
"Bleib besser hier Junge. Es sind noch viele Opportunisten in der Region."
Er machte ihm mit den Augen deutlich, was er meinte: Im Türrahmen des Ladens telefonierte ein etwa 45-jähriger Mann mit kleinwüchsiger, gedrungener Statur und einem kurzen Vollbart.

"Er arbeitet mit der türkischen Seite zusammen, die statt der pluralistischen eine eher nationalistische und viele ausgrenzende Vorstellung oder Kalifatsidee für das künftige Syrien und Rojava haben", sagte der Fahrer.
 
Ein Schatten mit in die Hüfte gestemmter Faust, doch mit schwachen, eingefallenen Schultern und dünnem Gesicht, vermittelte er List, erkaufte Macht, Opportunismus und Armseligkeit. Er schritt zurück in das Geschäft.

"Geh besser nicht zu dem Geschäft."
Er warnte ihn erneut. Jener Mann arbeite wohl mit dem türkischen Apparat zusammen, der eine neoosmanische Politik verfolgte und mit den radikal-religiösen Gruppen im Nordwesten des Landes arbeitete. Sie stellten sich gegen eine zweite kurdische Föderation, nach dem kurdischen, nordirakischen Staat im Staat und fürchteten die Ausweitung der Erfolge im dritten, iranischen und vierten, dem türkischen Teil Kurdistans. Zudem lehnte die Türkei eine weit links orientierte, demokratisch-säkulare Machart der Autonomie oder Föderation ab.

"Noch ist kein Regimesturz erfolgt, und sind viele Invasoren in der Region und muss erst noch eine demokratische, föderale Verfassung in Kraft treten, bevor wir hier sowas wie Frieden und Vertrauen erleben können", sagte der Fahrer dann und sie fuhren bald weiter.

Nach wenigen Minuten hatten sie gehalten, denn der Fahrer hatte den Reifendruck beklagt, und wollte zudem das Kühlwasser kontrollieren. Es war noch Zeit dafür.

Alain Dechamps war ausgestiegen und hatte sich auf einen Steinblock in der Nähe gesetzt, der von einem zertrümmerten Gebäude wohl her geschleudert war und unter einer Palme lag. In diesen Straßen patrouillierten die Sicherheitskräfte. Unter der Palme war es gut, dachte er, jetzt gab es keine Feldzüge gegen besetzte und vom religiös extremistischen Feind gepeinigte Städte.

Unter der Palme trank er vom Wasser aus der Plastikflasche und blickte bald zu einem älteren, vorübergehenden Bewohner, der freundlich grüßte.
 
Streit wegen EU Blindheit
Doch dann hörte er schon Schreie und erblickte bald einen jungen Mann, der rechts von der Palme herlief.
Er war zu ihm geeilt.
Er hatte ihn wohl beobachtet.
Er gab ihm zu verstehen, dass er aus Afrin stamme und die große Europäische Union den Vertreibungen aus Afrin blind zugesehen hätten.
"Was machst du hier? Willst du über die Kriegsopfer und Flüchtlinge spotten?"
 
Er antwortete nicht gleich.
"Wo blieb die EU?", rief er und wiederholte: "Wo blieb Europa? Wo bleibt das mächtige, gerechte Europa, Brüssel? Warum sieht Europa, der Kontinent der geachteten Menschenrechte, vor den Verbrechen in Aleppo durch Assads Regime oder der Olivenbaumstadt Afrin durch den IS weg? Reicht eure Zivilisation, eure Stimme und Gegenwehr nur bis zur Grenze des europäischen Kontinents? Was ist das für eine Verlogenheit in eurer Außenpolitik?!"
Der etwa 20-Jährige war voller Trauer, Wut, Zorn.
Alain antwortete ihm nicht, wusste jetzt nicht zu antworten..
Der Mann spuckte auf den steinernen und lehmfarbenen Boden und kehrte zurück zum Handy Geschäft.
Nach einer Weile begab er sich zum Wagen und Fahrer. Jener Mann, der englisch, kurdisch, türkisch und arabisch beherrschte und nebenbei bei einer regionalen Zeitung arbeitete, signalisierte ihm die Weiterfahrt.
 
Es verging noch einige Zeit der Fahrt, er schloss seine Augen. 
 
Dann endlich kamen sie am Haus des Freundes an.
 
 
ANKUNFT BEIM FREUND

Das Haus beherbergte vier oder fünf Wohnungen. Darunter die Wohnung des älteren, bekannten Kämpfers, der aus der Niederlande stammte und auch an der Belagerung Rakkas beteiligt war. Er war aus der Niederlande an die Front geeilt, um dem Kampf für Freiheit und Demokratie zum Sieg zu verhelfen. Jetzt blickte er zu seiner Wohnstätte. Es war ein mehrstöckiges, beinahe ganz unversehrtes Gebäude. Im Hof gedieh ein prächtiger Granatapfelbaum.

So klopfte er nun tatsächlich an der Tür jenes ehemaligen Kameraden, der ihm mit freudvollem Augen die Tür öffnete, sie umarmten sich und er bat ihn in den Hof.  Im Hausinneren leuchteten große, rote und blaufarbene orientalische Teppiche.
"Das ist nicht wahr, mein alter Freund", sagte der Gastgeber lachend. "Dafür wurde es höchste Zeit Alain Delon. Du bist meiner Einladung gefolgt."
"Natürlich, alter Freund. Mich freut es ebenso sehr", erwiderte er und sie lachten beide.
 
Sie waren glückliche, zusammenkommende Widerständler.
 
Sie gingen durch den Hof mit dem herrlichen Granatapfelbaum.
Hier roch es nach dem aus der Küche schwirrenden Kaffee. Sie gingen hinein und nahmen Platz am Tisch an einem Fenster zum Hof mit dem herrlichen Granatapfelbaum.
Er blickte umher.  Der Gastgeber hatte eine silberne Nickelbrille, einen angegrauten Bart, ein längliches Gesicht, braune, freundliche Augen, war etwa 47 Jahre alt, trug ein braunes Sakko, weißes Hemd, Jeans und legte ein Buch mit dem Titel "Städte der Welt" beiseite. Im Zimmer waren Fotografien von architektonischen Werken aus New York, Amsterdam, Erbil, Istanbul, Mesopotamien sichtbar, stilvoll eingerichtet: Hohe, ebene Regale mit Magazinen zur Architektur, Büchern zur Stadtarchitektur aus verschiedenen Regionen der Welt, Skulpturen, ein Schreibtisch mit Lineal, Radiergummi, Zeichnungen, stilvollen Lampen, er hatte sich diese Welt erhalten, dachte er dann.

Bald brachte die Frau heiße, gegrillte Fleischspieße mit gegrillten Tomaten, Joghurt, Minze und gebratenen Auberginen, an den Tisch dazu herrlichen Reis. Er roch das frisch gebackene Brot und den frisch gekochten Reis und spürte es im Magen.
 
"Es sieht fantastisch aus."
"Na, fangt endlich an", sagte die Frau des Kameraden.
Sie hatte zudem Wasser und ein Joghurtgetränk in Gläsern serviert: Einfach und reich demonstrierte es die Gastfreundlichkeit Rojavas, dachte er.

Sie fingen an und aßen zunächst und bald sprach der Vater von der hoffnungsstimmenden Nachricht des begonnenen Medizinstudiums der ältesten Tochter an der neuen Rojava Universität. Sie wolle Lehrerin in Qamischlo, der Hauptstadt der Rojava Föderation, werden. Die Augen des Vaters glänzten dabei.
"Bald wird es nur noch Frau Dr. Dunya heißen..."
Der Vater war sehr glücklich für Momente, wenngleich er ihm die Schwere des Krieges und der Zeiten im Gesicht, auf der Stirn, in den Augen ebenso ansah.
Er fragte bald nach Alains Isolationszeit und er sprach von den vergangenen zwei Jahren in der Isolationshaft und das der faschistische Richter ihn nicht brechen konnte. Der Gastgeber war froh und glücklich über seinen Willen, seine Unbeugsamkeit und bat ihn weiter zu essen.

Es schmeckte Alain sehr und sie aßen eine Weile ohne Worte.

 Dann begann der Mann:
"Der Krieg tobt weiter und die Menschen bemerken es überall, aber sie haben einen hohen Geist und wollen dieses wundervolle Werk vollenden. Ich konnte mich schon an mehreren Bauprojekten beteiligen, die von den Behörden der Föderation Rojavas finanziert wurden und die ich mit umsetzte, wie ein neues Krankenhaus hier, aber sobald es einmal gut vorangeht, kommen wieder durch das Embargo Schwierigkeiten auf."
 
Er hielt kurz inne, dann:
"Das Embargo trifft alle. Die Regierung der Föderation beauftragte den Bau des Krankenhauses und das klappte, aber nur 500 Meter weiter musste der den Bau mehrstöckiger Gebäude für etwa 10 Familien unterbrochen werden, nach dem Fertigen der dritten Etage, denn es gab zu wenig Baumaterialien. Dank des Embargos. Es gibt den Willen der Menschen dieses Wunder Rojava zum Sieg zu bringen und wunderbares hier zu schaffen, aber die wirtschaftliche Not ist Realität! Die Grenze zur Türkei ist geschlossen und die Fahrzeuge kommen an der Grenze zu Irakisch Kurdistan an einigen Tagen durch, an anderen nicht."
 
"Wird die Türkei nicht endlich Einsicht zur Zusammenarbeit zeigen wie mit der Regierung Irakisch Kurdistans in Erbil?"
"Das muss sie und wird sie bestimmt auch in naher Zukunft. Aber hier sehen wir noch nichts davon. Sondern nur eine faschistisch geprägte Politik eines Nato-Mitgliedsstaats und ehemaligen EU-Beitrittskandidaten und einer Türkei, die gegen diese säkulare, tolerante Gesellschaft und Welt von 5 Millionen Menschen Rojavas auch mit den Islamisten zusammenarbeitet."
"Es muss Druck ausgeübt werden auf die Türkei zur Umkehr von dieser antidemokratischen Haltung."

"Natürlich. Die Politik der Türkei gegenüber Rojava muss sich ändern, aber die Politik Rojavas gegenüber Erbil und Ankara muss sich ebenso ändern,
beide müssen zu einer Übereinkunft kommen und Abstriche machen, damit der Wiederaufbau schneller gelingt. Denn viele Millionen warten auf eine Lösung. Wir sind Nachbarn, Brüder und die Menschlichkeit muss siegen nicht der kleine Geist."

"Die Lösung wird mit dem politischen Konsens aller Parteien Syriens in Damaskus kommen, mit freien Wahlen und einer demokratischen, föderalen Verfassung , damit das Unheil der Vergangenheit in der Vergangenheit bleibt. Ob mit Assad oder ohne - Hauptsache eine demokratische, neue Ära."
"Insallah."

 
Der andere trank bald vom heißen Tee, den er ihm gereicht hatte aus dem Teekessel.
 
"Ebenso muss die Türkei weg von der reinen Unterstützung der Islamisten im Nordwesten, in der Idlib Region und mit allen Parteien am Tisch sitzen für den politischen Konsens in ganz Syrien, für ein föderales Syrien, dann werden auch Millionen Syrer in der Türkei zurück nach Aleppo, Homs, Hama und Damaskus zurückkehren. Eine Gewinnsituation für alle dann. Araber, Kurden, Christen, alle Religionen und Gruppen sollen respektvoll vertreten sein in der demokratischen, neuen Verfassung."
 
"Alles andere würde weiterhin Krieg und Elend und das Chaos bedeuten", sagte der Gastgeber und wies dem Freund den Tee.
 
Er war zwei Zuckerwürfel hinein, rührte es mit dem kleinen, silbernen Löffel um und trank ebenso.
"Sehr lecker."
"Trink nur, da ist noch genug für dich bereit."
Sie waren glücklich und bald fuhr der ehemalige Architekt fort:
"Aber auch das Embargo wird uns nicht aufhalten. Die Tonnen an Baumaterial werden über Umwege nach Rojava geliefert und ein neues medizinisches Zentrum in Qamischlo und Sportzentrum und viele weitere Gebäude für die Familien werden hier bald stehen und vor der Kälte, vor Überfällen, vor der Hoffnungslosigkeit und dem Winter schützen."
"Hoffentlich wird es so sein."

Es verstrichen weitere, bereichernde Minuten bei dem Freund und dessen Familie. Sie hatten den Krieg überstanden und er die Zeit in der Isolationshaft nahe Mailand und hatte es hier geschafft und diese großartige Gastfreundlichkeit erlebt, dachte er.
Er war sehr glücklich.

Als bald der Tisch leergeräumt war, das einfache, schmackhafte Brot und die wunderbaren Gerichte verspeist worden waren, reichte sie ihm einen sogenannten kurdischen Kaffee aus frisch gemahlenen Pistazien. Er trank ihn und mchte ihn sehr. Er schmeckte fantastisch.
 
Er hörte, wie Rizgar zum einen für die neue Verwaltung arbeitete und Bauprojekte verwirklichte. Die Situation in Rojava ließ dies zu. Die Sicherheitskräfte Rojavas gewährten dies.
  
Im Wohnzimmer erklangen bald traurige, fröhliche und den Widerstand hochhaltende Lieder, gespielt auf der Sazlaute des 17jährigen Sohnes, der noch zur Schule ging. 

Sie verstummten.
Sie dachten an die Opfer des Krieges. Trauer und Schwermut im Herzen.
 
Dann erzählte der Mann von seinen beiden weiteren Söhnen: 
"Aber es gibt auch gute Entwicklungen und Gründe für eine bessere Zukunft, Freund."
Der 22 jährige Salih hatte in Bielefeld eine Ausbildung zum Apotheker beendet und der 27 jährige Danyal war nach New York ausgewandert, wo er sich als Model und Schauspieler etablieren konnte in kleinen Rollen und Theaterstücken, Schauspieler wie Cuba Gooding Junior oder den Wrestlingstar Hulk Hogan Hulkstar kennengelernt hatte und Fotos von sich und ihnen in seinem social Media Kanal veröffentlichte und in dem jüngst gegründeten Restaurant aufhing. Er zeigte Alain Videoaufnahmen vom Restaurant Mediterreanean Kitchen, der bald das stolze, frohe Gesicht des Vaters sah.
 
"Auch hier wird bald der Frieden siegen", sagte der Mann dann.
 "Weißt du Alain, Bruder, wir glauben fest an den Sieg dieser Revolution, an den Sieg der Demokratie und des Friedens hier! Ein Sieg der liberalen, fortschrittlichen, laizistischen Revolution, die den Staatsapparat, aber auch das zivile Leben stark beeinflussen und volle Bürgerrechte garantieren wird. Die Finsternis der Tyrannei ist mit dieser Revolution besiegt worden."

Kurz stockte er.
"Es ist ein bereits laufender Wandlungsprozess."
"Die Internationale Staatengemeinschaft muss dies noch stärker unterstützen."
"Ja, so wie es im Kosovo erfolgte oder wie beim Irland Konflikt."
Kurze Pause.

Wie die irische und schottische Frage müsste jetzt auch die kurdische Frage gelöst werden erzählte ihm der Freund. Einst gab es die irische Frage, die jüdische, indische und Kosovo Frage, die zumeist gelöst wurden. Jetzt war die Zeit reif für die juristische und politische Lösung der kurdischen Frage.  
Es betraf fast 50 Millionen Menschen. Nach dem Zerfall des Osmanischen Reiches, nach dem Ersten Weltkrieg, hätte es einen kurdischen Staat geben sollen, aber im Sykes Picot Abkommen zur Neuordnung des Nahen Ostens war es zur Vierteilung Kurdistans gekommen. Die Aufhebung dieses Unrechts war versäumt worden. Jetzt etablierte sich nach irakisch Kurdistan und der Hauptstadt Erbil die zweite kurdische, föderale Staatlichkeit mit Rojava und der Hauptstadt Qamischlo, der dritte und vierte Teil würden wohl mit der weitergehenden Neuordnung im Orient als Föderationen folgen, dachte er. Im Mittelalter gab es das vom kurdischen König Saladin geführte Ajjubiden Reich, erzählte er. In der Antike das Medische Großreich. Jetzt gab es wohl die Renaissance der alten Meder in diesem Jahrhundert und den Frieden und das demokratische Zusammenleben mit den anderen Völkern.
 
"So eine Normalität und in Zukunft eine Dynamik wie in Irland bräuchten wir natürlich", sagte der Gastgeber dann weiter. "Aber die sind da keinem Embargo wie wir ausgesetzt."
"Das verfluchte Embargo wird mit dem Regierungswechsel in Damaskus enden!"
"Das wird auch beides passieren. Der Anfang davon war der Widerstand und dritte Weg der Freiheitsbewegung, die in die Köpfe und dann auf die Straße getragen wurden", sagte der andere Kämpfer, "und zeigte sich im Protest der Demonstranten mit Plakaten und Graffitis und den ihren Forderungen nach Demokratiestandards und Inklusivität."

"Es ging weiter mit dem Widerstand der Millionen Zivilisten im Land gegen die radikale, blinde Politik und wurde damit wahr und größer."

"Ebenso mit dem Widerstand in Kobane gegen den IS."

"Und dem Widerstand von Abgeordneten wie dem Rechtanwalt Selahattin Demirtas in Ankara gegen erstarrte, chauvinistische Strukturen."

"Auch Regisseure und Schriftsteller erhoben im EU Parlament und weltweit ihre Stimmen für Rojava."

"Dazu die Nichtmitläufer und Freunde auf den Straßen in Istanbul, Dublin, Paris, Rom, Hannover, Athen, Barcelona."

"E s zeigt der Welt: Mit mit dem sichtbaren, langfristigen Widerstand wird der Sturz von Despotien gelingen."
 
"Hoffentlich."
Kurze Pause.
 
"Aber es müsste für den Frieden und das Heimkehren von Millionen auch von europäischer und der internationalen Staatengemeinschaft einen riesigen, finanziellen Fond zum Wiederaufbau, Syriens, Rojavas geben - beim Konsens zu einer friedlichen Zukunft, föderalen, demokratischen Verfassung."
 
"Vielleicht wird es schon schneller sein als viele denken." 
 
Sie verstummten kurz, beide tranken etwas.
 
"Ein Sieg über den Faschismus wie in Irland oder nachdem Jugoslawienkrieg. Überall war immer der Faschismus schuld am Krieg."
"Der Faschismus vernichtet den Nachbarn und Anderen, kommt dann erbarmungslos zurück und verrichtet den Aggressor selber."

"Zum Glück wurde der Faschismus in diesem Lande mit dem Denkmodell des Demokratischen Konföderalismus besiegt. Hier werden alle Völker, Geschlechter, Religionen gleich behandelt. Das garantiert der Gesellschaftsvertrag. Leuchtende Ideen im Kampf gegen Unmenschlichkeit, Folter,  Faschismus, Unrecht", sagte er mit leuchtenden Augen und ernster Stimme.
 
"Aber andererseits kann Europa auch von uns und dieser Revolution lernen. Für die Lösung vieler Probleme solltet ihr auf Basisdemokratie, gerechte Geschlechterquoten in allen Führungsebenen und auf die Zusammenarbeit aller Menschen aus den verschiedensten Schichten setzen statt auf Populismus der Rechten, Renationalisierung, die Macht der Wenigen oder lautesten Hetzer", sagte er. "Haben die Menschen bei euch in Italien oder Deutschland die totale Zerstörung und den totalen Krieg der 40er vergessen, ausgehend von Hitler und seinem Angriffskrieg?" 
 
Alain stimmte ihm mit den Augen zu, aber erwiderte jetzt nichts.
 
"Es wird Zeit, mein Freund", sagte der Ältere lächelnd und stand auf.
 
Er lud ihn in den Garten und zeigte ihm da dann die Granatapfelbäume und sie sprachen nicht viel und genossen die Aura auf dem Hof, das Licht, die Farbe des Granatapfelbaumes, die Stille und Pracht dieses kleinen, ockerfarbenen und grünen Platzes ..
 
Bald hatte er zwei Zigaretten hervorgezaubert und sie rauchten ohne vielen Worten im Hof. 
Der Tabakqualm flog bald über ihre Köpfe und die Wipfel des Granatapfelbaums.
 
Er hatte vor Rakka gekämpft, der Freund hatte sich auch bei der Eroberung eines Staudammes, gegen den IS in den kurdischen, arabischen, assyrischen, internationalen Einheiten beteiligt …

Plötzlich flogen die Anweisungen und Worte des Generals Mazlum Kobanes in seinem Geiste auf, vom Kampf mit eisernem Willen, auf der für den Feind nun zitternden Erde, während die Frauen und Männer der SDK vorrückten, für die Freiheit, Demokratie und gegen die Barbarei des IS eroberten, kämpften und vorrückten …

Es gab die Kriegsverbrechen durch den IS, aber auch die Hoffnung und das Licht und die Lösung für die Völker im Zweistromland mit dem Rojava Entwurf, sagte er sich.
Es gab den Mut und die konkrete Vision, den konkreten, schriftlichen Entwurf einer besseren Gesellschaft, Verfassung und Welt seitens der Revolutionsbewegung. 

Sie errichteten alles für die neue, freie, stolze Zukunft in Rojava, diesem Wunder, welches auch in weitere Regionen der Welt leuchtete.

Bald hörte er vom Freund, während sie am Baum vorüber schritten:
"Ich habe dir Samen eines Baumes aufgehoben und gebe sie dir mit. Vielleicht wird so ein Granatapfelbaum Rojavas auch in Mailand ebenso wunderbar oder noch herrlicher leuchten, mein Freund mit dem mutigen Herzen", sagte der alte Kombattant.
Er nahm das Päckchen und dankte ihm sehr.
  
"Wenn du zurück fliegst, sei dir sicher im Herzen: 
Die Revolution Rojavas und das Wiedervorankommen Syriens ist hier lebendig in den Herzen der freien Völker, und du hast sie mit verwirklicht, mutiger Freund. Auch im europäischen Exil, auch über dem Urteil des blinden Schauprozessrichters und in der Hausquarantäne hast du diese Fackel der Menschheit und Demokratie hochgehalten und nicht aufgegeben. Du bist ein Mutiger der Welt!", sagte der andere.

Er war sehr glücklich.
 
Bald war es dann soweit, und sie verabschiedeten sich.

Auf der Straße am Haus war der Fahrer vor einer von Krieg und Graffitis geprägten Mauer erschienen. 
Dann fuhren sie los.
Es war sehr gut gewesen.
Der Richter, dieser Dienstgehilfe des Chauvinistischen und Feigen konnte all diese wunderbaren Begegnungen und Erlebnisse nicht verhindern.
 
Er öffnete die Hoteltür, und bald erwachte er auf dem Bett.
 
Es war Nacht. Er schaute zum Fenster. Es war sternhell. Große, gelbe, goldene Sterne am Firmament.

Er stand auf, trank etwas. Das war sein einfaches Zimmer, aber er war glücklich. Da das Bett, seine Reisetasche, einige Hemden, Hosen, eine Zigarettenpackung, ein Stift, Block Papier, ein Aufnahmegerät, im Fenster die Sterne. 
Es war nicht viel und doch alles in der Welt.

Dann schritt Alain Dechamps zum Fenster und sah hinaus. Überall Sterne in der weiten Nacht. Er beobachtete einige Minuten das wunderbare Gleißen und Leuchten der Sterne...

Es war ihm einerlei, ob er von dieser Stelle oder von einem Marktplatz oder Kampfplatz oder am Haus des Freundes an einem Granatapfelbaum in die mit grellen Sternen gesäte Nacht geschaut hätte. 
Er genoss diese wie an der Unendlichkeit erstarrten Minuten unter dem Sternenhimmel, nun die gleißende Mitte seiner Welt ...
 
Nach einigen Minuten befand er sich wieder auf dem Bett. 
Bald erschien seine verstorbene Mutter in seinen Gedanken, möge sie im Frieden ruhen, er dachte an seine Schwester, die wohl bald als Lehrerin in Mailand oder Norditalien an einer Grundschule begann. Hoffentlich ginge es ihr auch gut. 
 
Er schlief bald ein, draußen die helle, wunderbare Rojava Nacht ..
 
Der letzte Tag
 
Dann war es ein weiterer Morgen in Rojava... Er hatte den guten, tapferen Freund im Schatten des Granatapfelbaums besucht. Er hatte im Stadion die Zeremonie der Verteidigerinnen und Verteidiger der Demokratie und Menschlichkeit erlebt. Jetzt durfte er für eine Tageszeitung und für deren englischsprachigen Online Auftritt berichten...
 
Er sollte einen anstehenden Judowettkampf in Qamishlo aufsuchen. Erst am nächsten Abend sollte das Flugzeug über Erbl und Istanbul nach Mailand starten. So brach er zur Sportarena in der nordöstlichen Verwaltungsstadt Qamishlo mit dem gerufenen Taxifahrer auf.
Austragungsort: Der neue Sportkomplex Kemal Firat. Benannt zu Ehren eines Rechtsanwalts aus Bremen, der zur Verteidigung der Stadt Kobane, während der IS Belagerung geeilt war und wenige Tage vor der Rückeroberung gefallen war. Hier hielten sie seinen Namen hoch.

In der Arena wollte er nur an den Sport und die Wettbewerbe auf den Matten denken. Er vergewissere sich mit einem Blick in die Tasche, ob er Fotokamera, Stifte, Notizblock und das Aufnahmegerät für Interviews mit zwei, drei Kämpferinnen und Kämpfern parat hatte und fühlte das Einfache, Klare und Richtige ...


© Deniz Civan Kacan
 
 
 
 

counter1xhab ich gern gelesen

Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

Einen Kommentar schreiben

geschrieben von Jens Richter am 17.01.2025:

Hallo Deniz,
kannst Du bitte die Erzählung als PDF-Datei einstellen?
Ich habe sie angefangen zu lesen, doch sie ist fürs Mobiltelefon einfach zu lang.
Viele Grüße von Jens




geschrieben von DenizKacan am 17.01.2025:

Hallo Jens,
das freut mich sehr.
Ich muss einmal schauen, wie das funktioniert. Oder bei einem Admin anfragen...

Es geht in dieser Geschichte um den Widerstand gegen Unrecht und dem Kampf für Demokratie, Menschlichkeit, Gerechtigkeit.

LG

Mehr von DenizKacan:

Der Hund
Die sich gegen ein auszehrendes Gesetz stellten