Veröffentlicht: 06.09.2024. Rubrik: Lustiges
Fitness-Omas auf Instagram
Egal, wie kindisch sich manche Günthers und Joachims auch aufführen, wir werden alle nicht jünger, zumindest nicht, wenn wir uns auf Körperlichkeiten konzentrieren.
Und je älter ich werde, umso kritischer schaue ich genau darauf. Nicht so sehr im Sinne der Karens dieser Welt, die jedes mögliche Fettpolster und jede Abweichung vom klassischen Schönheitsideal mit der Lupe beäugen und anschließend ausgiebig bemängeln. Nein, nein. Ich bin da viel weiter. Ich mache mir Sorgen um meine körperliche Fitness, weil ich so gut wie nichts in meine Rentenkasse eingezahlt hab und mir ein luxuriöses Dahinsiechen im eigenen Körper, umworben von unterbezahlten, mehr oder minder motivierten Pfleger*innen, nicht leisten kann. Menschen die, wie ich, nicht zu den Susanne Klattens und Stefan Quandts gehören, müssen sich selbst darum kümmern, sich auch später noch um sich kümmern zu können, wenn man so will.
Wie immer bei Panikattacken und der harmloseren Variante Gedankenspirale verliere ich den objektiven Blick auf mich und meine körperliche Konstitution komplett aus dem Blick. Gefühlt stehe ich bereits mit einem Bein im Sarg… Moment, den kann ich mir ja gar nicht leisten. Wo werden denn die Armen beerdigt und wie? Nicht, dass es mir überhaupt wichtig wäre. Der ganze Kult um tote Körper war mir schon immer irgendwie suspekt. Auch wenn das noch der weniger menschenfeindliche Teil der Kirchenphilosophie ist, aber ich schweife ab.
Befinde ich mich gerade zufällig abseits so einer Gedankenspirale, kann ich durchaus realisieren, dass ich mit über 30 Yoga und Meditation für mich entdeckt habe und seitdem nicht nur gelenkig, sondern auch nahezu schmerzfrei bin. Eine Vorstellung, von der ich mich mit Mitte 20 bereits verabschiedet hatte. Oder, dass ich nahezu täglich die von meiner Fitness-App eingeforderten 10.000 Schritte zur Verlängerung des eigenen Lebens schaffe und meist sogar überschreite. Einfach, weil ich ein bisschen kellner’ und das Meiste in meinem Leben zu Fuß erledige. Okay, eine 90 m²-Wohnung im ersten Stock als WG mit zwei Katern, die 738 Mal am Tag in den Garten gelassen, bzw. daraus abgeholt werden wollen, ist ebenfalls hilfreich.
Doch völlig unabhängig wie groß meine sportlichen Leistungen und Erfolge auch sein mögen, mit fortschreitendem Alter schreitet auch die Panik voran irgendwann nicht mehr fit genug zu sein. Und jedes Knirschen im Knie, jedes Knacken in einem Gelenk und jede Verspannung, die sich nicht mit einer 2 Minuten Yoga-Übung auflösen lässt, lassen mich öfter und intensiver über das Thema Fitness im Alter nachdenken.
Doch seit heute ist mein Leben ein anderes, denn ich wurde erleuchtet. Erleuchtet auf Instagram von einem Fitness-Influencer. Und glaubt mir, niemals im Leben hätte ich gedacht, dass ich so einen Satz mal schreiben würde. Aber es ist wahr und egal wie hart die Wahrheit ist, wir kommen ja nur weiter, wenn wir lernen sie klar und deutlich auszusprechen.
Der Fitness-Influencer hat mir eine 91-jährige Frau in die Timeline gespült, die wortwörtlich in einem Interview sagt, dass sie sich im Grunde wie 40 oder 50 fühlt und nicht das Gefühl hat, dass sie irgendwas nicht tun könnte, wegen ihres Alters. Nun ja, es gäbe einige Dinge, die man sie nicht mehr tun lassen würde, obwohl sie sich fit genug dafür fühlen würde. Zum Beispiel aufs Dach klettern, um die Bäume zurückzuschneiden.
Ich hab mir dann noch ein paar Videos von der Frau angesehen und bei einigen ihrer Übungen gespürt, wie meine Bänder reißen, nur bei der Vorstellung sie nachzumachen. Und nachgedacht hab ich auch. Über Generationen und wie die so groß werden und was alt werden und sein dann heißen kann. Und ich stelle mit wachsender Begeisterung fest: Die alten Menschen heute sind nicht so, wie die alten Menschen, die ich als Jugendliche kannte. Irgendwie hatte ich diese Generation ein bisschen aus dem Auge verloren, aber je mehr ich jetzt darüber nachdenke, umso häufiger fallen mir ganz konkrete Beispiele ein. Und auch Gründe dafür, warum das so ist. Denn heute sind die alten Menschen zum ersten Mal eine Generation, die keinen Krieg und die dementsprechenden Folgen mehr miterlebt hat. Gesundheit und Körperbewusstsein waren viel mehr ein Thema, als für meine Oma, die einfach versuchte im Nachkriegsschland zu überleben. Und auch eine immer offener werdende Gesellschaft sorgt für zunehmend mehr cool und individuell gekleidete alte Menschen in unseren Innenstädten. Ich glaube, meine Generation wird richtig cool. Ich freu mich jetzt irgendwie aufs Alt werden. Fit sein und trotzdem den Platz im Bus angeboten bekommen ist doch die perfekte Kombination. Das einzige, was mir jetzt noch fehlt, sind Vorbilder und Menschen, die mich inspirieren mich in meinem Alterungsprozess frei und offen zu entwickeln.
“Alexa, zeig mir mehr Fitness-Omas in meinem Instagram-Feed!”