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5xhab ich gern gelesen
geschrieben 2023 von VictoryViktoria (VictoryViktoria).
Veröffentlicht: 25.08.2024. Rubrik: Lustiges


Lesbische Insel der Gelassenheit

Mir ist heute mal wieder klar geworden, wie wahnsinnig entspannt das Leben als wunschkinderlose Lesbe so ist.
Meine Frau und ich waren bei Müller, auch so eine ganz seltsame Mischung aus Drogerie, Kaufhaus und Supermarkt, bei der man sich automatisch nach dem tieferen Sinn der Platzierung der vielen, unterschiedlichen Produkte fragt. Vor allem heute, wo konsumorientiert und zielgruppengerecht nichts dem Zufall überlassen wird, damit wir im dahinscheidenden Endzeitkapitalismus auch möglichst viel unsinnigen Scheiß kaufen, den wir eigentlich nicht brauchen, der aber nun mal so geschickt platziert ist, neben dem Kram, den wir wirklich kaufen müssen.

SatirepatzerSatirepatzerIch steckte mitten drin in einer tiefsinnig philosophischen Diskussion mit mir selbst über die Sinnhaftigkeit von Flachmännern mitten in der Kinder- und Schreibwarenabteilung, während meine Frau sich mit so profanen Dingen wie dem reichhaltigen Füller- und Stifte-Angebot des Ladens beschäftigte. Während mein Blick die Regale nach weiteren scheinbaren Unregelmäßigkeiten im Productplacement absuchte, stellte ich schockiert fest, dass wir nicht allein waren. Ganz im Gegenteil befanden wir uns mit ca 100 Kindern, teilweise begleitet durch ihre kreischenden Eltern, auf ca. 20 Quadratmetern Schreibwarenabteilung.

Es war Schulanfang, wie ich jetzt auch auf den zahlreichen Reklametafeln sehen konnte, die alle 3 Meter mitten im Gang eine Art Parcours bildeten, den bereits einige Kinder für sich als Spielwiese entdeckt hatten.

Noch bevor ich Zeit hatte mich tiefer mit der Frage zu beschäftigen, ob mir die Kids oder ihre überdrehten Helikoptereltern mehr auf die Nerven gingen, kam die Lösung für die Frage mit den Flachmännern über mich, wie die Schwangerschaft über die heilige Maria.

Ich strahlte meine Frau an, die sich endlich von den verschiedenen Federn, Tinten und Kugelschreibern abgewendet hatte und mir ihre volle Aufmerksamkeit schenkte.

“Nun kapier ich endlich, warum die Flachmänner hier in der Schulwarenabteilung stehen. Das Drama hält nüchtern keiner aus. Ich hab ja jetzt schon Bock auf ‘nen Drink und kann den Laden gleich ohne Rotzlöffel an der Hand verlassen.”

Meine Frau nickte zustimmend und immerhin bekam ich ein leichtes Grinsen als Anerkennung. Doch bei der Frau neben uns, die mit ihrer kleinen Tochter an der Hand interessiert die Einschulungsfüller betrachtete, schien ich offenbar einen Nerv getroffen zu haben, denn sie kicherte erst leise und verstohlen, um dann in ein immer lauter werdendes Lachen auszubrechen. Ihre Tochter sah sie verständnislos an. “Mama, was ist denn so witzig?”

“Nichts, Schatzi, schon gut. Schau dir mal diese beiden Füller an und sag mir, welcher dir besser gefällt.”
Damit schob sie ihre Tochter zwei Meter nach rechts am Regal entlang und deutete ziemlich wahllos auf zwei verschiedene Füller, die sich, wie ich fand, erschreckend ähnlich waren. Während ich in Gedanken bereits eine Pro- und Contra-Liste für die beiden Füller erstellte, schien die Mama sich noch einmal erklären zu wollen. Seltsamerweise nicht bei ihrer Tochter, sondern bei uns.

“Wissen Sie, es traut sich ja immer keiner zu sagen, aber Sie haben so Recht.”

Während sie sich noch die Lachtränen aus den Augen wischte, wurde ihr Gesicht plötzlich seltsam ernst und leer.

Puh, für Wochenbettdepressionen schien mir die Tochter schon ein wenig zu alt. Doch bevor mir so ein Spruch noch über die Lippen geschlüpft wäre, schnappte ich mir meine Frau am Arm, wünschte der Mama noch einen schönen Tag, flüsterte der Tochter zu, dass die Füller beide scheiße wären und verschwand mit meiner Frau die Rolltreppe hinunter, glücklich davonschwebend auf der lesbischen Insel der Gelassenheit.

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Bad Letters am 31.08.2024:
Kommentar gern gelesen.
Eine amüsante Geschichte Victory Victoria! Den Wert eines Füllers durch Betrachten zu erfahren, scheint wenig zielführend, man sollte ihn besser erschreiben, aber erkläre das mal den Konsumjunkies einer Geiz ist geil Gesellschaft.

MfG
Bad Letters


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