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geschrieben 2013 von terxylifax.
Veröffentlicht: 29.07.2024. Rubrik: Fantastisches


Plopp

Willi war verschwunden.
Irgendwo im Keller auf der Suche nach Bier, Stühlen oder sonst was. Mike war überhaupt nicht zu sehen obwohl Willi gesagt hatte er wäre da.
Hinter dem Haus auf der Wiese saß die gesamte nähere und fernere Nachbarschaft. Die Bierbänke waren rammelvoll und obwohl das Fest noch nicht lange im Gange war, hatte man mir zumindest gesagt, war die Stimmung schon kurz vor dem dörflichen Siedepunkt.
Man schrie sich über die Köpfe und Tische und Flaschen und Handtaschen an und fragte wie der Urlaub gewesen wäre, oder auch ähnliches.
Kinder rannten zwischen den Sitzbänken und den Bäumen zur Einfahrt und wieder zurück. Die Ping-Pong Platte war dauernd belegt.
Ich fand einen unbesetzten Stuhl an der Garagenwand.
Keine zwei Minuten später tauchte eine Kinderschar auf. Sie stellten sich im Halbkreis um einen pummeligen Knirps in kurzen Hosen. Auf dem Kopf hatte er eine umgedrehte Schultüte, die er wohl vor einigen Jahren zu seinem ersten Schultag geschenkt bekommen hatte. Das eine Auge hatte er mit einer schwarzen Augenklappe bedeckt.
„Hier kommt der Zauberer Brimborium,“ schrie er und er führte auf einer Öltonne Kunststücke vor. Manche gelangen, manche nicht, was die Stimmung aber nicht beeinträchtigte.
Während ich halb belustigt und halb gelangweilt dem Treiben zuschaute, hatte sich ein Hündchen genähert. Ich streichelte es hinter den Ohren, es wurde zutraulich und sprang mir auf den Schoß.
Gemeinsam sahen wir uns noch einige Tricks des kleinen Zauberers an. Als er seine Vorführung beendet hatte verliefen sich die Kinder und es wurde etwas ruhiger.
„Hallo," sprach mich eine Stimme an.
Verwirrt suchte ich nach dem Sprecher.
„Hallo, hier unten auf deinem Schoß, das Hündchen, ich bin's."
Ich sah hinunter zu dem schnauzerähnlichen Hund in dessen Augen. Der Hund hatte den Kopf schief gelegt, ein Ohr war gestellt, das andere abgeknickt.
„Ich bin's, Mike. Man hat mich verwandelt in diesen Hund."
Nervös blickte ich in alle Richtungen, ich stand auf, überprüfte die Rückwand der Garage, die Garage selbst, aber dort standen einsam und unerkannt sechs frische Torten, aber sonst niemand. Überhaupt war es in diesem Moment sehr ruhig.
Die Erwachsenen an den Tischen waren alle damit beschäftigt etwas zu kauen, jeder mampfte, zwei Kinder leckten an einem Eis.
Der Hund war an meiner Seite geblieben.
„Du musst mich zurückverwandeln,“ sagte er.
Ich beugte mich zu ihm herunter und sagte: „Tja Mike, nur wie?"
„Der Zauberer," antwortete mir Mike, der Schnauzer.
„Das Kind? Das ist wohl nicht dein ernst?", sagte ich leise und nuschelnd.
Mike legte sich platt auf den Boden, die Schnauze zwischen seine Pfoten, die Ohren angelegt.
Er sah traurig aus.
„Ich werd's versuchen," versprach ich.
Freudig sprang er auf und führte mich zum kleinen Zauberer. Der hatte seinen Zauberhut abgelegt, die Augenklappe jedoch noch auf.
„Hallo," sagte ich, „brauchst du deine Augenklappe für die Zauberkunststücke?" Er blickte mich aus einem Auge an.
„Ich bin blind auf dem rechten Auge, ein Geburtsfehler."
„Oh, das tut mir leid. Ich brauche deinen Rat."
Der Junge sagte nichts, sondern sah mich an wie Mike es zuvor getan hatte, er legte dabei den Kopf schief.
„Der Hund da," ich deutet auf Mike.
„Was ist mit ihm?" fragte der Junge.
„Er ist verwandelt."
„Tatsächlich?"
„Ja, das ist mein Freund."
„Hunde sind die besten Freunde."
„Nein, nein, er ist kein Hund."
„Also eine Ente ist es nicht."
„Jetzt ist er ein Hund, aber er ist mein verwandelter Freund Mike."
Einige Esser waren fertig und hatten den letzten Teil des Satzes gehört. Sie wandten uns den Kopf zu, und die beiden eisessenden Jungen kamen langsam näher.
„Sie behaupten also, der Hund sei ein verwandelter Mensch."
Ich blickte in die Runde und sagte: „ja, es ist Mike."
In dem Moment entstieg Willi den Katakomben des Hauses, er sah mich, winkte und sagte: „ Mensch, da bist du ja."
Dann fiel er um.
Er war auf ein weiches Blumenbeet gefallen, das allerdings schon breit getreten war. Niemand schien überrascht oder nahm Notiz davon. Vier oder fünf Personen umringten uns jetzt.
„Kannst du ihn zurückverwandeln zum Menschen?" fragte ich.
„Nein."
Ich kam mir so blöd vor. Andererseits war ich auch traurig.
„Glaub ihm nicht," sagte Mike.
„Hast du das gehört?" fragte ich den jungen Zauberer.
„Ja."
„Was hast du gehört?"
„Da schnarcht jemand. Willi schnarcht."
„Ja," sagte eine Frau, „Willi schnarcht auf den Hyazinthen."
„Es sind Nelken," mischte sich eine andere Frau ein.
„Hat noch jemand Durst?" fragte ein Mann.
„Ich glaube hier gibt's irgendwo Torten," rief ein andere Mann.
Die zehn bis fünfzehn Menschen, die sich um uns versammelt hatten brachen auf zu neuen Abenteuern in die Garage, denn dort standen die sechs Torten, das hatte ich ja gesehen.
Einen Moment lang standen Mike, der junge Zauberer und ich unschlüssig zusammen, dann ging ich am schnarchenden Willi vorbei, durch das geöffnete Holztürchen auf die Straße. Mike folgte mir, und zu meinem Erstaunen begleitete mich auch das einäugige Kind.
„Ich wüsste wie Sie den Hund zurückverwandeln können."
„Wie meinst du?"
„Sie können den Hund in einen Menschen verwandeln, denn nur Sie kennen ja wohl den Menschen, der jetzt der Hund sein soll."
„Ich soll das machen?"
„Ja, es ist ganz einfach."
„Ganz einfach," wiederholte ich und Mike sagte: „wußte ich's doch."
„Sie müssen nur auf zehn zählen," sagte der Magier.
„Und dann?"
„Dann ist der Hund wieder der Mensch, der er vorher war."
„Nur auf zehn zählen?"
„Ja,"
„Und du kannst das nicht?"
„Ich kann es nicht, und ich will es nicht."
„Du willst es nicht."
„Ich kenne ihren Freund nicht."
„Sag mir, gibt es irgendeinen Haken?"
„Eigentlich nicht."
„Und uneigentlich?"
„Sie dürfen nicht unterbrechen."
„Was unterbrechen?"
„Das zählen."
„Ich muss also ohne Unterbrechung auf zehn zählen."
„Ja."
„Sehr schnell oder eher langsam?"
„Das ist egal. Einfach auf zehn zählen, ohne Unterbrechung."
„Ganz einfach also."
„Ja.“
„Und falls ich doch unterbrechen würde, vielleicht aus Versehen?"
„Sie werden doch wohl ohne Unterbrechung auf zehn zählen können." „Sicherlich. Aber was passiert, wenn ich es nicht tue?"
„Dann geht ihre Seele verloren."
„Was meinst du damit?"
„Wird schon nicht passieren, und außerdem habe ich das nur mal in Buch gelesen, und das Buch war geliehen von einem Freund, und der Freund ist weg gezogen, nach Hamburg."
„Ach so."
„Ich werde jetzt gehen."
„Willst du nicht dableiben, ich werde jetzt zählen."
„Ich geh "lieber."
Er rannte so schnell um die nächste Ecke, ich hätte verdammt schnell sein müssen um ihn zu erreichen, ich blieb aber wo ich war.
Mike und ich waren am Ortsrand angekommen. Die Sonnen war tief gesunken und gleißte jetzt dunkelrotgold.
„Also los," sagte ich.
Mike setzte sich auf seine Hinterbeine und spitzte die Ohren.
„Eins," sagte ich.
„Zwei, drei," sagte ich.
„Vier," sagte ich, dann sagte ich, „ fünf, sechs, sieben."
„Acht," sagte ich, als mich eine dicke Wespe umflog, meine Nase umflog, dicht vor meinen Augenbrauen im Wind stehen blieb.
„Neun," sagte ich, als die Wespe sich auf meine Augenbrauen setzte und langsam in Richtung Nase trappelte.
„Verdammt," sagte ich und scheuchte die Wespe von meinem Gesicht.
„Zehn," sagte ich, und Mike machte Plopp.
„Prima," sagte er. Jetzt aber stand er im Licht und ich in seinem Schatten, er war nämlich größer als ich, als Mensch meine ich, denn jetzt war er wieder Mensch. „Das hat ja gut geklappt," sagte Mike.
„Alles in Ordnung?" fragte ich.
„Glaube schon. Ich hab vielleicht einen Durst, also vielen Dank. Das war Klasse." Er hüpfte davon wie ein junger Hund, also nicht auf vier Beinen, aber so beschwingt wie ein junger Hund.
Ich folgte ihm nicht.
Ich stieg in meinen Wagen und fuhr heim.
Das war noch mal gut gegangen, dachte ich mir.
Ich hatte meine Seele behalten, dessen war ich mir sicher. Die nächsten Tage zeigten dasselbe Ergebnis: Seele behalten.
Wenngleich, es ist nur kosmetischer Natur.
Es passiert auch nicht häufig.
Vielleicht einmal im Monat, auch nicht jedes mal.
Ich glaube nur wenn man den Vollmond sehen kann.
Da gehe ich besser nicht aus.
Da bleibe ich besser in meinen vier Wänden.
Es ist nichts Schlimmes.
Es schmerzt nur ein bisschen, wenn ich mit der Schere meine Ohrläppchen abschneide.
Wenn ich es nicht tue wachsen sie, immer an diesen Vollmondtagen, sie wachsen, werden länger, bekommen in zehn Minuten eine Länge von zehn Zentimeter, ich muss sie dann kupieren, sonst wachsen sie aus dem Bad heraus, durch die Diele ins Wohnzimmer auf den Balkon, wenn geöffnet ist, hinunter auf den Fußweg, über den Rasen, über den Gartenzaun, die Treppen hinunter auf die Straße bis zur Tankstelle.
Jedenfalls ist es besser, dass ich an so einem Tag nicht ausgehe.

Protagonisten
Ein Erzähler
ein achtjähriger Hobbyzauberer
ein Hündchen (Schnauzer, meine verwandelter Freund Mike)
Handlung
Als ich auftauchte war das Gartenfest schon in vollem Gange. Allerdings waren weder Willi noch Mike zu finden. Willi hatte mich eingeladen, Mike war meine Freund.
Außer den beiden kannte ich niemanden.
So stand ich also verloren herum, bis mir ein paar Kinder ihren Zauberer vorstellten, ein achtjähriger Knirps der mir seine Kunststücke mehr oder weniger gekonnt vorführte.
Alsbald waren die Kunststücke vorbei und die Kinderschar hatte sich verlaufen.
Ein Hündchen hatte sich zu mir gesellt.
Das Hündchen begann plötzlich zu reden, und meinte es wäre mein Freund Mike, nur verwandelt.
Nachdem ich den Schock verdaut hatte, auch niemand gefunden hatte, der mich reinlegen wollte, fand ich mich mit dem jungen Zauberer , dem Hund ( ein Schnauzer, Mike wahrscheinlich) auf der Strasse vor dem Garten wieder.
Der Zauberer meinte, zu meinem Erstaunen, er wüsste wie man Mike zurückverwandeln könne.
Nun, es war war einfach, man durfte nur keinen Fehler machen.
Ich machte einen Fehler, Mike wurde trotzdem zurückverwandelt. Er bedankete sich und alles schien in Ordnung zu sein-
Ja, war es auch.
Nur eine kleine Nebenwirkung blieb.
Vielleicht einmal im Monat, nicht jedesmal.

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