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geschrieben 2024 von terxylifax.
Veröffentlicht: 16.05.2024. Rubrik: Abenteuerliches


In den Bergen

Wir saßen fest.
Vor uns der Spalt, der so breit war, dass man ein Seil benötigt hätte um ihn zu überwinden. Hinter uns der Bergrutsch mit seinem verschütteten Weg.
Nicht dass wir für irgend etwas vorbereitet gewesen wären.
Es war ein sonniger Herbsttag gewesen. Klar, in den Alpen solltest du schon Wanderschuhe und so was anhaben, aber wir waren jung, sehr jung, also um genau zu sein bestimmt nicht älter als siebzehn.
Wir waren im Landschulheim.
Die ganze Klasse. Und irgendein Lehrer hatte die Idee gehabt die Landschaft zu erkunden.
Das war ja schön und gut, die Landschaft war vielleicht schön und gut, mit ihrem Spiel zwischen Hochnebel, Sonne und keiner Sonne.
Undeutlich, weil von Nebelschwaden verdeckt, gab es ein paar Berge, keine Ahnung wie die hießen, wir kannte eigentlich nur die Dolomiten mit Marmolata (lustiger Name) und irgendwelchen drei Zinnen. Hauptsache keine Schule, abends in den Zimmern Musik hören und na ja, ein bisschen Shit rauchen, aber eher wenig, nicht so wie heute.
Dann wurde der Weg immer steiler und gabelte sich, die eine Gruppe ging nach links, die andere nach rechts, und die meisten (wie ich später erfuhr) traten den Rückweg an.
Wir waren dann irgendwann nur noch zu dritt: Jumbo, Carl und ich. Na ja, irgendwann fanden wir es auch zu kalt, und Carl meinte: „Lasst uns den Rückweg nehmen.“
Wir setzten uns auf ein paar Steine, rauchten jeder eine Zigarette (selbstgedreht) und begutachteten die Landschaft, die Felsformationen, die Sonnenstrahlen, den Nebel, den Rückweg.
Dann krachte es, schepperte und staubte es, und der Rückweg war verschüttet.
„Na dann nach vorn gehen,“ meinte Jumbo.
Taten wir, aber schon nach ein paar Minuten befanden wir uns in Anfangs beschriebener Situation wieder.
Was kann man tun?
Um Hilfe schreien?
„Hallo.“
„Juchhuu,“ riefen wir abwechselnd.
Vielleicht sollte man erwähnen, dass das alles vor der Zeit der allgegenwärtigen Handys spielte.
Also wir riefen, aber so richtig überzeugt waren wir nicht. Und wie gesagt, ein Seil hatten wir auch nicht.
Ich machte mich auf den Rückweg bis zum Erdrutsch, stieg ein paar Meter über die Geröllwand, aber rutschte ziemlich aus, und verstauchte mir den Fuß.
Plötzlich hatten wir alle drei mächtig Hunger, und der letzte Mars Riegel wurde brüderlich geteilt, half uns aber nicht sonderlich weiter.
Also absteigen. Aber die Felswände waren bissig und steil und noch waren wir nicht wirklich lebensmüde.
Hochsteigen, wir probierten auch das, aber wir kamen nicht vom Fleck, holten uns maximal ein paar blaue Flecken.
„Om,“ sang Jumbo.
Das war lustig, und weil wir nichts anderes zu tun hatten sangen wir alle drei halbmelodisch würde ich sagen, „Om.“
Na ja Om und Om und Om. Der Magen knurrte irgendwie eher wie Hung und Hung und Hunger.
Dann kam die Dämmerung.
Unsere Restenergie vergeudeten wir mit Rufen: auch mal „Hilfe“ und „Hier sind wir...“ gab es.
Dann spekulierten wir ob wir vielleicht nicht doch vermisst würden.
„Das wäre schon möglich, aber Hubschrauber können im Dunklen nicht so gut fliegen.“
„Hubschrauber?“
„Das gibt’s nur im Kino.“
Es war dann schon ziemlich dunkel als uns zwei leuchtende Augen anstarrten.
„Seht ihr was ich sehe?“ lenkte ich die Aufmerksamkeit der anderen auf eben dieses Funkeln im Dunkeln.
Jumbo meinte: „Nicht bewegen.“
Aber das taten wir sowieso schon (wegen Kälte, wegen Hunger und Mutlosigkeit).
„Was ist das?“ fragte Carl, er hatte die richtige Frage gestellt.
Ich nahm eine Stock, den ich sowieso schon in der Hand gehalten hatte und führte ihn langsam zu den funkelnden Augen.
„Vorsicht,“ meinte Jumbo.
Und dann wurde mir der Stock aus der Hand geschlagen, und ein unangenehmes Geräusch, dass sich wie Fauchen und Zähne klappern anhörte begleitete die Aktion.
„Nicht bewegen,“ meinte Jumbo.
Er hatte die besten Ratschläge, schon immer.
Dann fauchte es feurig rot aus dem bisher nicht gesehenen Maul.
Wir erschraken, aber ich zumindest bewegte mich nicht.
„Ein Bergtiger,“ meinte Carl.
„Oder ein Bergbär,“ erwiderte Jumbo.
Aber ich sagte entschieden : „so was gibt es nicht.“
Plötzlich nahm ich ziemlich unangenehm deutlich den Atem eines Wesens, eines Tieres, oder meinetwegen eines Bergtigers wahr.
Offenbar wurde ich beschnuppert.
Ab und zu blinzelte ein Auge auf. Meine Hand wurde gekitzelt, aber ich lachte diesmal nicht.
Dann war es mir als ob dieser sagen wir mal vorerst: dieser Bergtiger schnurren würde. Allerdings in ziemliche Basstönung, und eher so, dass es auch Jumbo und Carl hörten.
„Er schnurrt,“ meinte Carl.
Und Jumbo: „Nicht bewegen.“
Und dann spürte ich etwas feuchtes, also eher einen feuchten Lappen auf meiner Stirn und im Gesicht.
Das war zu viel, ich zuckte und bewegte mich, rannte davon, allerdings nicht all zu weit, es war ziemlich dunkel und der Abgrund immer noch vorhanden.
„Jonni?“ rief Jumbo, er meinte mich.
„Ja, ich lebe noch,“ meinte ich.
„Pass auf nicht zu nah an den Rand des Weges gehen.“
Da hatte Jumbo recht.
„Oh,“ meinte Carl, und dann noch mal, "oh,“
„Iss was ?“ fragte Jumbo.
„Oh,“ antwortete Carl, um dann hinzu zu setzen: „das Biest leckt mich.“
„Ah, ja,“ meinte Jumbo, „das war zu erwarten.“
„Wir sollten heraus bekommen, was das für ein Monster ist,“ schlug ich vor.
Carl meinte; „oh.“
Und Jumbo schlug vor: „kannst du es beruhigen Carl, kraul doch die Ohren.“
Carl meinte: „oh.“
„Ich habe ein Feuerzeug,“ meinte ich, „wenn ich das jetzt anmache, meinst du das ist gefährlich?“ Ich hatte mein Frage in Richtung Carl gestellt, aber nicht vergessen, alles war ziemlich dunkel, so dass die Richtung sehr ungewiss war.
Carl sagte irgendwie nichts, und Jumbo meinte: „vielleicht solltest du noch warten mit dem Feuerzeug, es könnte den Bergtiger stören.“
Aber dummerweise hatte ich die Flamme des Feuerzeugs schon brennen.
Große Augen, ein wilder Blick, riesiges Gehörn und ein grauer Bart.
Ich ließ das Feuerzeug fallen, nur weil ich mich verbrannte, nicht weil ich erschrocken war.
„Äh,“ meinte Jumbo.
Wie immer hatte er recht.
„Das ist ein Steinbock,“ meinte ich aus sicherer Entfernung.
Carl meinte, „oh.“
„Eine Bergziege,“ meinte Jumbo.
Eine ganz einfache Erklärung. Ich suchte auf dem Boden nach dem Feuerzeug und dann konnte wir für einen weiteren kurzen Moment ein Stillleben betrachten.
Auf der eine Seite Carl, erstarrt, mit seinen halblangen Haaren, die wie ein Visier vor seinen Augen baumelten, auf der anderen Seite der Steinbock ( oder Bergziege), mürrisch aber auch erstarrt, funkelnde Blicke aussendend.
Dann versank alles im Nichts. (Das blöde Feuerzeug versagte seinen Dienst, es war nicht so, dass ich es in irgendeine Erdspalte fallen lies.)
Also, was dann alles in der Nacht passierte: wir vier(!) kuschelten uns irgendwie zusammen, es roch nach Ziege, und wir schliefen ein. Ich selbst träumte heftig von Bergtigern, Bären und anderen wilden Kreaturen, aber irgendwann weckte uns der Schrei einer Krähe- passenderweise war es wohl eine Nebelkrähe.
Und dann.
Grau und grau im Dunst des Morgens erhob sich der Steinbock und tipp-tapp, tipp-tapp wurde er unruhig und suchte offenbar nach einem Ausweg.
Na ja, was soll ich sagen, er kletterte, wie mit Magneten an seinen Hufen, über den zugeschütteten Weg.
Wir mussten ihm nur folgen, das war zwar knifflig, aber im Endeffekt schafften wir es.
Ziemlich verdutzt rieben wir uns danach die Augen , aber machten uns sogleich auf den Rückweg.
Als wir dann in unsere Unterkunft ankamen stellte sich heraus, das man uns tatsächlich vermisst hatte, und vor allem die Lehrer waren ausgesprochen froh uns wohlbehalten begrüßen zu können.
Alle waren gespannt auf unsere Erlebnisse.
Na, wir gaben ihnen das was sie hören wollten... das was ich hier beschrieben habe.
Die Wahrheit?
Was ist schon Wahrheit?
Im Laufe der Zeit wird alles abgeschliffen, bereinigt, geglättet.
Ich will nicht sagen, es gäbe Tiger in unseren Breiten, aber in zwanzig Minuten treffen wir uns in unserer Stammkneipe, Carl, Jumbo und ich, das machen wir schon seit Jahrzehnten, und das schöne daran ist, unser Erlebnis, selbst nach so vielen Jahren bleibt real, es war ein Bergtiger.

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Marlies am 17.05.2024:


Moin trxylifaxl ,
Danke für deine spannende Geschichte.
Was für ein Abenteuer !
Ich glaube auch,
es war ein Bergtieger 🐯
Liebe Grüße
Marlies




geschrieben von Bad Letters am 17.05.2024:

Ganz sicher war es ein Bergtiger und jedes Jahr wächst er ein wenig beim Erzählen terxylifax 😉

MfG
Bad Letters

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