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3xhab ich gern gelesen
geschrieben von Federteufel.
Veröffentlicht: 28.07.2024. Rubrik: Unsortiert


Die erstaunliche Hartnäckigkeit langer Unterhosen

Ja, es ist unglaublich – zumindest empfinde ich es so – wenn ich diese langen Unterhosen ansehe, die unten im Hof an der Leine hängen.
Für einen Moment schließe ich die Augen. Nicht, dass ich strahlendes Weiß nicht ertragen könnte. Ich schließe sie vor Ergriffenheit. Denn dieses Weiß jetzt ist mehr als eine Lichterscheinung. Es ist die Erinnerung an ein strahlend weißes Brautkleid, und an einen rosenroten Mund. Das Brautkleid gibt es noch; es hängt auf dem Dachboden, mottenzerfressen. Der rosenrote Mund jedoch . . . Ach, lassen wir das.
Ich öffne die Augen, denn es hat keinen Zweck, vergangenem Glück nachzutrauern. Wind ist aufgekommen; die Wäsche bewegt sich leicht hin und her; noch flattert sie nicht, die Unterhosen haben keine Eile. Ich schließe das Fenster und unterwerfe mich den Anforderungen des Tages.
Gegen vier Uhr lässt mich ein fernes Grollen aufhorchen. Ich gehe zum Fenster, blicke hinaus: Der Himmel hat sich verdüstert, schwere Wolkenmassen schieben sich heran. Auf der Wäscheleine ist der Teufel los. Die Hosen strampeln wie besessen, als liefen sie um ihr Leben. Wild werfen sie ihre langen Beine hin und her, ihre Oberschenkel, ihre Waden, ihre Knie, es ist ein tolles Treiben, ein wilder Tanz, ein verzweifeltes Ringen mit stärkeren Kräften. Für einen Augenblick hege ich die Befürchtung, sie könnten in dieser Raserei ihre Seele verlieren. Unsinn, denke ich sofort, es sind doch nur Unterhosen, seelenloses Gewebe.
Doch ganz sicher bin ich mir nicht.
Das Gewitter zieht vorbei, ohne viele Tropfen zu vergießen. Eine müde Abendsonne erscheint zwischen schmalen Wolkenstaffeln. Ich trete ans Fenster, blicke nach unten. Die Unterhosen strampeln immer noch; hätte beinahe gesagt: Sich die Seele aus dem Leib. Verdammt hartnäckig, denke ich bewundernd, erstaunlich hartnäckig, sie geben einfach nicht auf. Gut, nicht mehr so besessen wie vorhin, aber keineswegs ermattet, seltsam gerötet , als schämten sie sich, nicht von der Stelle gekommen zu sein. Wie sollten sie auch? Sie sind ja festgeklammert.
Doch da habe ich wohl nicht genau hingeschaut. Als ich eine halbe Stunde später das Fenster öffne, um die Blumen zu gießen, muss ich zweimal hinsehen, ehe ich begreife, dass die Unterhosen verschwunden sind. Sie haben es also doch geschafft, rufe ich begeistert und gleichzeitig ein wenig neidisch. Sie haben etwas geschafft, was ich in meinem Leben wohl nie schaffen werde.

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Bad Letters am 29.07.2024:

Im Text schwingt die Melancholie mit, Federteufel. Ausdrucksstark geschrieben, wie ich finde.

MfG
Bad Letters


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