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geschrieben von Marianne Lubos.
Veröffentlicht: 17.07.2024. Rubrik: Unsortiert


Die Polizei bei mir im Wohnzimmer

Hilfe, die Polizei sitzt bei mir im Wohnzimmer
Meine Stirn ist am Fenster angeklebt. Schaue ungeduldig und leicht erregt auf die Straße.
Wo bleibt denn mein 15-jähriger Sohn? Es ist 22.00 Uhr. Diese bescheuerte Pubertät ist
schuld. Es war das Jahr 1996. Es kommen meine Erinnerungen an die eigene Jugendzeit.
Zuspätkommen war normal.
Zurück zu der ereignisreichen Nacht, in der mich die Polizei besuchte. Durch das Starren
bemerkte ich eine Frau auf der anderen Straßenseite, die sich auffällig verhielt.
Offensichtlich war sie zuständig, um die Straße zu beobachten. Mein
Lebensabschnittbevollmächtigter schlief den Schlaf der Gerechten. Dagegen
beobachtete ich weiter diese verdächtige Frau. Inzwischen war es kurz vor Mitternacht.
Dann hörte ich Geräusche, die sich anhörten, ob jemand eine Tür mit Gewalt aufbrechen
wollte. Gegenüber unserem Haus befand sich an der Ecke ein Beerdigungsinstitut. Der
Krach wurde lauter und ich war die Einzige, die es mitbekam, da die Straße völlig leer war.
Was will man in einem Beerdigungsladen? Sich eine Urne aussuchen, ohne zu bezahlen?
Von dem Sterbenden im Sarg sich verabschieden? Ich war nicht im Bilde darüber, aber
ich hatte ein ungutes Gefühl und rief die Polizei an. Sie kamen in ein gepanzertem Auto.
Es stiegen bewaffnete Polizisten in voller Kampfuniform aus. Ach, du meine Güte, dachte
ich noch. Aber ich lag mit meiner Vermutung richtig. Denn es wurden zwei Männer und
diese Frau abgeführt. Die erste Folge 110 war zu Ende. Falsch gedacht! Auf dem Weg ins
Bett klingelte es an der Haustür.
Hier spricht die Polizei. Wir müssen ein Protokoll aufnehmen. Ich fragte, „jetzt noch?
Daraufhin kam die prompte Antwort, „sie können auch ins Revier kommen.“ „Ok“, sagte
ich, „dann kommen sie hoch.“
Ein älterer Polizist, bewaffnet mit einer Schreibmaschine und in Begleitung eines
Praktikanten, betraten unsere Wohnung. Er stellte die Schreibmaschine auf unseren
Wohnzimmertisch. Beim Aufklappen des Deckels klemmte er eine gehäkelte Tischdecke
ein. Ich wies ihn darauf hin. Er versuchte, sie zu lösen. Was ihm nicht gelang. „Ich hole
mal ein Messer, da ja die Polizei im Hause ist, kann ja nichts passieren.“ Der Praktikant
schmunzelte, aber nur er. Endlich war die Tischdecke befreit. Ich setzte noch einen
darauf, indem ich erwähnte, dass die gehäkelte Tischdecke von meiner verstorbenen
Oma wäre. Endlich ging es los und seine polizeilich verwaltungstechnischen Fragen
wurden gestellt. Dabei benutzte er seinen Zeigefinger, um in Minutenabständen die
Buchstaben einzeln zu tippen. Ich war genervt und machte ihm den Vorschlag, das
Tippen zu übernehmen. Er lehnte es kategorisch ab, mit den Worten: Die
Schreibmaschine ist Eigentum der örtlichen Polizei und darf nicht fremd benutzt werden.
„Warum nicht?“ Er blickte mich streng an. Nach gefühlten zwei Stunden klappte er den
Deckel der Schreibmaschine wieder zu und klemmte dabei die gehäkelte Tischdecke
meiner Oma erneut ein. Der Praktikant rannte prustend auf die Toilette. Mein Blick auf das
Loch in der Omatischdecke brannte mir Tränen in die Augen. „Möchten Sie eine Anzeige
aufgeben?“, fragte er schüchtern.
Nein, danke, denn die Sonne geht schon auf. Ganz ruhig holte ich das Messer aus der
Küche. Danach flüchtete der ältere Polizist aus der Wohnung. Der Praktikant kam lachend
aus dem Bad und wir klatschten beide ab. Zu ihm gewandt: „Heute haben sie viel
gelernt.“
Die Nacht war bislang nicht vorbei. Fast schon im Bett angekommen, klingelte es wieder.
Hier spricht Kommissar Ludwig. „Sie müssen eine Gegenüberstellung machen.“ „Jetzt
noch?“ „Ja“, war die Antwort. „Ich komme zu Ihnen hoch. Darauf sagte ich: „Bitte
bringen Sie ihren älteren Kollegen mit, aber ohne Schreibmaschine.“
Vor mir stand ein gut aussehender Polizist in Zivil. Ich dachte, was soll's; Die Nacht ist
ohnehin gelaufen. Er erklärte mir, dass wir zusammen an dem Polizeiauto vorbeilaufen
müssen, wegen der Identifizierung der Täter. „Die Scheiben sind nur von außen
einsehbar.“ Ich schlug ihm vor, dass wir wie Verlobte Arm in Arm unauffällig am Auto
vorbeilaufen könnten. Er nickte etwas unsicher und so schlenderte ich um 2.30 mit einem
gut aussehenden Mann durch die Straßen. Schade, dass mein Mann nicht am Fenster
gestanden hat.
Es kam zur Gerichtsverhandlung. Die Täter hatten sich einen Rechtsanwalt genommen.
Als Zeugin musste ich laut meinen Namen und meine Adresse nennen. Die Blicke der
Täter waren mir gegenüber nicht freudig gestimmt. Dann fragte mich der Rechtsanwalt:
„Was hatte die Frau an dem Abend an? Und wie viel Meter entfernt standen sie in ihrer
Wohnung am Fenster, als sie angeblich diese Frau auf der anderen Straßenseite
beobachtet haben?“ Meine Antwort kam etwas schnippisch: „Hatte keinen Zollstock
dabei.“ Der Clou war, dass ich dann gefragt wurde: „Wie hoch die Sträucher an der Ecke
gewachsen wären?“ „Hätte ich gewusst, dass ich danach gefragt werden würde, hätte ich
natürlich die Sträucher vorher abgemessen. Bin jedoch keine Gärtnerin.“ Der Richter
verwarnte mich, nur auf die Fragen zu antworten. In diesem Moment hatte ich
beschlossen, meinem Gedächtnis Lücken zu verschaffen, besonders was die Identität der
Täter anbelangte.
Ich bin nicht im Bilde darüber, welche Strafe die Täter bekommen haben. Auch über das
Motiv konnte ich nichts erfahren. Was irgendwie schade war.
Monate später habe ich die Täter zusammen in Adlershof auf der Straße getroffen. Sie
wirkten etwas blass. Wer weiß, was sie im Beerdigungsgeschäft gesehen haben?
Wir gingen aneinander vorbei und im Nachhinein war ich froh, dass ich mich während der
Verhandlung nicht zu sehr aus dem Fenster gelehnt hatte. Die Moral der Geschichte:
Erstens, niemals als Zeuge auftreten, höchstens anonym. Zweitens, keinen Polizisten mit
einer Schreibmaschine in sein Wohnzimmer zu lassen.

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