Veröffentlicht: 17.05.2024. Rubrik: Unsortiert
DAS TICKET
Auch schon in Schlange gestanden für ein Ticket? Wie das eine Regierung zu vermeiden sucht zu erleben in meiner neuesten Wochengeschichte:
In Windesschnelle, nein, in Orkanstärke verbreitet sich in den Sozialen Medien die Nachricht über den neuesten UNO-Beschluss der zu einem garantierten sofortigen weltweiten Frieden ohne Wenn und Aber führen wird. Unmittelbar soll jeder/jede Weltbürger/in ein täglich erneuerbares Eintrittsticket zur Teilnahme am Leben zu lösen haben. Dieses kann auf einer besonderen kostenlosen App (nur die App nicht das Ticket), die überall herunterzuladen ist, jeden Tag neu erworben werden. Doch soll das nur nach entsprechendem Fernhin-Scanning möglich sein, das garantiert, dass nur friedliche Gedanken das gescannte Hirn bevölkern. Die Synapsen von allen Aggressionen frei sind. Ist dies nicht der Fall, wird die Ausgabe eines Tickets zur Teilnahme am täglichen Leben, vom Croissant-Genuss samt kleinem Schwarzen morgens, bis zum Bezug von Träumen in den späten Nachtstunden für das aggressionsverseuchte Individuum nicht möglich sein.
Als diese Meldung durch eine Push-Nachricht mein Hirn erreicht, breche ich in einen anhaltenden Lachkrampf aus. ‚So etwas kann nicht sein‘, flackern irrwitzige, irrlichtige Gedankensplitter in meinem Vorderhirn auf.
Ich öffne unmittelbar nach dem gepuschten Push meinen Kalender, um sicherzugehen, dass heute nicht der 1. April ist und ich einem üblen Scherz aufsitzen könnte. Aber nichts dergleichen, wir befinden uns im 2. lateinischen Kalendermonat. Das Jahr hat zwar begonnen, aber noch nicht richtig Fahrt aufgenommen, um seine Qualität beurteilen zu können. Doch sollte sich die Meldung nicht als Fake erweisen, hätte dieses Kalenderjahr bereits einen unwiderruflichen, unverkennbaren, in die Weltgeschichte eingehenden Stempel aufgedrückt bekommen.
Bin echt gespannt, wie die nächsten 10 Monate weiter tingeln werden. Mit Bettlerhut und Mundharmonika? Oder als Nackttänzermusical, um endlich dem männlichen Geschlecht Gerechtigkeit zu erweisen und das Weibliche zu ergötzen? Wenn ich nur wüsste, wer denn dann der Götze sein wird, der angebetet, nicht angebettelt wird? Oder wird es derjenige sein, der die Tagestickets ausgibt und damit das grosse interstellare Gigageschäft auslöst? Dabei universelle, unendliche Gewinne einstreicht? Da endlich dadurch das Licht der zahl- und zahnlosen Sterne verflüssigt und als Streichpaste, wofür auch immer, entdeckt und nutzbar gemacht werden wird.
Ich selbst bin fest entschlossen, einer solchen Zumutung wie dem Ticketkauf keinesfalls zu folgen. Steige erwartungsvoll ins frisch bezogene Bett, denn einen solchen Neugiersättigungstag darf nicht im kleinsten Krümelchen Schmutz oder in Unsauberkeit ersticken. Der Folgetag muss mit einer Sauberkeitshymne begrüsst werden, die ich noch vor Mitternacht zu komponieren habe. Kein Problem, denn meine musikalische Seele wird mich, auch falls ich am morgigen Tag ohne Ticket nicht am Leben teilnehmen darf, zu retten wissen. Oder dann bei einer geheimen Schwarzlebenskontrolle an den eigenen Noten aus dem Lebenssumpf zu ziehen haben.
Die Regierung hat, wiederum auf allen Kanälen, verbreitet, mit drakonischen Strafen gegen Lebens-Frevler, die ohne Ticket am Leben teilnehmen wollen, vorzugehen. Diesen eine zukünftige persönliche Vitae, die sich gewaschen hat, zu verschaffen. Im Untergrund. Im Hintergrund, und wenn es sein müsse, auch in der enttäuschungsträchtigen, mittelgründigen Durchschnittlichkeit.
Um in diesem Wahljahr keine allzu lange grosse Unzufriedenheit bei den Besitzlosen, die sich keine Tagestickets leisten können, aufkommen zu lassen verkündet die neue Regierung am Vierkönigstag die neue Mega-Lotterie (ONE-to-ONE), bei der mit je einem kostenlosen Tageseintrittslos ins Leben (Gewinnchance von 1:1) das Zufriedenheits-Ministerium über 17 Millionen Gewinn-Tickets, inklusive dem Jackpot von lebenslangem Bezug für 2 Personen samt Kind und Kegel (an dieser antiquierten, verletzenden Formulierung hält die entsprechend eingesetzte KI trotz Kritik in den Social-Media aus historischen Gerechtigkeitsgründen eisern fest), die Jahressegnung für die Bezieher von All-Mosen auszugeben.
Von diesem Schachzug gegen allfällig sich bildende, jeglicher Bildung entsagende, aufmüpfig werdende Gruppen erhoffen sich die Initiatoren Ruhe und Ordnung. Sollten sich jedoch Individuen mit revolutionären Gedanken hervortun, sieht die Regierung härtestes Vorgehen durch lebenslangen Ausschluss von den Segnungen der ONE-to-ONE-Lotterie bis in die siebzehnte Generation vor. So wird sich jedermann und jedefrau zu überlegen wissen, einen solchen Frevel zu begehen.
Um das höchste Ziel, die gesellschaftliche Gerechtigkeit zwischen Ticket-Besitzenden und Besitzlosen zu erreichen, hat die Künstliche Intelligenz darauf eine ausgeklügelte Lösung gewählt.
Alle Lose der ONE-to-ONE-Lotterie sind NIETEN …
Somit kann jedes Jahr ohne Gefahr eine das Finanzministerium nicht belastende, kostenlose Neuauflage der ONE-to-ONE-Lotterie durchgeführt, dadurch die All-Gemeine Zufriedenheit beibehalten werden. Alles bleibt sodann beim Alten und die Strukturen in alle Zukunft unangetastet …
Und als Bonus ein weiterer DREISATZROMAN aus meiner Feder:
T I C K E T - T O C K E T
Tick-Tack-Tock
Bröckelt der Lack
Zick-Zack-Tik-Tok auf
In brühheiss glühend Wok.
Ofenwarm gebraten
Filmchen laden.
Zugriffs Zahl
Entscheidet über
Selbstwert Widerhall.
Herzlichst
François Loeb
Wussten Sie, dass meine Wochengeschichten und Dreisatzromaneurheberfrei und kostenfrei verwendet, gedruckt und als Podcast verbreitet werden können. Einzige Bedingung, meine HP (francois-loeb com) angeben.
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