Veröffentlicht: 03.05.2024. Rubrik: Unsortiert
DIE NAHT DER NACHT
Nächte zusammennähen? Was es damit auf sich hält in meiner neuesten Wochengeschichte erleben:
DIE NAHT DER NACHT
Das glaubt mir keiner. Alle stellen mich als Schwindler, als Fake-Artist dar, wenn ich ihnen das erzähle. Selbst meine Kinder. Natürlich sind diese volljährig. Sonst würden sie es nicht wagen. Am Stammtisch retten sich alle in ein wieherndes, schallendes Gelächter, als ich mit ernster Stimme über das erlebte Abenteuer berichte, das mich teuer zu stehen kam. Im Sportverein beim Senioren-Fussball-Klub schmähen mich alle als Geschichten-Jongleur. Raten mir gleich, meine Kreativität in meine Spielzüge zu legen, als die Kraft mit solchen Märchen verpuffen zu lassen. Nun frage ich mich, was zu unternehmen sei, um erneut wie einst als glaubwürdig zu erscheinen. Denn ich kann es beschwören, mich gar dem Lügendetektor unterwerfen, dass das Erlebte der Wahrheit entspricht. Nichts als der Wahrheit. So wahr mir amerikanische Präsidenten im Wahlmodus dabei helfen. Und es sich keinesfalls um einen Traum oder gar eine Baron-Münchhausen-Geschichte handelt.
Was ärgere ich mich, seit ich dieses eher Morgen- als Abenteuer enttarnt habe. Obwohl ich den Tarnanzug-Strip ohne jede Social-Media Veröffentlichungen an die Hand genommen und beinahe unwillentlich begleitet habe.
Wäre besser gewesen, ich hätte den Mund gehalten. Die Lippen nicht bewegt. Das Geheimnis für mich behalten. Bereits der Ausdruck Morgenteuer hätte zum eigenen Mundtot führen sollen. Zum Schweigen. Doch wes Herz voll des Mundes überschäumt. Das ist das menschliche Los. Auch wenn das Erlebte nicht zum Menschsein passt.
Doch was soll's. Geschehen ist geschehen. Kann nicht mehr aus meiner bereits überstrapazierten Hirnfestplatte gelöscht werden. Selbst Tipp-Ex, das im Schreibmaschinenzeitalter eingesetzte Korrektur- und Rettungsmittel, kann nicht behilflich sein.
Es war eine überdunkle Neumondnacht, die ich in einer einsamen Berghütte als einziger Gast, sah man von den sich behaglich eingenisteten Nagetieren ab, verbrachte. 'Vollneumond' hatte ich am Vortag noch bei meiner Abmeldung zum Schneeschuh-Ausflug mit meiner Verlobten gescherzt. Eine Abwandlung der viel gerühmten vollen Lunar-Nächte, in denen einem geraten wird, die Haare zu kürzen und weiteren Wellnessritualen zu frönen. Ich schlief den Schlaf, den ich den hier heimischen Murmeltieren abgekupfert hatte. Tief und traumlos. Doch so gegen den Tageskalenderwechsel, zu Beginn der Geisterstunde, an die ich bis zu diesem Erlebnis nicht glaubte, wachte ich durch ein unsag- und undefinierbares Geräusch auf. Ein kratziger Laut, als hätte ein gewittriger Blitz sein Navigationsgerät eingeschaltet, nahm die Direttissima von meiner linken Ohrmuschel zur rechten.
Durchtrennte dabei sämtliche meiner Vernunft-Synapsen. Unmittelbar sah ich dabei, wie die Nacht sich heftig dagegen zur Wehr setzte, dem kommenden Tag Raum zu lassen. Hörte die zur Finsternis passende, dunkle Stimme der Nacht dem kommenden Tag zurufen: „Bringst ja nur erneute Schreckensmeldungen, die bereits bei der Dämmerung von Menschen aufgenommen werden und diese in Angst versetzen.“ Darauf antwortete der kommende Tag mit seinem glockenklaren, hoffnungsvollen, vibrierenden Timbre: „Lass mich doch von besseren Zeiten, von Frieden und Vernunft, von Menschlichkeit und Liebe träumen. Wenigstens für diesen, meinem neuen Tag. Will nicht dir nacheifern. Zu viel Belastendes hast du gebracht. Lass mich träumen. Lass mich hoffen, dass die Naht der Nacht bald durchbrochen wird.“
Und da fiel ich erneut in einen tiefen, traumlosen Schlaf. Wachte bei der Morgendämmerung voller Hoffnung auf. Hoffe immer noch, dass die Naht der Nacht sich eines schönen Tages gemeinsam mithilfe aller Menschen aufdröseln lässt …
Und als Bonus ein weiterer DREISATZROMAN aus meiner Feder:
V O L L N E U M O N D
Volltrunken
Torkelnd durch
Die halbe Nacht
Laut statt leise sacht.
Erweckt mich hell
Langsam statt
Schnelledrell.
Bellt mit Drall
Dann ein Knall
Auf Fall tageshell
Der nüchtern Mond
Verzehrt sich epochal
Zur leisen leeren Leere.
Herzlichst
François Loeb
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