Veröffentlicht: 21.04.2024. Rubrik: Unsortiert
Der Markgraf von Brandenburg
Märchen beginnen manchmal mit: „Es lebte einmal“. Auch diese Geschichte beginnt so, obwohl sie wahr ist. Das aber liegt daran, dass sie schon vor 200 Jahren geschehen ist.
In der Mark Brandenburg lebte einmal ein Graf, der war erst 50 Jahre alt und dachte schon ans Sterben, weil er keine Nachkommen hatte.
Da lernte er eines Tages ein junges Mädchen kennen, das war sehr schön und so verliebten sie sich ineinander. Die Gedanken an den Tod schwanden, stattdessen heiratete er das Mädchen und schon bald gebar sie ihm einen Sohn.
Der Markgraf war außer sich vor Freude und überlegte, wie er sie seinerseits beschenken könnte.
Da ließ er die besten Architekten des Landes kommen und ihr ein Schlösschen bauen, wie man ein schöneres dort noch nie gesehen hatte.
Wohl wusste er, was sie am liebsten hatte. Und so wählte er für die Zimmer nur die Hölzer aus, die sie so mochte und die kleinen Mosaiken, die sie so liebte; die Stoffe, die ihr so gefielen und die Bilder, die von derselben Heiterkeit waren, wie sie auch. Und das alles in ihren Farben.
Aber lange überlegte er, wie er das Schlösschen von außen gestalten sollte. Da er sie aber überraschen wollte, fragte er sie nicht.
Eines Tages, als das Schlösschen fertig war, fuhr der Graf mit seiner Frau in ihrer Kutsche hinaus. Auf einer Anhöhe ließ er anhalten und da lag es vor ihnen: Ein bisschen verspielt, so wie sie. Ganz in weiß, mit vielen kleinen Türmen und Zinnen, direkt an einem kleinen See. „Schau mal“, sagte der Graf. - - -
„Grässlich, wer hat denn das gebaut?“, entsetzte sich seine junge Frau. - - -
„Du hast recht, es ist grässlich anzuschauen“, erwiderte ihr Mann und so fuhren sie weiter.
Erst viele Jahre später, als ihr Mann gestorben war, erfuhr die Frau, dass das Schloss ihr gehörte und warum ihr Mann es für sie gebaut hatte.
Ein alter Diener berichtete, dass sie sehr geweint haben soll.
Frühjahr 1995